Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft, Einrichtungen des öffentlichen Rechts, wirtschaftliche Tätigkeit, staatliche Rechtshilfebüros in Finnland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Rechtsberatungsleistungen, die die öffentlichen Rechtshilfebüros in Finnland, d. h. die dort beschäftigten öffentlichen Rechtsberater, gegen eine Teilvergütung erbringen, stellen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG dar. Somit erübrigt sich die Frage, ob diese Büros die fraglichen Rechtshilfeleistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG erbringen und ob die Nichterhebung von Mehrwertsteuer auf diese Tätigkeit zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG führen kann

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-2, 5

 

Beteiligte

Kommission / Finnland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Republik Finnland

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2 ‐ Begriff wirtschaftliche Tätigkeiten ‐ Öffentliche Rechtshilfebüros ‐ Rechtsbeistand, der im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen einen vom Empfänger gezahlten Teilbeitrag geleistet wird ‐ Begriff unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert“

In der Rechtssache C-246/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 3. Juni 2008,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Aalto und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Finnland, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juli 2009

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 Nr. 1 und 4 Abs. 1, 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) verstoßen hat, dass sie gemäß den finnischen Rechtsvorschriften über die Rechtshilfe keine Mehrwertsteuer auf die Rechtsberatungsdienste erhebt, die die öffentlichen Rechtshilfebüros, d. h. die dort beschäftigten öffentlichen Rechtsberater, gegen eine Teilvergütung erbringen, während die gleichen Dienste, wenn sie von privaten Beratern erbracht werden, mehrwertsteuerpflichtig sind.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Art. 2 der Sechsten Richtlinie lautet:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2. die Einfuhr von Gegenständen.“

Rz. 3

Art. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

…“

Rz. 4

Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.

Diese Leistung kann unter anderem bes...

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