Leitsatz

1. Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb (Steuergegenstand) oder aber um mehrere selbständige Betriebe – und damit um mehrere Steuergegenstände – handeln.

2. Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist jedoch nicht von einer strikten Zweiteilung in gleichartige bzw. ungleichartige Betätigungen auszugehen; vielmehr steigt das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

3. Wenn Gewerbesteuermessbescheide für mehrere Betriebe desselben Inhabers ergehen, setzt ihre hinreichende inhaltliche Bestimmtheit in der Regel voraus, dass sie einen Hinweis auf den jeweiligen Betrieb (Steuergegenstand) enthalten.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, § 119 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb in demselben Gebäude und unter derselben Bezeichnung sowohl ein Eiscafé als auch einen Grill-Imbiss. Er ermittelte die Gewinne beider Betätigungen getrennt. Der Grill-Imbiss führte zu positiven Betriebsergebnissen, das Eiscafé war verlustreich. In seinen Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre fasste der Kläger die Ergebnisse der beiden Betätigungen zusammen, weil er davon ausging, es handele sich um einen einheitlichen Betrieb. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, der Kläger sei Inhaber zweier getrennter Betriebe. Auf dieser Grundlage erließ es für den Grill-Imbiss einerseits und für das Eiscafé andererseits gesonderte Gewerbesteuermessbescheide. Einspruch und Klage gegen die für den Grill-Imbiss ergangenen Gewerbesteuermessbescheide blieben ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 10.10.2017, 7 K 3662/14 G, Haufe-Index 11907701, EFG 2018, 1281).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers war begründet und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung. Unter Berücksichtigung der unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Grundsätze muss das FG eine neue Gesamtwürdigung – ggf. unter Heranziehung weiterer, noch nicht aufgeklärter Sachverhaltsmerkmale – vornehmen.

 

Hinweis

1. Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder aber um mehrere selbstständige Betriebe – und damit um mehrere Steuergegenstände – handeln. Die steuerlichen Folgen einer Einordnung sind beträchtlich (mögliche Ergebnissaldierung; mehrfacher Freibetrag gemäß § 11 GewStG; unterschiedliche Rechtsfolgen bei der Einstellung oder Veräußerung einer (Teil-)Tätigkeit).

2. Im Ausgangspunkt unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischen gleichartigen und ungleichartigen Betätigungen. In beiden Fällen ist ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich, um sie als einen einzigen Steuergegenstand ansehen zu können. Die erforderliche Mindestintensität dieses sachlichen Zusammenhangs ist in den beiden Fallgruppen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Maßgebend ist jeweils das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.

3. Für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers gilt die Vermutung eines einheitlichen Betriebs, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegensprechen.

4. Bei ungleichartigen Betätigungen stellt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis gerade umgekehrt dar. Grundsätzlich indiziert die Ungleichartigkeit der Betätigungen ihre gewerbesteuerrechtliche Selbstständigkeit. Auch in solchen Fällen kann es sich aber um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handeln, wenn die verschiedenen Betätigungen – vor allem – wirtschaftlich und daneben auch organisatorisch und finanziell zusammenhängen.

5. Bei ungleichartigen Betätigungen kommt dem Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung ein besonderes Gewicht zu. Die Möglichkeit der Ergänzung der verschiedenen Tätigkeiten hat in diesem Zusammenhang eine erhebliche Bedeutung. Für das "Sich Ergänzen" ungleichartiger Tätigkeiten ist allerdings – hierauf weist der BFH ausdrücklich hin – nicht erforderlich, dass in dem einen Betriebsteil Produkte des anderen verkauft werden. Beim Fehlen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs können ungleichartige Betätigungen nur in besonderen Ausnahmefällen zusammengefasst werden, die durch eine außergewöhnlich hohe Intensität des organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs gekennzeichnet sein müssen.

6. In dem Besprechungsurteil betont der BFH, dass eine strikte Zweiteilung in einerseits (vollkommen) gleichartige und andererseits (vollkommen) ungleichartige Betätigungen mit den daraus folgenden Vermutungen den Besonderheiten vieler Fälle nicht gerecht wird. Dies gilt z.B. für Gastronomiebetriebe, ...

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