Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortgeltung von vorkonstitutionellen Rechten; Wertfortschreibung des Einheitswerts des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs

 

Leitsatz (amtlich)

1.Die Bestimmungen des § 1 Abs. 2 und des § 3 a Abs. 1 BewDV sind formell gültig und standen jedenfalls am Bewertungsstichtag 1. Januar 1948 sachlich nicht im Widerspruch zum Grundgesetz.

2.Gegen die vom Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, bei der Forstbewertung sei das durch natürlichen Holzzuwachs bewirkte Aufrücken der Holzbestände in höhere Altersklassen als Fortschreibungsgrund anzusehen, sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. Das gleiche gilt für die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Zulässigkeit fehlerberichtigender Wertfortschreibung.

 

Normenkette

AO § 12; BewG § 22 Abs. 1 S. 1; GG Art. 80 Abs. 1, Art. 129 Abs. 3; BewDV § 1 Abs. 2, § 3a Abs. 1

 

Tatbestand

A.

I.

1. Der Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens liegen Einheitswerte zugrunde, die in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden (§ 20 BewG 1934, RGBl I S. 1035; § 19 BewG 1965, BGBl I S. 1862).

Die Feststellungen ergehen nur zu bestimmten „Feststellungszeitpunkten”. Nach dem hierfür maßgeblichen gesetzlichen System wird zwischen Hauptfeststellungen, Fortschreibungen und Nachfeststellungen unterschieden.

Die vorliegende Verfassungsbeschwerde betrifft eine Fortschreibung auf Grund des Bewertungsgesetzes 1934 in der Fassung, die sich unter Berücksichtigung des § 30 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 (RGBl I S. 961) sowie der Verordnungen vom 18. Mai 1939 (RGBl I S. 922) und vom 4. April 1943 (RGBl I S. 177) ergibt.

Hiernach gilt für Hauptfeststellungen, Fortschreibungen und Nachfeststellungen folgendes:

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG 1934 sollten die Einheitswerte für die Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und des Grundvermögens sowie für die Betriebsgrundstücke in Zeitabständen von je sechs Jahren allgemein festgestellt werden (Hauptfeststellung). Der Reichsminister der Finanzen konnte jedoch bestimmen, daß die Hauptfeststellung in kürzeren oder längeren Zeitabständen vorgenommen wird (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BewG 1934).

In der Zeit zwischen zwei Hauptfeststellungszeitpunkten sollten – insbesondere bei Änderungen des tatsächlichen Zustandes oder des Umfangs des Bewertungsgegenstandes – Fortschreibungen stattfinden. Die für die Fortschreibung von Einheitswerten des Grundbesitzes geltende Regelung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BewG 1934) lautet:

Der Einheitswert wird neu festgestellt (Wertfortschreibung)

1. bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, einem Grundstück oder einem Betriebsgrundstück, wenn der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, entweder um mehr als ein Fünftel, mindestens aber um 500 Reichsmark, oder um mehr als 200 000 Reichsmark von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts abweicht …

Nach dem Bewertungsgesetz 1934 wurde für die Einheiten des Grundbesitzes lediglich eine Hauptfeststellung – und zwar nach dem Stande vom Beginn des 1. Januar 1935 – vorgenommen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 BewG 1934). Eine weitere Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes fand nach dem Bewertungsgesetz 1934 nicht statt. Durch Art. I Nr. 2 der Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz und zum Vermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) wurde in die Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz – BewDV – eine Vorschrift – § 1 Abs. 2 – mit folgendem Inhalt eingefügt:

Für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und des Grundvermögens, für die Betriebsgrundstücke und für die Gewerbeberechtigungen findet eine Hauptfeststellung der Einheitswerte (§ 21 des Gesetzes) bis auf weiteres nicht statt. Für diese wirtschaftlichen Einheiten (Untereinheiten) verbleibt es bei den Einheitswerten, die bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 oder bei einer Fortschreibung oder Nachfeststellung auf einen späteren Zeitpunkt festgestellt worden sind.

