Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung Tabaksteuerpauschsätze festzusetzen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ermächtigung in § 17 TabStG, Pauschsätze „zur Vereinfachung der Verwaltung” festzusetzen, ist nach Inhalt und Ausmaß genügend bestimmt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Obergrenze für die Besteuerung wird durch den gesetzlich benannten Zweck der Verwaltungsvereinfachung in der Weise bestimmt, daß die nach Pauschsätzen berechneten Abgaben nur in einem relativ geringfügigen, im Rahmen der Vereinfachung liegenden Ausmaß vom möglichen Ergebnis der Tarifberechnung nach Einzelsätzen abweichen dürfen, das für den Verordnunggeber insoweit Orientierungspunkt und Richtmaß für die zu treffende Regelung bleibt.

 

Normenkette

TabStG § 17 S. 1 Nr. 3, S. 2 Fassung: 1961-08-16; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 22.08.1972; Aktenzeichen IV 1058/67 Z)

FG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 14.04.1971; Aktenzeichen IV 1058/67 Z)

 

Gründe

A.

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die im Tabaksteuergesetz dem Bundesfinanzminister erteilte Ermächtigung, in bestimmten Fällen für Eingangsabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Umsatzausgleichsteuer) durch Rechtsverordnung Pauschsätze festzusetzen, ihrem Ausmaß nach hinreichend bestimmt ist und damit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt.

I.

§ 17 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) vom 6. Mai 1953 (BGBl. I S. 169) lautete in der vom 1. Dezember 1955 bis 31. Dezember 1961 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes vom 15. November 1955 (BGBl. I S. 720):

Der Bundesminister der Finanzen ist ermächtigt, zur Vereinfachung der Verwaltung durch Rechtsverordnung für die Eingangsabgaben Pauschsätze festzusetzen

  1. für Tabakerzeugnisse, die Reisende zum eigenen Verbrauch einführen,
  2. für Tabakerzeugnisse, die in Geschenksendungen eingehen und nicht gewerblichen Zwecken dienen sollen,
  3. für zollhängige Tabakerzeugnisse, über die vorschriftswidrig so verfügt worden ist, als wären sie im freien Verkehr (§ 6 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Zollgesetzes).

Die Pauschsätze dürfen unter der Gesamtsumme der Eingangsabgaben liegen, jedoch die durchschnittliche Belastung der entsprechenden inländischen Tabakerzeugnisse nicht unterschreiten. Die Anwendung der Pauschsätze in den Fällen der Nummern 1 und 2 kann mengenmäßig beschränkt werden, wenn eine mißbräuchliche Ausnutzung der ermäßigten Abgabensätze festgestellt wird.

Nr. 3 dieser Vorschrift erhielt durch Art. 1 Zwölfter Abschnitt Nr. 7 des Gesetzes zur Anpassung von Verbrauchsteuergesetzen an das Zollgesetz (Zweites Verbrauchsteueränderungsgesetz) vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1323) mit Wirkung vom 1. Januar 1962 (Art. 3) folgende Fassung:

Für Tabakerzeugnisse, die als Zollgut erstmals der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen werden (§ 57 Abs. 1 des Zollgesetzes).

Von der Ermächtigung des § 17 TabStG machte der Bundesfinanzminister durch Erlaß von Durchführungsbestimmungen (TabStDB) Gebrauch. § 40 Abs. 1 Nr. 3 TabStDB in der Fassung des § 1 Nr. 21 der Dritten Änderungsverordnung vom 18. Januar 1956 (BGBl. I S. 28) und des § 1 Nr. 12 der Fünften Änderungsverordnung vom 26. April 1957 (BGBl. I S. 385) sah vor:

Die Eingangsabgaben für zollhängige Tabakerzeugnisse, über die vorschriftswidrig so verfügt worden ist, als wären sie im freien Verkehr (§ 6 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Zollgesetzes), sind nach Pauschsätzen zu berechnen. Diese betragen für:

  1. Zigaretten je Stück 0,20 DM.

Dieser Pauschsatz galt nach § 5 der Fünften Änderungsverordnung in Verbindung mit Art. 4 der Achten Änderungsverordnung vom 3. Dezember 1962 (BGBl. I S. 707) in der Zeit vom 1. April 1957 bis 28. Februar 1962.

