Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Verlusten aus selbständiger Tätigkeit auf Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aus einem anderen Mitgliedstaat

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) steht einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der eine natürliche Person, die in diesem Mitgliedstaat ihren Wohnsitz hat und dort eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, bei der Besteuerung natürlicher Personen einen in einem bestimmten Jahr erlittenen Verlust nur dann vom steuerpflichtigen Gewinn des darauf folgenden Jahres abziehen kann, wenn dieser Verlust nicht auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat in dem ersten der beiden Jahre hat angerechnet werden können, insofern entgegen, als ein so angerechneter Verlust in keinem der betroffenen Mitgliedstaaten von den zu versteuernden Einkünften abgezogen werden kann, während dies sehr wohl möglich wäre, wenn die natürliche Person ihre selbständige und ihre nichtselbständige Tätigkeit ausschließlich in dem Mitgliedstaat ausgeübt hätte, in dem sie ihren Wohnsitz hat.

 

Normenkette

EGVtr Art. 39

 

Beteiligte

Mertens

Philippe Mertens

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Cour d' appel de Mons (Belgien)

 

Tatbestand

Artikel 104 Absatz 3 der Verfahrensordnung - Freizügigkeit - Steuerrecht - Direkte Steuern - Abzug von Verlusten aus Erwerbstätigkeit

In der Rechtssache C-431/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Cour d'appel Mons (Belgien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Philippe Mertens

gegen

Belgischer Staat

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 48 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und 43 EG)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Wathelet und A. Rosas (Berichterstatter),

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: R. Grass

nachdem das vorlegende Gericht davon unterrichtet worden ist, dass der Gerichtshof beabsichtigt, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts,

folgenden

Beschluss

1.

Die Cour d'appel Mons hat mit Urteil vom 2. November 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 7. November 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 48 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und 43 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Mertens und dem belgischen Staat wegen der Steuer, die gegen ihn bei der Besteuerung natürlicher Personen im Steuerjahr 1990 für Einkünfte aus dem Jahr 1989 festgesetzt wurde.

Der rechtliche Rahmen

3.

Artikel 5 des belgischen Einkommensteuergesetzes 1964 in der Fassung des Arrêté royal portant coordination des dispositions légales en matière d'impôts sur les revenus vom 26. Februar 1964 (Moniteur Belge vom 10. April 1964, S. 3809, im Folgenden: Einkommensteuergesetz 1964) sieht vor:

Die Einwohner des Königreichs unterliegen der Besteuerung natürlicher Personen mit allen ihren zu versteuernden Einkünften im Sinne dieses Gesetzes, auch wenn diese Einkünfte teilweise im Ausland erzielt worden oder zugeflossen sind.

4.

Artikel 43 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes 1964, der die Bestimmung des Nettobetrags der Erwerbseinkünfte regelt, sieht vor:

1. vom Bruttobetrag der Einkünfte aus jeder Erwerbstätigkeit werden die Aufwendungen oder Werbungskosten abgezogen, die mit diesen Einkünften verbunden sind;

2. im Besteuerungszeitraum erlittene Verluste aus irgendeiner Erwerbstätigkeit werden auf Einkünfte aus anderen Tätigkeiten angerechnet;

3. von den nach Nummern 1 oder 2 dieses Artikels bestimmten Erwerbseinkünften werden die Verluste abgezogen, die in den fünf vorangegangenen Besteuerungszeiträumen entstanden sind; dieser Abzug erfolgt nacheinander von den Einkünften eines jeden der folgenden Besteuerungszeiträume, kann jedoch nicht von dem Anteil der Einkünfte des ganzen oder eines Teils des Besteuerungszeitraums vorgenommen werden, der über den Zeitraum von fünf Jahren nach dem Besteuerungszeitraum, in dem der Verlust entstanden ist, hinausgeht;

5.

Artikel 13quater des Arrêté royal d'exécution du code des impôts sur les revenus de 1964 vom 4. März 1965 (Moniteur Belge vom 30. April 1965, S. 4722) lautet:

Der im Besteuerungszeitraum erlittene Verlust aus einer bestimmten Erwerbstätigkeit wird anteilig auf Einkünfte aus anderen Erwerbstätigkeiten angerechnet, die pauschal besteuert werden oder die gemäß Artikel 87quater des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind; ein etwaiger Saldo wird anteilig auf Erwerbseinkünfte angerechnet, die gesondert besteuert werden.

6.

Artikel 87quater des Einkommensteuergesetzes 1964, der im Steuerrecht den Grundsatz der Steuerfreiheit von Einkünften einführt, die ein belgischer Gebietsansässiger in einem an...

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