Sachverhalt

Bei der Klage der EU-Kommission gegen Irland ging es um die Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft. Nach Auffassung der EU-Kommission hat Irland gegen Art. 9 und 11 MwStSystRL verstoßen, indem es im irischen Recht möglich ist, dass ein Nichtunternehmer zu einer Organschaft gehören kann.

Aus Erleichterungsgründen und zur Bekämpfung möglichen Missbrauchs ermögliche die MwStSystRL es den Mitgliedstaaten, zwei oder mehrere Steuerpflichtige zusammen als einen einzigen Steuerpflichtigen zu behandeln. Die Kommission meinte aber, dass die MwStSystRL es nicht zulasse, Nichtsteuerpflichtige in eine solche Gruppe (Organschaft) einzubeziehen und so die Rechte und Pflichten von Steuerpflichtigen auf Nichtsteuerpflichtige auszudehnen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass es nach Artikel 11 MwStSystRL zulässig ist, auch nichtsteuerpflichtige Personen in eine Mehrwertsteuergruppe einzubeziehen, und die Vertragsverletzungsklage der Kommission abgewiesen. Er ist damit den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen v. 27.11.2012 gefolgt. Die Kommission hat auch gegen Tschechien (C-109/11), Dänemark (C-95/11), Finnland (C-74/11) und Großbritannien (C-86/11) Vertragsverletzungsklagen mit gleichlautendem Vorwurf erhoben. Es ist damit zu rechnen, dass der EuGH auch diese Klagen abweisen wird.

Die Kommission hatte vorgetragen, nach Art. 11 MwStSystRL könnten nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden. Die Vorschrift räume die Möglichkeit ein, mehrere Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, sofern jede dieser Personen einzeln mehrwertsteuerpflichtig (Unternehmer) sei. Sie stelle eine Ausnahme von der allgemeinen Regel dar, wonach jeder Steuerpflichtige im Rahmen der Anwendung der Mehrwertsteuerregeln als gesonderte Einheit zu behandeln sei und müsse demnach eng ausgelegt werden. Zwar beziehe sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut auf "Personen", die Tatsache aber, dass die in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogenen Personen als "ein" Steuerpflichtiger zu behandeln seien, bedeute, dass jedes Mitglied dieser Gruppe selbst steuerpflichtig sein müsse. Ebenso setze der Begriff "Gruppe" voraus, dass die betreffenden Personen für die Zwecke des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu derselben Kategorie gehörten. Im Übrigen könnte, wenn das Wort "Personen" so zu verstehen sei, dass es sich ohne Einschränkung auf jede Person beziehe, eine Mehrwertsteuergruppe allein aus nichtsteuerpflichtigen Personen bestehen, was gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstieße.

Irland hatte vorgetragen, die Auslegung durch die Kommission sei mit dem Wortlaut von Art. 11 MwStSystRL nicht vereinbar. Dass in der englischen Fassung das Wort "persons" (Personen) und nicht der Ausdruck "taxable persons" (Steuerpflichtige) verwendet werde, resultiere aus einer bewussten Entscheidung des Unionsgesetzgebers. Die These, wonach das Wort "taxable" weggelassen worden sei, um eine Wiederholung zu vermeiden, sei nicht glaubhaft, da beim Erlass der 6. EG-Richtlinie in deren englischer Fassung das Wort "any" zwischen dem Ausdruck "single taxable person" und dem Wort "persons" hinzugefügt worden sei.

Der EuGH hat sich der irischen Position zur Auslegung von Art. 11 MwStSystRL nach dem Wortlaut der regelungangeschlossen. Daraus ergebe sich, dass es jedem Mitgliedstaat gestattet ist, mehrere Personen unter den weiteren Voraussetzungen der Regelung zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Die Vorschrift mache nach ihrem Wortlaut die Anwendung nicht von weiteren Voraussetzungen und insbesondere nicht davon abhängig, dass die genannten "Personen" selbst einzeln die Unternehmereigenschaft nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL besitzen müssen. Da das Wort "Personen" und nicht das Wort "Steuerpflichtiger" verwendet wird, werde kein Unterschied zwischen steuerpflichtigen und nichtsteuerpflichtigen Personen gemacht.

Nach den weiteren Urteilsgründen kann die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Verwaltungsvereinfachungen führen und missbräuchliche Gestaltungen verhindern. Für den Fall, dass die Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine Organschaft zu Missbräuchen führt, haben die Mitgliedstaaten nach dem Urteil über Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL die Möglichkeit, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dieser Hinweis des EuGH belegt, dass das Urteil nicht so verstanden werden muss, als gebe es für die Mitgliedstaaten einen Zwang, Nichtunternehmer (bei gegebenen finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verpflechtungen) in eine Organschaft einzubeziehen.

 

Hinweis

Das deutsche Recht schließt angesichts der Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ebenfalls aus, dass ein Nichtunternehmer einer Organschaft angehören kann. Holdinggesellschaften, die keine entgeltlichen Leistungen erbringen und deshalb keine umsatzsteuerlichen Unternehmer sind, können nicht Organträger sein (vgl. OFD Karlsruhe v. 28.1.2009, UStK § 2 Abs. 1 UStG Karte 4: Die Unternehmereigenschaft einer a...

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