Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbot der Differenzierung bei Abzug von Aufwendungen für den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen und inländischen Tochtergesellschaften

 

Leitsatz (amtlich)

Die Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der Finanzierungsaufwendungen einer in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft für den Erwerb von Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft steuerlich nicht abzugsfähig sind, soweit diese Aufwendungen auf Dividenden entfallen, die von der Steuer befreit sind, weil sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat oder Vertragsstaat des genannten Abkommens ansässigen mittelbaren Tochtergesellschaft stammen, obwohl solche Aufwendungen dann abzugsfähig sind, wenn sie auf Dividenden entfallen, die von einer mittelbaren Tochtergesellschaft, die in demselben Mitgliedstaat wie dem Staat des Geschäftssitzes der Muttergesellschaft ansässig ist, ausgeschüttet werden und die faktisch ebenfalls von der Steuer entlastet sind.

 

Normenkette

EGVtr Art. 52; EWR-Abk Art. 31; KStG 1991 § 8b Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 2 Nr. 1

 

Beteiligte

Keller Holding

Keller Holding GmbH

Finanzamt Offenbach am Main-Land

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 14.07.2004; Aktenzeichen I R 17/03; BFH/NV 2004, 1728)

 

Tatbestand

„Niederlassungsfreiheit ‐ Körperschaftsteuer ‐ Recht einer Muttergesellschaft auf Abzug der Aufwendungen für ihre Beteiligungen ‐ Nichtabzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Dividenden stehen ‐ Dividenden, die von einer mittelbaren Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Gesellschaftssitzes der Muttergesellschaft ansässig ist“

In der Rechtssache C-471/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2004, in dem Verfahren

Finanzamt Offenbach am Main-Land

gegen

Keller Holding GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richterin N. Colneric und der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász und E. Levits,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Finanzamts Offenbach am Main-Land, vertreten durch V. Hageböck als Bevollmächtigten,

‐ der Keller Holding GmbH, vertreten durch K. Friedrich und H. Rehm, Steuerberater, und J. Nagler, Rechtsanwalt,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch N. Wunderlich und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von S. Moore und J. Stratford, Barristers,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Gross als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), 58 EG-Vertrag und 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG und 56 EG).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Offenbach am Main-Land und der Keller Holding GmbH (im Folgenden: Keller Holding), einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft, wegen der steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Dividenden stehen, die sie von einer in Österreich ansässigen mittelbaren Tochtergesellschaft bezogen hat.

Rechtlicher Rahmen

Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum

3

Artikel 6 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) lautet:

„Unbeschadet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.“

4

Artikel 31 Absatz 1 des EWR-Abkommens bestimmt:

„Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaats oder eines Staates [der EFTA] [der Europäischen Freihandelsassoziation] im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen....

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