Eine neue Hauptfeststellung wurde erst wieder durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl I S. 851) – BewÄndG – angeordnet. Diese Hauptfeststellung wird zur Zeit nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1965 auf den Beginn des Jahres 1964 durchgeführt.

2. Der Hauptfeststellung des Jahres 1935 wurden die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres 1935 (Hauptfeststellungszeitpunkt) zugrunde gelegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Satz 1 BewG 1934).

Bei Fortschreibungen – übrigens auch bei Nachfeststellungen – sollen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 (bzw. § 23 Abs. 2 Satz 1) BewG 1934 die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt oder im Nachfeststellungszeitpunkt zugrunde gelegt werden. Fortschreibungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf die für die Fortschreibung maßgebende Änderung folgt.

Gegenüber dieser Regelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 BewG 1934 enthält der durch die obengenannte Verordnung vom 22. November 1939 eingefügte § 3 a Abs. 1 BewDV eine Einschränkung. Die Vorschrift lautet:

Bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz (§§ 22 und 23 des Gesetzes) sind der tatsächliche Zustand des Grundbesitzes (Bestand, bauliche Verhältnisse usw.) vom Fortschreibungszeitpunkt oder vom Nachfeststellungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen.

Die Bestimmung bezweckt, eine gleichmäßige Bewertung innerhalb des Hauptfeststellungszeitraums sicherzustellen.

II.

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, dessen Einheitswert bei der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1935 auf 90 800 RM festgestellt worden war.

Im Jahr 1950 nahm das Finanzamt eine den Einheitswert erhöhende Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 vor, weil sich in der Zwischenzeit die land- und forstwirtschaftlichen Flächen geändert hätten und die Holzbestände in höhere Altersklassen aufgerückt seien. Dabei wurden auch Fehler berichtigt, die bei der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1935 infolge zu niedriger Einschätzung der Standortklassen und des Bestockungsgrades unterlaufen waren.

Die Berufung des Beschwerdeführers führte dazu, daß ein Einheitswert von 133 500 RM festgesetzt wurde.

Der BFH wies die Rechtsbeschwerde mit dem angefochtenen Urteil vom 20. Juli 1962 (BStBl 1962 III S. 530) als unbegründet zurück.

Nach seiner Auffassung sind die Vorschriften des § 1 Abs. 2 und des § 3 a Abs. 1 BewDV rechtsgültig erlassen worden. Sie beruhten auf § 12 der Reichsabgabenordnung – RAO –, wonach der Reichsminister der Finanzen ermächtigt gewesen sei, zur Durchführung und Ergänzung der vom Reich erlassenen Gesetze Rechtsverordnungen zu erlassen.

Die Voraussetzungen einer Wertfortschreibung hätten vorgelegen. Die nach der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 eingetretenen Flächenveränderungen, die Änderung des Altersklassenverhältnisses infolge des natürlichen Wachstums der Bäume sowie die abweichende Beurteilung der Standortklassen berechtigten zu einer Wertfortschreibung. Die Befugnis zur Vornahme einer Wertfortschreibung wegen der in den Jahren 1935 bis 1938 eingetretenen Flächenveränderungen sei nicht durch Zeitablauf verwirkt. Daß auch der natürliche Holzzuwachs durch eine Wertfortschreibung berücksichtigt werden könne, ergebe sich aus dem für die Bewertung von forstwirtschaftlichen Betrieben maßgebenden § 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BewG 1934. Bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 sei von dem Reinertrag ausgegangen worden, den der Betrieb aus damaliger Sicht seiner wirtschaftlichen Bestimmung gemäß, im Durchschnitt der Jahre nachhaltig habe erbringen können (§ 31 Abs. 2 BewG). Dieser nach den Verhältnissen vom Stichtag 1. Januar 1935 ermittelte Reinertrag sei der für die Bewertung maßgebende Wertfaktor gewesen; die zukünftige Entwicklung des Ertrags sei dagegen bei der damaligen Forstbewertung nicht berücksichtigt worden. Das Aufrücken der Holzbestände in höhere Altersklassen infolge des natürlichen Wachstums der Bäume habe eine Änderung der Ertragsaussichten zur Folge gehabt; dies habe nach Erreichen der Wertgrenzen zu einer Fortschreibung des Einheitswerts führen müssen. Die veränderte Beurteilung der Standortklassen könne entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Rahmen einer Wertfortschreibung berücksichtigt werden. Es komme hierbei lediglich darauf an, ob die Beurteilung der Standortklassen durch den Sachverständigen auf den für die Fortschreibung maßgebenden Stichtag zutreffend sei.

