Leitsatz

1. Ein eigener Hausstand wird auch dann unterhalten, wenn der Erst- oder Haupthausstand im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts (mit den Eltern) geführt wird.

2. Der "kleinfamilientypische" Haushalt der Eltern kann sich zu einem wohngemeinschaftsähnlichen, gemeinsamen und mitbestimmten Mehrgenerationenhaushalt oder gar zum Haushalt des erwachsenen Kindes, in den die Eltern beispielsweise wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit aufgenommen sind, wandeln.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Nr. 5 EStG

 

Sachverhalt

Der aus M stammende, 1974 geborene und 2005, 2006 (Streitjahre) ledige K studierte seit 2002 in L. Dort mieteten K und seine Kommilitonin A ab Februar eine Dreizimmerwohnung (86 qm). K schloss das Studium 2004 ab und war seit Januar 2005 in L nicht selbstständig tätig. Die gemeinsame Wohnung behielten K und A bei, seit November 2005 wohnte K dort allein. K behielt während der gesamten Zeit auch einen Wohnsitz im Haus der Eltern in M bei. Das nicht in eigenständige Wohnungen unterteilte Haus hatte eine Küche, fünf Wohn-/Schlafzimmer, zwei davon im Keller; es hatte zwei Badezimmer, eines davon im Keller, dort war auch die einzige Waschmaschine des Hauses. Die Kellerräume hatte K zur alleinigen, ausschließlichen Nutzung; diese waren über einen eigenen Eingang erreichbar. Das Badezimmer stand nur K zur Verfügung, die Eltern konnten aber die Waschmaschine mitnutzen. Die einzige Küche wurde gemeinsam genutzt, K hat aber im Keller einen eigenen Kühlschrank. Den einzigen Telefonanschluss nutzten K und seine Eltern gemeinsam. K zahlte keine Miete, sollte allerdings Kosten (Versicherung, Grundsteuer, Reparaturen) tragen sowie Einkäufe und körperlich schwere Arbeiten erledigen. Die Eltern trugen die Betriebskosten des Hauses. Im Oktober 2005 erhielt K von seinem Vater dessen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück. Mit der ESt-Erklärung machte K doppelte Haushaltsführung geltend. FA und FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.9.2011, 12 K 12092/09, Haufe-Index 2971463) erkannten diese nicht an, weil K in M keinen eigenen (Haupt-)Hausstand unterhalte.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen dahin zurück.

 

Hinweis

Erst lebt das Kind im Haushalt der Eltern, ist dort integriert und führt dort auch keinen eigenen Hausstand. Jahrzehnte später kann die Lage umgekehrt sein. Die betagten und vielleicht sogar pflegebedürftigen Eltern leben im Haushalt des Kindes; dann führt das Kind einen eigenen Hausstand, die Eltern möglicherweise nicht (mehr). Der Streitfall handelt von der Lebensphase dazwischen: Für den klassischen Mehrgenerationenhaushalt schließt es der BFH nicht aus, dass sowohl Eltern als auch Kinder dort jeweils einen eigenen Hausstand führen.

1. K war alleinstehend; dennoch ist eine doppelte Haushaltsführung möglich (dazu z.B. BFH, Urteil vom 21.4.2010, VI R 26/09, BFH/NV 2010, 1894, BFH/PR 2010, 419). Entscheidend ist der eigene Hausstand; hierzu zieht der BFH die Grundsätze seiner jüngsten Rechtsprechung heran, darauf sei hier verwiesen (BFH, Urteil vom 28.3.2012, VI R 87/10, BFH/NV 2012, 1231, BFH/PR 2012, 266). Danach kommt es bei einer Gesamtschau auf die Einrichtung, Ausstattung und Größe der Wohnung an, ob sie ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, ohne dass allerdings die bewertungsrechtliche Voraussetzung einer Wohnung gegeben sein muss. Selbst gemeinsame sanitäre Einrichtungen und Küchen schließen nicht zwingend einen eigenen Hausstand aus. Deshalb kann ein eigener Hausstand auch in einer Wohngemeinschaft unterhalten werden, die auch mit den Eltern geführt werden kann.

2. Wie schon zu BFH/PR 2012, 266 erläutert, hat die Gesamtschau dann auch die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Z.B.: Hat das Kind gerade erst eine Ausbildung begonnen oder lebte es schon länger auswärts und kehrt sogar aus einer gefestigten Beziehung oder Ehe wieder zurück in den Haushalt der Eltern? Oder übernimmt das Kind sogar wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit den elterlichen Haushalt? Wie sind die Räume ausgestattet? Wie ist die Wohnung am Beschäftigungsort genutzt? Das hat nun das FG zu prüfen. Deshalb konnte – so Leitsatz Nr. 2 – das FG eine eigene Haushaltsführung des K nicht damit verneinen, dass K gemeinsam mit seinen Eltern einen Haushalt führte. Die Frage lautet vielmehr: Hat K in den fraglichen Räumen einen eigenen Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in einem "Mehrgenerationenhaushalt" unterhalten?

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.7.2012 – VI R 10/12

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