BMF, 30.3.2016, IV B 5 - S 1341/11/10004 - 07

Veröffentlichung der BFH-Urteile vom 17.12.2014, I R 23/13, und vom 24.6.2015, I R 29/14;

Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze in vergleichbaren Fällen

Bezug: TOP 4.1 der Sitzung ASt I/16

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze der BFH-Urteile vom 17.12.2014, I R 23/13 (BStBl 2016 II S. …), und vom 24.6.2015, I R 29/14 (BStBl 2016 II S. …), über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht anzuwenden, soweit der BFH eine Sperrwirkung von DBA-Normen, die inhaltlich Artikel 9 Absatz 1 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) entsprechen, gegenüber § 1 AStG angenommen hat.

1. Der BFH stellt in seinem Urteil vom 17.12.2014 unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11, BStBl 2013 II S. 1046 (dort Rz. 11, 12) fest, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm's length” bei verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den sog. Sonderbedingungen entfaltet. Für den maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Artikels 9 Absatz 1 DBA-USA 1989, der inhaltlich Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA entspricht, könnten nur diejenigen Umstände des Sachverhalts einbezogen werden, welche sich auf wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren.
   
  Eine Gewinnkorrektur, die sich gleichermaßen auf dessen Grund (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit) bezöge, sei den Vergleichsmaßstäben des „dealing at arm's length” als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Zwar sei unter den Ausdruck der vereinbarten Bedingungen in Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA grundsätzlich alles zu subsumieren, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustauschs zwischen den verbundenen Unternehmen sei, so dass neben dem Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen einzubeziehen seien. Diese Vereinbarungskonditionen könnten sich allerdings vor dem Grundsatz des in Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA angelegten Prüfmaßstabs nur insofern auswirken, als deren Qualität den Preis im Fremdvergleich beeinflusst. Die Vereinbarungskonditionen bildeten insoweit stets (nur) die Grundlage für die Überprüfung der Verrechnungspreise.
   
2. In seinem Urteil vom 24.6.2015 knüpft der BFH in Bezug auf Artikel IV DBA-Großbritannien 1964, der inhaltlich Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA entspricht, an diese Rechtsprechung an. Dem entsprechend sei die Rückgängigmachung einer Teilwertabschreibung für ein unbesichertes Darlehen einer inländischen Muttergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft nach § 1 Absatz 1 AStG nicht rechtmäßig. Dafür, dass § 1 Absatz 1 AStG abkommensüberschreibend ausgestaltet wäre, sei nichts ersichtlich.

Der Wortlaut des Gesetzes und auch der Wille der vertragschließenden Parteien der DBA lässt die Auslegung, die der BFH seinen Urteilen zugrunde legt, nicht zu. So gilt gemäß Artikel 9 Absatz 1 DBA-USA 1989 und Artikel IV DBA-Großbritannien 1964, die inhaltlich dem Artikel 9 Absatz 1 des OECD-MA entsprechen, nach ihrem Wortlaut als Voraussetzung für die Korrektur von „Gewinnen” von verbundenen Unternehmen, dass diese „in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden”. In diesem Falle „dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.”

Die vom BFH postulierte ausschließliche Beschränkung der Korrektur auf Preise bzw. Verrechnungspreise kann weder aus dem Wortlaut von Artikel 9 DBA-USA 1989, von Artikel IV DBA-Großbritannien 1964 noch von Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA abgeleitet werden. Im OECD-Kommentar zum OECD-MA wird ausdrücklich auf die Fremdüblichkeit der Bedingungen (arm's length terms) abgestellt und ausgeführt, dass Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA eine Gewinnberichtigung (adjustments to profits) zum Gegenstand hat und gerade nicht eine Preisberichtigung.

Eine historische Auslegung führt zum gleichen Ergebnis: Der historische Gesetzgeber hat mit § 1 AStG eine Regelung für die Gewinnberichtigung von international verbundenen Unternehmen geschaffen, um das deutsche Steuerrecht an die Konzeptionen anderer moderner Steuerrechtsordnungen und an den Standard des internationalen Steuerrechts (siehe OECD-MA und Kommentar) anzugleichen und international anerkannte Besteuerungsrechte auch national wahrnehmen zu können. Dazu hat er den in Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA enthaltenen Fremdvergleichsgrundsatz national in § 1 AStG umgesetzt und konkretisiert. Einen Widerspruch zwischen Artikel 9 Absatz 1 OECD-MA und § 1 AStG hat er erkennbar nicht gesehen und nicht schaffen wollen. Der BFH hat dagegen durch die beiden Urteile, bezogen auf das Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes, einen Widerspruch zwischen § 1 AStG und den DBA ...

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