Tz. 93

Stand: EL 108 – ET: 12/2022

Fraglich ist, ob die Veräußerungsfiktion § 22 Abs 3 S 2 UmwStG nur die rückwirkende Versteuerung eines Einbringungsgewinns bewirkt oder auch noch die Versteuerung eines Gewinns aus der (unterstellten) Veräußerung der Anteile am Nachw-Stichtag zur Folge hat. Die fiktive Veräußerung der Anteile gem § 22 Abs 3 S 2 UmwStG gilt uE nur für den Regelungsbereich des § 22 UmwStG, dh für den Tatbestand des § 22 Abs 1 oder 2 UmwStG (s Tz 9292c). Die Veräußerung der erhaltenen Anteile im Tatbestand des § 22 Abs 1 S 1 UmwStG wird durch eine von § 22 Abs 3 UmwStG fingierte Veräußerung wegen Nichterbringung des Nachw für Zwecke der nachträglichen Einbringungsgewinnbesteuerung ersetzt. Im Übrigen gilt § 22 Abs 1 bzw Abs 2 UmwStG fort. Aus dieser ges-systematischen Einbindung des § 22 Abs 3 UmwStG in den Regelungsbereich des § 22 UmwStG kann uE nicht gefolgert werden, dass die Fiktion einer Veräußerung in § 22 Abs 3 S 2 UmwStG – neben der Tatbestandsverwirklichung des § 22 Abs 1/Abs 2 UmwStG – zugleich auch den Tatbestand einer Anteilsveräußerung für Zwecke der jeweiligen Einzel-St-Ges, nach denen die erhaltenen Anteile beim Einbringenden stverstrickt sind, bewirkt. Da § 22 UmwStG keine Bestimmungen für die Veräußerung der sperrfristverhafteten Anteile als solche enthält (s Tz 3), führt die Fiktion einer Veräußerung in § 22 Abs 3 S 2 UmwStG für Zwecke des § 22 Abs 1/Abs 2 S 1 UmwStG nicht auch zugleich zum fiktiven Entstehen eines "gedachten" Anteils-VG (ebenso die hA, zB s Schmitt, in S/H/S, 8. Aufl, § 22 UmwStG Rn 167; s Widmann, in W/M, § 22 UmwStG Rn 373; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 536; s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 297; s Mutscher, in F/D, § 22 UmwStG Rn 322; s Nitzschke, in Blümich, § 22 UmwStG 2006 Rn 89; s Jäschke, in Lademann, § 22 UmwStG Rn 27; s Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369/375; s Förster/Wendland, BB 2007, 631/638; s Graw, Ubg 2009, 691/696; s Ott, DStZ 2009, 90/94; s Desens, Beihefter zu DStR 46/2010, 80/88; aA die Fin-Verw, s u und s Strahl, KÖSDI 2007, 15 542).

Abw von der hier vertretenen Auff geht die Fin-Verw (s Schr des BMF v 04.09.2007, BStBl I 2007, 698 im Bsp und unter 4. und s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.28 im Bsp) davon aus, dass "auf den Zeitpunkt iSv § 22 Abs 3 S 2 UmwStG eine Besteuerung für die Anteile durchzuführen" ist, weil die Rechtsfolge des § 22 Abs 3 S 2 UmwStG nicht nur die rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns sondern auch die fiktive Veräußerung der Anteile beinhalte. Diese stliche Beurteilung des § 22 Abs 3 S 2 UmwStG ist zwar vom Wortlaut des § 22 Abs 3 S 2 UmwStG "gedeckt"; sie überzeugt aus den genannten ges-systematischen Gründen nicht. Es besteht umwandlungsstlich auch keine sachl Notwendigkeit für eine derartige den Einzel-St-Ges vorrangige fiktive VG-Versteuerung ohne einen Realisationstatbestand. Da die Versteuerung eines Anteils-VG nur aus Gründen des § 22 Abs 3 S 2 UmwStG von einer späteren tats Veräußerung der Anteile durch den AE unabhängig ist, müssten die so versteuerten stillen Reserven (dh die nach der Einbringung hinzugekommene Wertsteigerung) zur Verhinderung einer Doppelbesteuerung als zusätzliche AK der Anteile (dh realer Umsatzakt) gelten. Hierfür bedarf es bei einer fiktiven Veräußerung allerdings einer entspr ges Bestimmung. Diese fehlt – anders als bei den nachträglichen AK iHd Einbringungsgewinns gem § 22 Abs 1 S 4 UmwStG – in § 22 UmwStG (ebenso wie die Bemessung des fiktiven Veräußerungspreises, s u); was den Rückschluss zulässt, dass § 22 Abs 3 S 2 UmwStG als Rechtsfolge die fiktive Anteilsveräußerung nicht einschließt. Nitzschke (in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 89); Schmitt (in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 167 aE); und Stangl (in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 536) weisen ergänzend darauf hin, dass § 22 Abs 3 S 2 UmwStG auch keine Bestimmung enthalte, zu welchem Wert die Anteile als veräußert gelten sollen (nach Verw-Auff sei der gW zum Zeitpunkt iSd § 22 Abs 3 S 2 UmwStG maßgebend, s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.32). Bei fehlendem Nachw eines einheitlichen, bloß gem § 22 Abs 7 UmwStG mitverstrickten, Anteiles wäre zudem unklar, was Gegenstand der fiktiven Anteilsveräußerung sein soll.

Hinzu kommt, dass die Annahme eines fiktiven Veräußerungstatbestands nicht nur für Zwecke der rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung, sondern auch für Zwecke der Realisierung von stillen Reserven in den Anteilen den "europarechtlichen" Komponenten der Einbringungsvorschriften nicht gerecht würde. So ist zB die Einbringung von BV gem § 20 Abs 1 UmwStG durch einen St-Ausländer aus dem EU-/EWR-Bereich zum Bw auch dann zulässig, wenn im Inl für die erhaltenen Anteile an der Übernehmerin kein Besteuerungsrecht besteht (s § 20 UmwStG Tz 12 und s § 20 UmwStG Tz 229). In diesem Fall ginge die fiktive Anteilsveräußerung ins "Leere", weil ein dt St-Gesetz keine Realisationstatbestände für ein ausl Besteuerungssystem bestimmen kann. Noch deutlicher wird die Problematik beim Anteilstausch (s § 21 UmwS...

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