Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft, öffentliche Hand, Vermietung von Pkw-Stellflächen, Begriff der Wettbewerbsverzerrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Frage, ob die Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden, als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, mit Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen ist, ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht.

2. Der Begriff „führen würde“ im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur den gegenwärtigen, sondern auch den potenziellen Wettbewerb umfasst, sofern die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, real und nicht rein hypothetisch ist.

3. Der Begriff „größere“ im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin zu verstehen, dass die gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerbsverzerrungen mehr als unbedeutend sein müssen.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5

 

Beteiligte

Isle of Wight Council u.a

Commissioners of Her Majesty’s Revenue & Customs

Isle of Wight Council

Mid-Suffolk District Council

South Tyneside Metropolitan Borough Council

West Berkshire District Council

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 4 Abs. 5 ‐ Tätigkeiten einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ‐ Bewirtschaftung gebührenpflichtiger Parkeinrichtungen ‐ Wettbewerbsverzerrungen ‐ Bedeutung der Begriffe ‘führen würde’ und ‘größere‘’

In der Rechtssache C-288/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales) (Chancery Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 6. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2007, in dem Verfahren

Commissioners of Her Majesty’s Revenue & Customs

gegen

Isle of Wight Council,

Mid-Suffolk District Council,

South Tyneside Metropolitan Borough Council,

West Berkshire District Council

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und K. Lenaerts sowie der Richter G. Arestis, U. Lõhmus, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Isle of Wight Council, des Mid-Suffolk District Council, des South Tyneside Metropolitan Borough Council und des West Berkshire District Council, vertreten durch J. Ghosh, QC, J. Henderson, Barrister, und R. Genn, Solicitor, sowie L. Leach, adviser,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Bryanston-Cross als Bevollmächtigte im Beistand von C. Vajda, QC, und B. Rayment, Barrister,

‐ von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Aston, SC, und N. Travers, BL,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Juni 2008

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Commissioners of Her Majesty’s Revenue & Customs (im Folgenden: Commissioners) und vier lokalen Behörden, dem Isle of Wight Council, dem Mid-Suffolk District Council, dem South Tyneside Metropolitan Borough Council und dem West Berkshire District Council (im Folgenden zusammen: betroffene lokale Behörden), wegen der Mehrwertsteuerpflicht dieser Behörden für die Bewirtschaftung von abgeschlossenen Parkeinrichtungen für Autos („offstreet parking“) (im Folgenden: Parkeinrichtungen).

Rechtlicher Rahmen

3

Art. 2 in Abschnitt II („Steueranwendungsbereich“) der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

…“

4

Art. 4 in Abschnitt IV („Steuerpflichtiger“) der Sechsten Richtlinie sieht vor:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, ...

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