Tz. 855

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

In seiner älteren Rspr hat der BFH zunächst vorrangig auf die Frage abgestellt, ob die Tätigkeitsbereiche einer Kap-Ges und ihres (beherrschenden) Ges-GF im Vorhinein klar und eindeutig voneinander abgegrenzt sind (s Urt des BFH v 27.01.1971, BStBl II 1971, 352, und v 01.10.1986, BFH/NV 1987, 242, mwNachw). Die Geschäftschancenlehre spielte in dieser Zeit allenfalls eine untergeordnete Rolle.

 

Tz. 856

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

In den Jahren 1987 bis 1990 war die Rspr dann stärker durch das Zivilrecht geprägt. Danach nahm der BFH eine vGA an, wenn eine Kap-Ges Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Herausgabe eines erlangten Gewinns nach der Verletzung eines Wettbewerbsverbots gegenüber ihrem Ges-GF nicht geltend gemacht oder für eine Befreiung von einem Wettbewerbsverbot keine angemessene Gegenleistung verlangt habe. Dabei verlangte der BFH nach wie vor eine klare und eindeutige Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche von Kap-Ges und ihrem Gesellschafter (dazu s Urt des BFH v 11.02.1987, BStBl II 1987, 461; v 14.03.1989, BStBl II 1989, 633; v 12.04.1989, BStBl II 1989, 636; v 26.04.1989, BStBl II 1989, 673). Daneben sollte von einer vGA nur dann abgesehen werden können, wenn eine Befreiung vom Wettbewerbsverbot vorlag. Dafür musste ggf eine angemessene Entschädigung gezahlt werden.

Die Fin-Verw ist dieser Rechtsprechung gefolgt und hat ergänzende Auslegungsregelungen erlassen (s Schr des BMF v 04.02.1992, BStBl I 1992, 137, mit Nachbesserungen in s Schr des BMF v 15.12.1992, BStBl I 1993, 24 und v 29.06.1993, BStBl I 1993, 556).

 

Tz. 857

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

In der Folgezeit ergab sich eine umfassende und hitzige Diskussion in der Fach-Lit sowie in einschlägigen Seminaren über die Richtigkeit der BFH-Rspr und der ihr folgenden Auff der Fin-Verw. Man konnte seinerzeit den Eindruck gewinnen, dass es außerhalb des Themenbereichs "Wettbewerbsverbot" keine vGA-Probleme mehr gäbe (s Hoffmann GmbH-StB 2003, 82: "Wettbewerbsverbot war 1992 das Steuer-Unwort des Jahres").

 

Tz. 858

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Die Kritik an der BFH- und Verw-Linie kam dabei nicht nur aus der Lit, sondern auch von Seiten des BMJ (s Stellungnahme v 03.02.1992, StVj 1993, 294) und des Petitionsausschusses des BT (s BB 1995, 1019; auch s Stellungnahme des BMF zu diesem Petitionsverfahren v 20.12.1993, BB 1994, 126). Entscheidend für die anschließende Kehrtwende in der Rspr des BFH dürften jedoch die Klarstellungen in der Rspr des BGH gewesen sein (s Urt v 28.09.1992, BB 1992, 2384, und v 10.05.1993, GmbHR 1993, 427). Der BGH hat dabei insbesondere entschieden, dass gegen ein Wettbewerbsverbot nur verstoßen werden könne, wenn auch ein solches bestehe. Bei einer Ein-Mann-GmbH bestehe grds kein Wettbewerbsverbot, solange nicht gegen das Gebot der Erhaltung des St-Kap (§ 30 GmbHG) verstoßen werde.

 

Tz. 859

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Beginnend mit dem s Urt des BFH v 30.08.1995, DStR 1995, 1873, leitete der BFH eine Rspr-Änderung ein und folgte der og Auff des BGH. Die neue Linie des BFH, die sich bis heute nicht geändert hat, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

§ 8 Abs 3 S 2 KStG ist keine geeignete Rechtsgrundlage, um die von einem Gesellschafter für eigene Rechnung ausgeübte Tätigkeit nur deshalb der eigenen GmbH zuzurechnen, weil sie auch unter deren Unternehmensgegenstand fällt.
Der Alleingesellschafter einer GmbH unterliegt solange keinem ges Wettbewerbsverbot, als er der GmbH kein Vermögen entzieht, das zur Deckung des St-Kap benötigt wird.
Das Erfordernis klarer und von vornherein abgeschlossener Vereinbarungen ist ein rein stliches Kriterium, das nicht zur Beurteilung der Existenz zivilrechtlicher Ansprüche herangezogen werden kann.
Ein Verstoß gegen ein (unterstelltes) Wettbewerbsverbot wäre nur dann denkbar, wenn der Ges-GF entweder seine Treuepflichten als Gesellschafter oder seine Verhaltenspflichten als GF verletzt. Dies ist zB bei einer eigennützigen Einflussnahme auf die Kap-Ges oder bei einer Verwertung von Informationen denkbar, die auf Grund der Gesellschafter- oder GF-Stellung erlangt wurden.
Selbst wenn die Existenz eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder Schadensersatz zu verneinen ist, schließt dies die Annahme einer vGA noch nicht aus. Der Ansatz einer vGA (auf der St-Rechtsebene) setzt jedoch wiederum die Nutzung von Informationen oder Geschäftschancen der Gesellschaft voraus, für deren Überlassung ein fremder Dritter ein Entgelt bezahlt hätte.
 

Tz. 860

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Eine Reaktion der Fin-Verw auf diese Rspr-Änderung liegt bis heute nicht vor. Weder sind die entspr Urteile des BFH im BStBl veröffentlicht noch hat man die og Schr des BMF aus 1992 und 1993 aufgehoben. Dies ist allerdings weniger darin begründet, dass die Fin-Verw der Rspr des BFH zur Einschränkung von vGA hinsichtlich des Wettbewerbsverbots nicht folgen will, sondern mehr in den Schwierigkeiten beim Umgang mit der Geschäftschancenlehre. Die Frage, wem eine Geschäftschance zuzurechnen ist,...

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