Tz. 229

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Die in Tz 226 genannte Rspr des I. Senats beschäftigt sich mit der Rechtslage vor der Kodifizierung allg Entstrickungsregelungen durch das SEStEG. Der BFH hatte die Frage nach Konsequenzen dieser Rspr für die neuen Entstrickungsregelungen ausdrücklich offen gelassen. Es ist daher fraglich, welche Folgen sich daraus für die Entstrickungstatbestände in § 4 Abs 1 Satz 3 EStG idF SEStEG und § 12 Abs 1 KStG idF SEStEG ergeben, die im Grundsatz die alte Rechtslage umsetzen sollten und mit dem Tatbestandsmerkmal des "Ausschlusses oder der Beschränkung des dt Besteuerungsrechts" durchaus so gefasst sind, dass die neue Rspr auch für sie Geltung finden könnte.

Nach Auff der Fin-Verw soll die neuere BFH-Rspr die SEStEG-Entstrickungsregelungen unbeeinflusst lassen (s Schr des BMF v 20.05.2009, BStBl I 2009, 671). Die Auff ist wohl vor dem Hintergrund zu sehen, dass durch das SEStEG nicht nur das bisherige – auf der bisherigen Rspr des BFH basierende – Entstrickungskonzept durch den Ges-Geber bloß umgesetzt, sondern darüber hinaus auch tatbestandlich fortentwickelt bzw. erweitert werden sollte (s BT-Drs 16/2710, 26). Dies wird ua durch die Aussagen in der Ges-Begr bestätigt, wonach – entgegen der bisherigen Rspr des BFH – auch die Anrechnung ausl St aufgrund eines DBA einen Ausschluss oder eine Beschränkung des dt Besteuerungsrechts darstellen soll (s BT-Drs 16/2710, 28).

Demggü soll die neue BFH-Rspr jedoch nach einer weitverbreiteten Auff in der Lit gleichfalls Auswirkungen auf die SEStEG-Entstrickungsregelungen haben. Damit liefen § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG – zumindest in den Fällen der Überführung von WG – leer (vgl zB Musil, in H/H/R, § 4 EStG Rn 214 (Juli 2009); s Lambrecht, in Gosch, KStG, 2. Aufl 2009, § 12 Rn 38; s Körner, IStR 2010, 208; s Köhler, IStR 2010, 337; s Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776ff; aA Mitschke, FR 2008, 1144 und FR 2009, 326). Selbst Gosch (BFH-PR 2008, 499) bezweifelt, dass § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG die frühere Rechtsauff zur "finalen Entnahmelehre" – iS einer Besteuerung im Zeitpunkt der Überführung – abgesichert hat.

Das FG Ddf hat in seinem Schluss-Urt zu dem EuGH-Urt Verder Lab Tec (hierzu näher s Tz 38) die Auff der Fin-Verw bestätigt (s Urt v 19.11.2015, 8 K 3664/11 F, EFG 2016, 209). Gosch hatte in einer Anm zu dem EuGH-Urt Verder LabTec die Entsch des FG Ddf bereits prognostiziert, allerdings auch als ungewiss eingeordnet, ob eine solche Sichtweise vor dem BFH Bestand haben wird (s Gosch, BFH/PR 2015, 296). Da gegen die Entsch des FG Ddf Rev eingelegt wurde (bisheriges Az BFH: I R 99/15), bleibt der Ausgang des Rev-Verfahren abzuwarten. Das Verfahren wurde bis zur Entsch des BVerfG über das Normenkontrollersuchen des I. Senats vom 10. April 2013 I R 80/12 (Az des BVerfG: 2 BvL 8/13) ausgesetzt.

 

Tz. 230

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Bei der Diskussion zum möglichen "Leerlaufen" der SEStEG-Entstrickungsregelungen ist dabei die Frage in den Vordergrund gerückt, ob ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts darin gesehen werden kann, dass D hinsichtlich des Gewinns kein Besteuerungsrecht mehr inne hat, der aus künftigen Wertsteigerungen resultiert (s Tz 225: so ua s Schießl, in W/M, UmwRecht, § 11 UmwStG Rn 50.53 (Jan 2009); s Benecke, IStR 2010, 101; s Mitschke, Ubg 2010, 355; auch zweifelnd: s Frotscher, in F/M, § 12 KStG Rn 24 (März 2008)). Die Berücksichtigung potentieller künftiger Wertsteigerungen bei den SEStEG-Entstrickungstatbeständen hängt uE maßgebend davon ab, ob die Prüfung des Besteuerungsrechts D hinsichtlich des "Gewinns" aus der (gedachten zukünftigen) Veräußerung eines WG den "Gewinn" aus der Veräußerung des WG vor oder nach Gewinnabgrenzung meint.

 

Tz. 231

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Bezöge sich die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts auf einen (Veräußerungs-)Gewinn nach Gewinnabgrenzung (so etwa die Rspr des BFH zur finalen Entnahmetheorie), wäre bei Überführung eines WG kein Anwendungsfall des § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs. 1 KStG gegeben, da das Besteuerungsrecht D hinsichtlich des Gewinnanteils nicht ausgeschlossen oder beschr würde, der den Zeitraum bis zur Überführung betrifft. Zu den Folgen, die sich hieraus für die Gewinnabgrenzung in den Folgejahren ergeben, vgl zB Wassermeyer (in Piltz/Schaumburg, Internationale BetrSt-Besteuerung, 2001, S 25).

 

Tz. 232

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Bezöge sich die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts hingegen tatbestandlich auf einen künftigen (Veräußerungs-)Gewinn vor Gewinnabgrenzung, dann führt die Überführung eines WG vom inl Stammhaus in die ausl Anrechnungs- oder Freistellungs-BetrSt – wegen der nunmehr notwendigen Gewinnabgrenzung – zu einer Beschränkung des dt Besteuerungsrechts hinsichtlich dieses Gewinns (s Tz 300 u 343ff). Aufgr der Rspr des BFH zum Umfang der beschr StPflicht (s BFH v 28.10.2009, I R 99/08, IStR 2010, 98 und v 28.10.2009, I R 28/08, ISt...

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