Zusammenfassung

 
Überblick

Hält der Steuerpflichtige einen Steuerverwaltungsakt für rechtswidrig, hat er die Möglichkeit, dessen nochmalige Überprüfung durch das Finanzamt herbeizuführen. Hierzu steht ihm das kostenfreie außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren in Form des Einspruchs zur Verfügung. Es ist als Fortsetzung des Besteuerungsverfahrens ausgestaltet ("verlängertes Festsetzungsverfahren") und mit dem vorhergehenden Verfahren eng verbunden. Im Hinblick auf das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren in Form der Klage wird das Einspruchsverfahren auch als Vorverfahren bezeichnet. Ohne dessen Durchführung kann eine Klage beim FG grundsätzlich nicht erhoben werden.

Will der Einspruchsführer mit seinem Einspruch Erfolg haben, muss dieser nicht nur begründet, sondern zunächst einmal zulässig sein. Dementsprechend ist das Finanzamt bei jedem Einspruch verpflichtet, vorab zu prüfen, ob ein eingelegter Einspruch zulässig ist. Dafür müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein. Fehlt nur eine, ist der Einspruch von Amts wegen als unzulässig zu verwerfen. Er darf sachlich nicht behandelt werden, selbst wenn er nach materiellem Recht begründet wäre. Nur bei einem zulässigen Einspruch muss also überprüft werden, ob dem Begehren des Einspruchsführers stattzugeben ist.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die Zulässigkeit eines Einspruchs als Sachprüfungsbedingung ergibt sich aus § 358 AO. Die einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen finden sich in den §§ 347, 348 (Statthaftigkeit und Ausschluss des Einspruchs), 350, 352 (Beschwer und Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung), 354, 362 (Verzicht und Rücknahme), 355 (Einspruchsfrist), 357 (Form und Inhalt) sowie 79 ff. AO (Handlungsfähigkeit/Ordnungsgemäße Vertretung).

Die Bedeutung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist in einer umfangreichen Rechtsprechung dokumentiert, insbesondere zu den §§ 355 und 357 AO. Die wichtigsten Anwendungsprinzipien sind im AEAO wiedergegeben.

1 Allgemeines

1.1 Abgrenzungsfragen

Der Einspruch ist abzugrenzen von

  • den in der AO nicht geregelten nichtförmlichen Rechtsbehelfen (Gegenvorstellung, Sachaufsichtsbeschwerde, Dienstaufsichtsbeschwerde, Petition)
  • dem Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO[1]
  • dem Antrag, einen Verwaltungsakt zu berichtigen, zurückzunehmen, zu widerrufen, aufzuheben oder zu ändern[2]
  • der Sprungklage nach § 45 FGO.[3]

Ob ein förmlicher oder ein nichtförmlicher Rechtsbehelf bzw. Antrag vorliegt, ist nach Lage der Dinge zu entscheiden (Wortlaut des Schreibens, erkennbares Anliegen des Absenders, sonstige Begleitumstände). Im Zweifel hat das Finanzamt von einem Einspruch auszugehen.[4]

Der Einspruch unterscheidet sich von einem Korrekturantrag im Wesentlichen in folgenden Punkten:

  • Er ist frist- und formgebunden.[5]
  • Er hindert den Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft.[6]
  • Der Einspruch kann zur Verböserung[7] führen.[8]
  • Nur der Einspruch ermöglicht die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO.[9]

1.2 Kostenfreiheit

Das Einspruchsverfahren ist nicht kostenpflichtig. Einspruchsführer und Finanzamt haben jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen, unabhängig davon, wer im Einspruchsverfahren obsiegt.

Obsiegt der Steuerpflichtige im anschließenden Gerichtsverfahren, werden ihm nach § 139 Abs. 1 FGO auch die Kosten des Vorverfahrens ersetzt. Darüber hinaus sind nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auch die Aufwendungen für einen im Einspruchsverfahren tätigen Bevollmächtigten erstattungsfähig, wenn das Gericht dessen Zuziehung für das Vorverfahren für notwendig erklärt.

Unabhängig davon kann sich im Einzelfall die Frage eines Anspruchs auf Kostenerstattung als Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB, Art. 34 GG stellen.[1]

Von der fehlenden Erstattungsmöglichkeit für den Einspruchsführer macht das Gesetz nur bei der Kindergeldfestsetzung in § 77 EStG eine Ausnahme. Dies ist durch die Rechtsnatur der Kindergeldregelung als Sozialrecht gerechtfertigt. § 77 EStG ist hingegen bei einem erfolgreichen Einspruch gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen unberechtigt erhaltener Kindergeldzahlungen weder unmittelbar noch analog anwendbar.[2]

Wendet sich der Einspruchsführer isoliert gegen die im Rahmen einer Einspruchsentscheidung der Familienkasse ergangene Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 EStG, ist statthafter Rechtsbehelf hiergegen ausschließlich die Klage, nicht (auch) der Einspruch.[3]

[1] Krömker/Nöcker, Amtshaftung des Staates für seine Finanzbeamten, § 839 in der steuerberatenden Praxis, AO-StB 2016 S. 44.

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