Tz. 226

Stand: EL 76 – ET: 12/2012

Mit Urt des BFH v 17.07.2008, I R 77/06 (BStBl II 2009, 464; Nichtanwendungserl s BMF-Schr v 20.05.2009, BStBl I 2009, 671); v 28.10.2009, I R 99/08 (IStR 2010, 98) und v 28.10.2009, I R 28/08 (IStR 2010, 103), hat der I. Senat seine bisherige langjährige Rspr zur sog finalen Entnahmetheorie (s Tz 2) "aufgegeben".

 

Tz. 227

Stand: EL 83 – ET: 04/2015

Entgegen den Leitsätzen der Entsch deuten die Ausführungen in den jeweiligen Urt-Begr jedoch uE gerade nicht darauf hin, dass die finale Entnahmetheorie an sich "aufgegeben" worden ist. Dies hätte auch – da die Theorie der finalen Entnahme nicht auf die Überführung von einzelnen WG oder Verlegung des Betriebs/Teilbetriebs ins Ausl begrenzt ist (s Tz 218ff) – wohl auch nicht ohne eine Beteiligung der anderen Senate des BFH erfolgen können.

Die in Tz 226 genannte BFH-Rspr ist auf die Gewinnabgrenzung iRd Art 7 und 13 Abs 2 OECD-MA beschränkt. Sie gilt nicht bei vermögensverwaltender Tätigkeit iRd Art 13 Abs 5 OECD-MA. Insofern hat diese Rspr keine Bedeutung in den Fällen des § 50i EStG (s Tz 94a ff).

Die finale Entnahmetheorie basiert auf der Auslegung des § 4 Abs 1 S 2 bzw des § 16 Abs 3 S 1 EStG anhand des Gesetzeszwecks dieser Normen (s zB GrS des BFH v 07.10.1974, GrS 1/73, BStBl II 1975, 168). Dh, es geht bei der finalen Entnahmetheorie letztlich um die Grenzen der Auslegung von ges geregelten St-Tatbeständen und nicht um die Schaffung von St-Tatbeständen durch Analogie. Daher konnte es – vor Einführung eines ges geregelten Entstrickungskonzepts durch das SEStEG – auch keinen "allgemeinen" Entstrickungsgrundsatz geben (s Tz 202). "Aufgabe" der finalen Entnahmetheorie würde eigentlich bedeuten, dass die Beurteilung eines Vorgangs als Entnahme iSd § 4 Abs 1 S 2 EStG bzw als Totalentnahme iSd § 16 Abs 3 S 1 EStG nicht mit der Frage der Sicherstellung der stlichen Erfassung der stillen Reserven verbunden werden darf. Dh fehlt es an einer (Total-)Entnahme für betriebsfremde Zwecke, muss die fehlende Sicherstellung der Erfassung von stillen Reserven unbeachtlich sein (s Tz 206).

Die Urt-Begr in den og Urt deuten jedoch auf Anderes hin, da der I. Senat in seinen Entsch gerade die spätere Erfassung der stillen Reserven bejaht und damit die Notwendigkeit einer Gewinnrealisation auf Basis der finalen Entnahmetheorie verneint hatte. Trotz der anderslautenden Leitsätze der Entsch hat der I. Senat somit nicht die finale Entnahmetheorie an sich "aufgegeben", sondern er hat – für Sachverhalte vor Inkrafttreten des SEStEG – der Rechtsauff eine Absage erteilt, dass stille Reserven bei Überführung von WG in ausl DBA-Freistellungs-BetrSt oder bei Verlegung des Betriebs/Teilbetriebs ins Ausl sofort zu versteuern sind.

Die Überführung eines WG in eine ausl BetrSt oder die Verlegung eines Betriebs/Teilbetriebs stellt nach der neuen Rspr des I. Senats keinen Realisationstatbestand mehr dar, weil die Besteuerung der D zustehenden stillen Reserven auch nach der Überführung sichergestellt sei und somit – entgegen der bisherigen Auff – nicht verloren gehe. Die spätere Besteuerung der dt stillen Reserven erfolgt damit unabhängig von der tats Zugehörigkeit eines WG zu einer inl BetrSt im Zeitpunkt eines Außenumsatzes (s Benecke/Beinert, FR 2010, 1009ff).

 

Tz. 228

Stand: EL 76 – ET: 12/2012

Dieses "neue" – abkommensrechtliche – Verständnis des I. Senats entspricht uE der von der OECD vertretenen Auff zur St-Entstrickung vor und nach Änderung des Art 7 OECD-MA aufgrund der Ergebnisse des OECD-BetrSt-Berichts (s hierzu auch Tz 52ff). Aufgrund des Umstands, dass DBA nur die Gewinnabgrenzung und nicht die Gewinnrealisation regeln – dies bleibt innerstaatlichem Recht vorbehalten –, sieht der OECD-MK die sofortige Versteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Überführung auch nur als eine mögliche Alternative an (Rn 21 zu Art 7 OECD-MK 2008). Für die Annahme eines Besteuerungstatbestands zum Zeitpunkt der Überführung bedarf es dann aber – und dies ist der eigentliche Kern der Rspr des BFH zur "Aufgabe der finalen Entnahmetheorie" – einer ausdrücklichen ges Regelung (s Tz 222).

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