Tz. 200

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Bis zur Einführung eines ges geregelten allg Entstrickungskonzepts in § 4 Abs 1 S 3 EStG und § 12 Abs 1 KStG durch das SEStEG waren die Tatbestände für eine St-Entstrickung nur vereinzelt geregelt (s auch Tz 01ff). Der Anwendungsbereich des § 12 KStG aF beschr sich zB auf die St-Entstrickung bei Ausscheiden eines unbeschr KStpfl aus der dt Besteuerungshoheit (s § 12 Abs 1 KStG aF) sowie die Auflösung bzw Verlegung und die Übertragung von BetrSt bei beschr KStpfl (s § 12 Abs 2 KStG aF).

 

Tz. 201

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Die sich aus der Rspr des BFH (s Tz 02) ergebenden stlichen Konsequenzen bei Verlust des dt Besteuerungsrechts bei Überführung von WG in eine ausl DBA-BetrSt, deren Gewinne von der dt Besteuerung freizustellen sind, blieben zunächst nur in Verw-Anw (im sog MU-Erl: s Schr des BMF v 20.12.1977, BStBl I 1978, 8 Rn 55, 65, 79; und später in den sog BetrSt-Erl: s Schr des BMF v 12.02.1990, BStBl I 1990, 72; v 03.06.1992, DB 1992, 1655; und v 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076 Rn 2.6.1 und 2.6.4) berücksichtigt, nachdem die im Reg-Entw für ein Drittes St-Reformges aus dem Jahre 1977 vorgesehene Einführung einer allg Entstrickungsregelung unterblieb (s Tz 20). § 1 AIG und § 3 EntwLStG basierten zwar auf der finalen Entnahmetheorie, ohne diese jedoch normativ zu verfestigen (s Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außenstlichen Kontext, DStJG Bd 4, 1981, 247, 252).

Auch der durch das StEntlG 1999/2000/2002 v 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402; BStBl I 1999, 304) eingefügte § 6 Abs 5 S 1 EStG stellte keine hinreichende ges Grundlage für einen allg Entstrickungstatbestand dar, betrifft diese Regelung doch die Überführung von WG zwischen vd BV desselben Stpfl und nicht – die der oa Rspr des BFH zugrunde liegende eigentliche Entstrickungsproblematik – die Überführung von WG innerhalb desselben BV eines Stpfl (s Wassermeyer, in BetrSt-Handbuch, Rn 3.12; aA s Cattelaens, DB 1999, 1083).

 

Tz. 202

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Für die in der Praxis bedeutsame Frage der Besteuerung des grenzüberschreitenden unternehmensinternen Lieferungs- und Leistungsverkehrs enthielten die ertragstlichen Regelungen bisher jedoch keine dem § 4 Abs 1 S 3 EStG und § 12 Abs 1 KStG entspr Vorschriften. Mangels ges Regelungen hierzu drängte sich daher schon frühzeitig die Frage auf, ob es sich bei der St-Entstrickung bereits de lege lata um einen allg Rechtsgrundsatz handele.

Nach Auff der Fin-Verw handelt es sich bei dem Grundsatz der Gewinnrealisierung durch St-Entstrickung um die Konkretisierung eines allg ertragstlichen Prinzips, für das die Entnahmeregelung nach dem Wortlaut des § 4 Abs 1 EStG nur ein – wenn auch besonders sinnfälliges – Bsp sei (s Stellungnahme des BdF im Urt des BFH v 16.07.1969, BStBl II 1970, 175).

Das Vorhandensein eines allg ertragstlichen Prinzips wurde nach Auff im Fachschrifttum allg abgelehnt, da die diesem Prinzip zugrunde liegenden Vorschriften (§ 4 Abs 1 EStG aF und § 16 Abs 3 EStG) nicht den Rückschluss erlauben, dass ein solches Prinzip normativ verfestigt wäre (zB s Institut FSt, Brief 140, 7 mwN; Friauf, StBJb 1975/76, 369, 385; Ritter, JbfFSt 1976/77, 288, 306).

Der I. Senat des BFH hatte bereits in seinem Urt v 10.02.1972 (BStBl II 1972, 455) zum Strukturwandel klargestellt, dass es keinen allg Grundsatz des ESt-Rechts gäbe, nach dem die stillen Reserven eines WG dann aufzudecken sind, wenn das WG künftig nicht mehr in die Gewinnermittlung einzubeziehen ist. Die Aussagen des I. Senats blieben sowohl im Anrufungs-Beschl des IV. Senats des BFH v 21.02.1973 (BStBl II 1973, 313) zum Strukturwandel als auch in dem hierzu ergangenen Beschl des GrS des BFH v 07.10.1974 (BStBl II 1975, 168) unwidersprochen, so dass an dieser Stelle konstatiert werden kann, dass es vor Einführung eines allg Entstrickungskonzepts durch das SEStEG keinen allg Rechtsgrundsatz dieses Inhalts gab; vgl auch die Entsch des VIII. Senats mit Urt v 16.12.1975 (BStBl II 1976, 246) sowie s Kempka (Gewinnrealisierung bei der Überführung von WG zwischen Stammhaus und BetrSt, 39); s Klingberg/van Lishaut (DK 2005, 698, 703); s Thömmes/Schulz/Eismayr/Müller (IWB F 11 Gr 2, 747, 749); s Rödder/Schumacher (DStR 2006, 1481, 1482); s Stadler/Elser (BB-Special 8/2006, 1, 18); und s Benecke/Schnitger (IStR 2006, 765); jeweils mwNachw.

Sofern die Ges-Begr zum SEStEG die Kodifizierung der Regelungen in § 4 Abs 1 S 3 EStG und § 12 Abs 1 KStG lediglich als Klarstellung zur ohnehin bestehenden Rechtslage ansieht (s BT-Drs 16/2710, 28), ist diese Aussage daher – mangels eines bisherigen allg Gewinnrealisierungstatbestands – unrichtig (s Frotscher, in F/M, § 12 KStG Rn 12). Auch der durch das StEntlG 1999/2000/2002 v 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402; BStBl I 1999, 304) eingefügte § 6 Abs 5 S 1 EStG vermag keine hinreichende ges Grundlage für einen allg Entstrickungstatbestand darzustellen (s Tz 201; s Frotscher, in F/M, § 12 KStG Rn 12).

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