Leitsatz

Beantragt eine steuerbegünstigte Körperschaft gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO die Feststellung der Satzungsmäßigkeit, um Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 AO i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV ausstellen zu können, ist einstweiliger Rechtsschutz nicht durch AdV (§ 69 FGO), sondern durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren.

 

Normenkette

§ 60a Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 5 AO, § 69, § 114 FGO, § 50 Abs. 1 EStDV

 

Sachverhalt

Das Finanzamt stellte mit Bescheid vom 6.3.2019 über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO fest, dass der Antragsteller, ein eingetragener Verein, mit seiner Satzung in der Fassung vom 4.5.2017 nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfüllte. Die Mitgliederversammlung des Antragstellers beschloss daraufhin am 10.3.2019 eine Änderung der Satzung, die am 15.3.2019 in das Vereinsregister eingetragen wurde.

Gegen den Bescheid vom 6.3.2019 legte der Antragsteller am 14.3.2019 Einspruch ein und beantragte auch für die geänderte Satzung die Feststellung der Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a AO.

Mit Bescheid vom 10.12.2019 stellte das FA fest, dass auch mit der geänderten Satzung die Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO nicht erfüllt würden. Dem Antrag vom 14.3.2019 auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO wurde damit nicht entsprochen.

Auch hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte AdV. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab, während das Finanzgericht die AdV gewährte (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.4.2020, 3 V 185/20, Haufe-Index 14062201, EFG 2020, 1580).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und lehnte die Gewährung einer AdV ab, da nach Maßgabe des konkreten Rechtsschutzziels in einem Hauptsacheverfahren Verpflichtungsklage zu erheben wäre. Dem Antragsteller gehe es um die vorläufige Berechtigung, Zuwendungsbescheinigungen auszustellen. Das FG hat nunmehr über den hilfsweise gestellten Antrag auf einstweilige Anordnung zu entscheiden.

 

Hinweis

1. Der BFH musste sich erstmals mit der Frage befassen, wie einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO die Feststellung der Satzungsmäßigkeit beantragt, um Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 AO i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV ausstellen zu können.

2. Für die insoweit erforderliche Abgrenzung zwischen der Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 FGO und einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO kommt es darauf an, ob in einem Hauptsacheverfahren eine Anfechtungs- oder eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre. Dabei dient die Anfechtungsklage der Abwehr hoheitlicher Eingriffe, während die Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage im Gegensatz hierzu darauf gerichtet ist, den eigenen Rechtskreis zu erweitern.

3. Für den Fall der erstmaligen Ablehnung einer gesonderten Feststellung nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO geht der BFH davon aus, dass nur ein Antrag auf einstweilige Anordnung zulässig ist.

a) Nach § 60a Abs. 2 AO erfolgt die Feststellung der Satzungsmäßigkeit auf Antrag der Körperschaft (Nr. 1) oder von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgt ist (Nr. 2).

Die Feststellung auf Antrag gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO – vor der Veranlagung – bildet die Grundlage für die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 AO i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV. Begehrt eine Körperschaft die Feststellung der Satzungsmäßigkeit zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen, wehrt sie – anders als im Anfechtungsfall – keinen Eingriff in ihre Rechte ab, sondern erstrebt wie in der Verpflichtungssituation eine ihr bislang nicht zustehende Begünstigung. Einstweiliger Rechtsschutz hierfür ist nur im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren.

b) Dem steht das sich aus § 60a Abs. 1 Satz 2 AO ergebende zweistufige Besteuerungsverfahren nicht entgegen. Danach ist die Feststellung der Satzungsmäßigkeit für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend.

Zwar muss nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 14.4.1987, GrS 2/85 (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) der vorläufige Rechtsschutz hinsichtlich der Berücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen in zweistufigen Besteuerungsverfahren in dem gleichen Umfang – und daher unter den gleichen Voraussetzungen – gewährt werden wie in einstufigen Besteuerungsverfahren.

Auf dieser Grundlage kann es in Betracht kommen, im Umfang der sich aus § 60a Abs. 1 Satz 2 AO ergebenden Bindungswirkung der gesonderten Feststellung einstweiligen Rechtsschutz nach § 69 FGO zu gewähren, soweit es um die Beurteilung der satzungsmäßigen Voraussetzungen im Zusammenhang mit einem gegenüber der steuerbegünstigten Körperschaft konkret zu erlassenden Ste...

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