BMF, 19.12.2003, IV B 7 - S 7200 - 101/03

Bezug: BMF-Schreiben vom 25.5.1998, IV C 3 – S 7200 – 29/98 (BStBl 1998 I S. 627)

Unter Bezugnahme auf die Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei der Ausgabe von Gutscheinen Folgendes:

 

I. Vorbemerkung

1

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte mit Urteil vom 24.10.1996, Rs C-317/94, Elida Gibbs, BStBl 2003 II S. … (Anm.: Das EuGH-Urteil wird zeitgleich mit diesem BMF-Schreiben im BStBl II veröffentlicht.) zur Auslegung von Artikel 11 der 6. EG-Richtlinie bei der Ausgabe von Warengutscheinen entschieden, dass der Hersteller einer Ware die Bemessungsgrundlage für eine Lieferung an einen Groß- oder Einzelhändler um den Nennwert von dem Hersteller ausgegebener Warengutscheine, die von einem Endverbraucher beim Erwerb der Ware von einem anderen Unternehmer als dem Hersteller (z.B. einem Einzelhändler) eingelöst werden, vermindern kann. Die Finanzverwaltung war dieser Entscheidung unter Hinweis auf die Grundsätze der (Allphasen-)Umsatzsteuer, also der Beurteilung nach der jeweiligen Leistungsbeziehung, nur für den Fall gefolgt, dass die dem Warengutschein entsprechende Vergütung in jeder Stufe der Lieferkette (Hersteller – Händler – Endverbraucher) gewährt wird (vgl. BMF-Schreiben vom 25.5.1998, IV C 3 – S 7200 – 29/98, BStBl 1998 II S. 627).

2

Bezug nehmend auf seine Entscheidung vom 24.10.1996, Rs C-317/94, a.a.O. – stellte der EuGH mit Urteil vom 15.10.2002, Rs C-427/98, Europäische Kommission gegen Deutschland, BStBl 2003 II S. … einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Verpflichtung aus Artikel 11 der 6. EG-Richtlinie fest, weil eine Berichtigung der Besteuerungsgrundlage der Lieferung eines Herstellers an seinen Abnehmer nicht in Betracht komme, wenn der Hersteller einen Preisnachlassgutschein ausgibt, dessen Nennwert er nicht seinem direkten Abnehmer, sondern einem anderen an der Lieferkette beteiligten Abnehmer erstattet hat.

3

Ergänzend stellte der EuGH in seinem Urteil vom 16.1.2003, Rs C-398/99, Yorkshire Cooperatives Ltd., BStBl 2003 II S. … fest, dass sich die Gegenleistung bei dem Umsatz des Einzelhändlers an den Endverbraucher aus dem vom Endverbraucher aufgewendeten Barbetrag und dem vom Hersteller an den Einzelhändler geleisteten Erstattungsbetrag zusammensetzt.

 

II. Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung

4

Wie sich die o.g. EuGH-Entscheidungen dem Grunde nach auswirken, zeigt das folgende Beispiel:

Hersteller A verkauft an den Zwischenhändler B ein Möbelstück für 1.000 EUR zuzüglich 160 EUR gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. B verkauft dieses Möbelstück an den Einzelhändler C für 1.500 EUR zuzüglich 240 EUR gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. C verkauft dieses Möbelstück an den Endverbraucher D für 2.000 EUR zuzüglich 320 EUR gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer.

Variante a)

D zahlt C einen Barbetrag in Höhe von 2.175 EUR und übergibt C einen von A ausgegebenen Warengutschein mit einem Nennwert von 145 EUR an Zahlungsstatt. C legt den Warengutschein A vor und erhält von diesem eine Vergütung in Höhe von 145 EUR (Preisnachlassgutschein).

Variante b)

D zahlt C den gesamten Kaufpreis in Höhe von 2.320 EUR und legt den Warengutschein A vor. D erhält von A eine Erstattung in Höhe von 145 EUR (Preiserstattungsgutschein).

Hersteller A kann in den Varianten a) und b) die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung um 125 EUR mindern (145 EUR : 1,16). Die geschuldete Umsatzsteuer des A vermindert sich um 20 EUR Einer Rechnungsberichtigung bedarf es nicht.

Zwischenhändler B hat in Höhe des in der Rechnung des A ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrages – unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG – einen Vorsteuerabzug in Höhe von 160 EUR

Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des C an D setzt sich in der Variante a) aus der Barzahlung des D in Höhe von 2.175 EUR und dem von A gezahlten Erstattungsbetrag in Höhe von 145 EUR, abzüglich der in diesen Beträgen enthaltenen Umsatzsteuer (2.175 EUR + 145 EUR = 2.320 EUR : 1,16), und in der Variante b) aus der Barzahlung des D abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer, zusammen.

Dem Fiskus fließen in beiden Fällen demnach insgesamt 300 EUR Umsatzsteuer zu (Abführung von 320 EUR durch C abzüglich der Minderung in Höhe von 20 EUR bei A); dies entspricht dem Umsatzsteuerbetrag, der in dem vom Endverbraucher D tatsächlich aufgewendeten Betrag enthalten ist, mit dem D also tatsächlich wirtschaftlich belastet ist (2.175 EUR 1,16 × 16 %).

5

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Umsatzsteuersystem darauf angelegt, dass nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der Umsatzsteuer belastet wird. Für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, muss die Umsatzbesteuerung neutral sein. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze darf dem Fiskus aus allen Umsatzgeschäften von der Produktion bis zum Endverbrauch insgesamt nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher wirtschaftlich aufwendet.

6

Wird im...

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