II.

1. Der Kläger im Ausgangsverfahren hat in den Jahren 1960 bis 1962 von Angehörigen der belgischen Streitkräfte mindestens 77 500 belgische Zigaretten gekauft und unversteuert verbraucht oder veräußert. Er ist deshalb wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Das Zollamt nahm ihn auf Eingangsabgaben in Höhe von 14 275,30 DM in Anspruch. Es berechnete den Gesamtbetrag nach den entsprechenden Pauschsätzen des § 40 TabStDB. Nach erfolglosem Einspruch gegen diesen Bescheid begehrte der Kläger vor dem Finanzgericht Düsseldorf Freistellung von der Abgabenforderung, soweit sie über den im Strafverfahren als hinterzogen festgestellten Betrag hinausgeht. Das Finanzgericht hat ein klageabweisendes Teilurteil erlassen. Von den ursprünglich beanspruchten Eingangsabgaben sind für die Zeit von Januar 1960 bis Februar 1962 noch 11 514 DM im Streit.

2. Das Finanzgericht Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 17 TabStG hinsichtlich der Bestimmtheit des Ausmaßes der Ermächtigung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. In diesem Falle will es die Klage unter Zugrundelegung der Pauschsätze des § 40 TabStDB abweisen, andernfalls die Abgaben nach den einzelnen Tarifvorschriften berechnen, wobei es – wie im einzelnen dargelegt wird – zu dem Ergebnis gelangt, daß sich die Eingangsabgaben dann nur noch auf 10 933,10 DM belaufen.

Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, daß § 17 TabStG wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig sei, da es an der nötigen Bestimmtheit des Ausmaßes der darin erteilten Ermächtigung fehle. Die festzusetzenden Pauschsätze dürften zwar einerseits unter der Gesamtsumme der Eingangsabgaben liegen und andererseits die durchschnittliche Belastung der entsprechenden inländischen Tabakerzeugnisse nicht unterschreiten. Eine eindeutige Obergrenze sei jedoch nicht gezogen. Ob und inwieweit die Pauschsätze über der Belastung eingeführter Tabakerzeugnisse mit den aus dem Zolltarif und den Regelbestimmungen des Tabaksteuergesetzes zu entnehmenden einzelnen Eingangsabgaben liegen dürften, bleibe vielmehr offen. Mangels genügender Bestimmtheit sei § 17 TabStG mitsamt der Durchführungsbestimmung des § 40 TabStDB nichtig.

III.

1. Für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Finanzen Stellung genommen. Er hält die Vorlage mangels Entscheidungserheblichkeit für unzulässig, im übrigen für unbegründet.

2. Das im Ausgangsverfahren beteiligte Hauptzollamt hat sich im gleichen Sinne geäußert und ist den Berechnungen des vorlegenden Gerichts über die nach den Tarifvorschriften zu erhebenden Abgaben im einzelnen entgegengetreten.

3. Der Bundesfinanzhof hat nach Mitteilung seines Präsidenten die Vorschrift in mehreren Fällen angewandt und dabei die Ansicht vertreten, daß sie mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar sei.

B.

§ 17 Nr. 3 TabStG war mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Die gegenteilige Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts ist offensichtlich unbegründet. Daher kann nach § 24 BVerfGG entschieden werden, ohne daß der Klärung bedarf, ob die Vorlage überhaupt zulässig ist (BVerfGE 30, 103 [105] mit Nachweisen).

II.

