Leitsatz

1. Jede Windkraftanlage, die in einem Windpark betrieben wird, stellt mit dem dazugehörigen Transformator nebst der verbindenden Verkabelung ein zusammengesetztes Wirtschaftsgut dar. Daneben ist die Verkabelung von den Transformatoren bis zum Stromnetz des Energieversorgers zusammen mit der Übergabestation als weiteres zusammengesetztes Wirtschaftsgut zu behandeln, soweit dadurch mehrere Windkraftanlagen miteinander verbunden werden. Auch die Zuwegung stellt ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar.

2. Alle Wirtschaftsgüter eines Windparks sind in Anlehnung an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Windkraftanlagen grundsätzlich über denselben Zeitraum abzuschreiben.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 S. 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine Fonds-KG hatte einen Windpark bestehend aus vier Windkraftanlagen errichtet. Die KG hatte sämtliche Kosten als Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts behandelt und dieses auf 16 Jahre degressiv abgeschrieben. Das FA war der Meinung, der Windpark bestehe aus fünf Wirtschaftsgütern mit unterschiedlichen Nutzungsdauern (Zuwegung, Verkabelung, Windkraftanlage, Trafostation, Übergabestation).

Im Klageverfahren hatte die KG mit dem Antrag Erfolg, für die Zuwegung als unbewegliches Wirtschaftsgut eine lineare und im Übrigen eine degressive AfA bezogen auf eine Nutzungsdauer von jeweils 16 Jahren anzusetzen (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 30.09.2009, 2 K 134/08, Haufe-Index 2255822, EFG 2010, 129).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil im Ergebnis, ging allerdings von drei Wirtschaftsgütern aus (Windkraftanlage mit Trafo und Niederspannungsverka­belung, Übergabestation mit Mittelspannungsverkabelung, Zuwegung). Gegen die Schätzung einer einheitlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren sei revisionsrechtlich nichts einzuwenden.

 

Hinweis

1. Das Urteil klärt die von den FG bisher unterschiedlich beantwortete Frage, wie Windparks abzuschreiben sind. Die Abschreibung hängt einerseits davon ab, was als bewegliches oder unbewegliches Wirtschaftsgut beurteilt wird (nachfolgend 2.). Andererseits muss die Nutzungsdauer der ggf. mehreren Wirtschaftsgüter bestimmt werden (nachfolgend 3.).

2. Ein Windpark setzt sich nach Meinung des BFH aus mehreren Wirtschaftsgütern zusammen:

  • die einzelne Windkraftanlage bestehend aus Turm, Rotor und Generatorgondel einschließlich aller mechanischen und elektrischen Bauteile mit dem dazugehörenden Transformator und der beide verbindenden Niederspannungsverkabelung,
  • die mehrere Windkraftanlagen verbindende Mittelspannungsverkabelung einschließlich der Übergabestation zum Hochspannungsnetz,
  • die Zuwegung.

Die beiden erstgenannten Wirtschaftsgüter sind dem beweglichen Anlagevermögen zuzuordnen, die Zuwegung dem unbeweglichen Anlagevermögen.

Der BFH lehnt es damit einerseits ab, einen Windpark als ein einheitliches Wirtschaftsgut zu beurteilen. Andererseits folgt er auch nicht den Vorschlägen, einen Windpark oder die einzelne Windkraftanlage in zahlreiche Einzelwirtschaftsgüter zu zerlegen. Die unterschiedliche Verschleißanfälligkeit von Teilen einer Windkraftanlage (z.B. Turm, Generator oder Getriebe) wird nicht zum Anlass für eine Zerlegung der technischen Anlage in mehrere Wirtschaftsgüter genommen. Bei dieser Gelegenheit erteilt der BFH auch der jüngsten Forderung nach Übernahme des sog. Komponentenansatzes der IFRS in das Bilanzsteuerrecht eine ausdrückliche Absage. Der Begriff des Wirtschaftsguts richtet sich weiter nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang, nicht nach der Lebensdauer von Bestandteilen der danach gebildeten Einheit.

3. Zur Bestimmung der Nutzungsdauer bezieht sich der BFH grundsätzlich auf die amtlichen AfA-Tabellen. Danach wäre die Windkraftanlage mit Niederspannungsverkabelung auf 16 Jahre, die Übergabestation mit Mittelspannungsverkabelung auf 20 Jahre und die Zuwegung auf 19 Jahre abzuschreiben. Dennoch äußert der BFH keine Bedenken gegen die Bestimmung einer einheitlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren für alle Wirtschaftsgüter. Ein Windpark werde so stark von der Windkraftanlage geprägt, dass das FG im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis die Abschreibungsdauer aller Wirtschaftsgüter an der Nutzungsdauer der Windkraftanlage habe ausrichten dürfen. Verallgemeinernd ist danach immer eine einheitliche Nutzungsdauer für alle Wirtschaftsgüter eines Windparks zu bestimmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.04.2011 – IV R 46/09

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