Leitsatz

Ist der Präsident eines FG zugleich Gerichtspräsident in einer anderen Gerichtsbarkeit, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Präsident seinem Senat im FG zugewiesen ist, damit in seiner Person kein Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 FGO vorliegt.

 

Normenkette

§ 1, § 4, § 5 Abs. 1, § 119 Nr. 1 FGO, § 21e GVG, § 27 DRiG

 

Sachverhalt

Die Klägerin machte einen Billigkeitserlass geltend. Das FG gab der Klage statt (FG Mecklenburg-­Vorpommern, Urteil vom 19.1.2017, 2 K 257/13). ­Hiergegen wendet sich das FA mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Es liege eine vorschriftswidrige Besetzung i.S.v. § 119 Nr. 1 FGO vor. Das Urteil sei unter dem Vorsitz des Richters X ergangen, der Präsident des FG und zugleich Präsident des OVG gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie X bei der Leitung von zwei Obergerichten und fünf Senaten den Anforderungen der Rechtsprechung nachkommen könne.

 

Entscheidung

Im Hinblick auf die Stellung des Senatsvorsitzenden als Präsident des FG und eines weiteren Gerichts in einer anderen Gerichtsbarkeit hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 116 Abs. 6 FGO). Der im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung für das FG geltende Geschäftsverteilungsplan 2017 enthielt nicht den erforderlichen Vermerk zum Umfang der Arbeitskraft, die der Präsident der Senatsarbeit widmete. Bereits im Hinblick hierauf ist in Bezug auf seine Person die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung nicht hinreichend gewährleistet, sodass das FG insoweit nicht ordnungsgemäß besetzt war. Damit war nicht zu entscheiden, ob eine Doppelpräsidentschaft bei einem FG und einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit überhaupt mit der FGO vereinbar ist.

 

Hinweis

1. Vor mehreren Jahren wurde im Schrifttum diskutiert, ob der Präsident eines FG zugleich Präsident eines anderen Gerichts sein kann (vgl. hierzu einerseits Trossen, DStR 2014, 1810 sowie andererseits Böhmann, DStR 2014, 2547 und Kohl,DStR 2014, 2548). Trossen sah es als nicht geklärt an, ob "die Möglichkeit, den Präsidenten durch Aufhebung des Erlasses und damit die Rücknahme seiner Zuweisung an das FG im Ergebnis an der Ausübung richterlicher Aufgaben zu hindern und so auf die Besetzung eines Spruchkörpers am FG durch eine bloße Verwaltungsentscheidung Einfluss zu nehmen, mit der richterlichen Unabhängigkeit und dem Gebot des gesetzlichen Richters vereinbar ist".

Der BFH hat diese Frage nicht entschieden. Er geht aber davon aus, dass eine Doppelpräsidentschaft dazu führt, dass der Geschäftsverteilungsplan des FG besonderen Anforderungen zu genügen hat.

2. Stehen Richter nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft einem Spruchkörper zur Verfügung, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Richter dem jeweiligen Spruchköper zugewiesen ist. Nimmt z.B. ein Hochschullehrer auch richterliche Aufgaben wahr, so muss bereits im Geschäftsverteilungsplan berücksichtigt werden, dass und inwieweit er durch seine Tätigkeit als Hochschullehrer verhindert ist, die richterlichen Aufgaben zu erfüllen. Dies gilt auch für Richter, denen ein Richteramt an einem anderen Gericht auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 DRiG übertragen ist. Es ist dann der Tätigkeitsumfang für die richterlichen Aufgaben unter Bestimmung des Anteils der Arbeitskraft im Geschäftsverteilungsplan kenntlich zu machen.

3. Lässt der Geschäftsverteilungsplan nicht erkennen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Richter dem jeweiligen Spruchköper zugewiesen ist, führt dies beim Präsidenten eines FG, der zugleich Präsident eines Gerichts einer anderen Gerichtsbarkeit ist, zu einem Besetzungsmangel i.S.v. § 119 Nr. 1 FGO.

a) Dem Vertrauen in die Sachlichkeit der Gerichte kommt im Rahmen einer Fachgerichtsbarkeit wie der in rechtsprechungsfunktionaler Eigenständigkeit durch Art. 95 Abs. 1 GG abgesicherten Finanzgerichtsbarkeit gesteigerte Bedeutung zu. Denn mit der Einrichtung einer besonderen Fachgerichtsbarkeit verbindet sich die Erwartung einer Rechtsschutzgewährung durch für die Rechtsmaterien der Fachgerichtsbarkeit besonders qualifizierte Richter. Diese Qualität des finanzgerichtlichen Rechtsschutzes wird institutionell durch den Einsatz von Richterinnen und Richtern an den Finanzgerichten gewährleistet, die nach dem Bundesrecht nur an ihrem jeweiligen FG als "einem bestimmten Gericht" i.S.v. § 27 Abs. 1 DRiG, nicht aber zugleich auch an anderen Gerichten tätig sind. Bestätigt wird dies durch § 27 Abs. 2 DRiG. Denn die danach grundsätzlich mögliche Übertragung eines weiteren Richteramts bei einem anderen Gericht, "soweit ein Gesetz dies zulässt", ist in der FGO nicht vorgesehen.

b) Die an die richterliche Tätigkeit zu stellenden Anforderungen treffen auch den Präsidenten eines FG.

aa) Der Präsident des FG hat den Vorsitz in einem der Senate seines FG zu übernehmen. Ihm steht dabei nur die Wahl offen, in welchem von mehreren Senaten e...

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