§ 17 TabStG ermächtigt den Verordnunggeber, für bestimmte Fälle der Einfuhr von Tabakerzeugnissen außerhalb des üblichen Wirtschaftsverkehrs (Kleinmengen im Reiseverkehr, Geschenksendungen, Schmuggelware) für die Eingangsabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Umsatzausgleichsteuer) Pauschsätze festzusetzen. Diese Regelung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Über den Inhalt der Ermächtigung kann von vornherein kein Zweifel aufkommen. Den Zweck der Ermächtigung nennt das Gesetz ausdrücklich selbst, indem es die Festsetzung von Pauschsätzen „zur Vereinfachung der Verwaltung” gestattet. Aber auch das Ausmaß der Ermächtigung ist hinreichend bestimmt.

Das vorlegende Gericht begründet seine abweichende Ansicht lediglich damit, daß § 17 TabStG für die festzusetzenden Pauschsätze keine eindeutige Obergrenze ziehe, weil offenbleibe, ob und inwieweit die Pauschsätze über der Belastung eingeführter Tabakerzeugnisse mit den aus dem Zolltarif und den Regelbestimmungen des Tabaksteuergesetzes zu entnehmenden einzelnen Eingangsabgaben liegen dürften. Diese Begründung greift indessen nicht durch. Richtig ist zwar, daß die zur Prüfung gestellte Bestimmung die Obergrenze der Pauschsätze nicht ausdrücklich bezeichnet. Dessen bedarf es aber auch nicht. Das Ausmaß der Ermächtigung muß nicht im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt sein. Vielmehr genügt es, wenn das Gesetz die Grenzen der auf seiner Grundlage möglichen Regelung hinreichend deutlich macht (BVerfGE 5, 71 [77]); diese Grenzen können sich – auch ohne besondere Erwähnung – aus der Begrenzung des Zwecks der Ermächtigung (BVerfGE 4, 7 [22]; 8, 274 [318]; 10, 20 [53]; 28, 66 [86]), dem Zusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und aus dem Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, ergeben (BVerfGE 10, 20 [51]). Das ist hier der Fall. Der Gesetzgeber hat zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung den Bundesfinanzminister ermächtigt, in bestimmten Fallgruppen Pauschsätze festzusetzen, die an die Stelle der sonst nur mit erheblichem Aufwand und beträchtlichen Komplikationen zu errechnenden Einzelabgaben treten. Mit der Verwendung des „Pauschsatz”-Begriffs und angesichts des Ermächtigungszwecks ist auch die Obergrenze, bis zu der die Pauschsätze über den sonst jeweils zu ermittelnden Einzelabgaben liegen können, hinreichend bestimmt. Der Begriff des „Pauschsatzes” weist bereits auf eine Orientierung auf den Durchschnitt der verschiedenen Einzelsätze hin. Aus dem Ermächtigungszweck, die Verwaltung zu vereinfachen, folgt ebenfalls, daß die Höhe der Pauschsätze in einem vernünftigen Verhältnis zur durchschnittlichen Belastung eingeführter Tabakerzeugnisse mit denjenigen Eingangsabgaben stehen soll, die sich bei der Anwendung der tarifmäßigen Zoll- und Steuersätze ergeben würde. Die vorgelegte Ermächtigungsnorm bietet also keine geeignete Rechtsgrundlage dafür, Pauschsätze so festzusetzen, daß sie die Einzelsätze der Eingangsabgaben beliebig und unbegrenzt übersteigen. Die Obergrenze ist im Gesetz nicht offengelassen. Sie wird vielmehr durch den gesetzlich benannten Zweck der Verwaltungsvereinfachung in der Weise bestimmt, daß die nach Pauschsätzen berechneten Abgaben nur in einem relativ geringfügigen, im Rahmen der Vereinfachung liegenden Ausmaß vom möglichen Ergebnis der Tarifberechnung nach Einzelsätzen abweichen dürfen, das für den Verordnunggeber insoweit Orientierungspunkt und Richtmaß für die zu treffende Regelung bleibt.

 

Fundstellen

BVerfGE, 179

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge