Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelbesteuerungsabkommen, Möglichkeit einer Doppelbesteuerung von Dividenden, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anteilseigner gezahlt werden

 

Leitsatz (amtlich)

Da das Gemeinschaftsrecht bei seinem gegenwärtigen Stand und in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Befugnisse der Mitgliedstaaten untereinander vorschreibt, steht Art. 56 EG einem bilateralen Steuerabkommen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, nach dem die Dividenden, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anteilseigner gezahlt werden, in beiden Mitgliedstaaten besteuert werden können und das für den Wohnsitzmitgliedstaat des Anteilseigners keine unbedingte Verpflichtung zur Verhinderung der sich daraus ergebenden juristischen Doppelbesteuerung vorsieht.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56

 

Beteiligte

Damseaux

Jacques Damseaux

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Tribunal de première instance de Liège (Belgien) (Urteil vom 20.03.2008; Abl.EU 2008, Nr. C142/17)

 

Tatbestand

„Freier Kapitalverkehr ‐ Besteuerung von Kapitalerträgen ‐ Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ‐ Pflicht der Mitgliedstaaten aus Art. 293 EG“

In der Rechtssache C-128/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal de première instance de Liège (Belgien) mit Entscheidung vom 20. März 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. März 2008, in dem Verfahren

Jacques Damseaux

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ileši&ccaron,; A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. şereŞ, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Damseaux, vertreten durch E. Traversa, avocat,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Gracia als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Noort, C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth und S. Ford als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 293 EG.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Damseaux und dem belgischen Fiskus über die Besteuerung von Dividenden in Belgien, die Herr Damseaux von einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich bezogen und dort bereits versteuert hatte.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 15 des zwischen Belgien und Frankreich am 10. März 1964 geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Festlegung von Regeln über die gegenseitige Verwaltungs- und Rechtshilfe im Bereich der Einkommensteuer in der durch die am 8. Februar 1999 in Brüssel unterzeichnete Zusatzvereinbarung geänderten Fassung (im Folgenden: französisch-belgisches Abkommen) bestimmt:

„(1) Dividenden, die ihren Ursprung in einem Vertragsstaat haben und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können in dem anderen Staat besteuert werden.

(2) Diese Dividenden können jedoch vorbehaltlich Abs. 3 in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber nicht übersteigen:

b) 15 % des Bruttobetrags der Dividenden …

Dieser Absatz berührt nicht die Besteuerung der Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne, aus denen die Dividenden gezahlt werden.

(4) Sofern eine in Belgien ansässige Person, die von einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft Dividenden bezieht, keine Zahlungen nach Abs. 3 erhält, kann sie die Erstattung der auf diese Dividenden entfallenen Vorsteuer, die gegebenenfalls von der ausschüttenden Gesellschaft entrichtet wurde, beantragen. Frankreich kann auf den erstatteten Betrag Quellensteuer nach Abs. 2 zu dem Steuersatz erheben, der für die Dividenden gilt, auf die sich die erstatteten Beträge beziehen.

…“.

Rz. 4

In Art. 19 des französisch-belgischen Abkommens heißt es:

„Die Doppelbesteuerung wird wie folgt vermieden:

A. In Belgien:

(1) Einkünfte und Erträge aus Ka...

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