III.

Mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BFH vom 20. Juli 1962 rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 14 Abs. 3 GG und des Rechtsstaatsprinzips. Zur Begründung der Verfassungsbeschwerde führt er im wesentlichen aus

Seine durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit werde verletzt, weil der Bundesfinanzhof seine Entscheidung auf Rechtsvorschriften gestützt habe, die nicht der verfassungsmäßigen Ordnung entsprächen. § 1 Abs. 2 und § 3 a Abs. 1 BewDV seien ohne ausreichende Rechtsgrundlage ergangen. Wegen der Unvereinbarkeit des § 1 Abs. 2 BewDV mit dem Grundgesetz bezieht sich der Beschwerdeführer auf ein Gutachten von Prof. Dr. Friedrich Klein vom 3. Februar 1964.

Das Urteil verletze auch insofern sein Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, als es auf einer rechtsschöpferischen Rechtsfindung beruhe, die eindeutig in Gegensatz zum gesetzten Recht stehe. In dem Urteil werde fälschlich das natürliche Wachstum des Holzes als Fortschreibungsgrund angesehen. Die wachstumsbedingten Steigerungen des Holzertrags seien jedoch bei der Bewertung nach Ertragswerten bereits im Rahmen der vorausgegangenen Hauptfeststellung berücksichtigt worden. Denn der Hauptfeststellung lägen Werte zugrunde, die der nachhaltigen Ertragsfähigkeit des Betriebs entsprächen; mithin sei der Entwicklung, die bei ordnungsgemäßer gemeinüblicher Bewirtschaftung unter gewöhnlichen Verhältnissen zu erwarten gewesen sei, schon damals vorausschauend Rechnung getragen worden. Im übrigen sei der wachstumsbedingte Wertzuwachs eine allgemeine Veränderung, die bewertungsmäßig nur durch eine Hauptfeststellung (§ 21 BewG 1934) und nicht durch Fortschreibungen (§ 22 BewG 1934) berücksichtigt werden könne. Wertfortschreibungen dienten lediglich der Korrektur von Einheitswerten in Einzelfallen, z.B. bei der Veränderung von Betriebsflächen. Es wäre mit der Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren und deshalb unzulässig, wenn sie in einem Ausmaß vorgenommen würden, das einer Hauptfeststellung gleichkomme. Wurde eine Hauptfeststellung nach den Wertverhältnissen von 1948 durchgeführt werden, so würde sich wegen der völlig veränderten Preis- und Lohnverhältnisse ein wesentlich niedrigerer Einheitswert ergeben. – Schließlich verstoße auch die Ausdehnung der Fortschreibung auf die Berichtigung von Fehlern, die bei der vorausgegangenen Hauptfeststellung unterlaufen sind, gegen Systematik und Zweck des § 22 BewG und sei deshalb unzulässig.

Das Urteil verstoße ferner gegen den Gleichheitssatz. Die Vornahme von Wertfortschreibungen wegen des natürlichen Holzzuwachses werde nach der Praxis der Finanzämter allein vom Zufall oder vom Belieben der Behörden abhängig gemacht; nach der bisherigen Übung würden Wertfortschreibungen wegen des natürlichen Wachstums nur in den Falten durchgeführt, die aus anderem Anlaß (Flächenveränderungen, Hofübergaben, Betriebsprüfungen usw.) von der Finanzverwaltung aufgegriffen worden seien; bei dem natürlichen Wachstum handle es sich Jedoch um eine Erscheinung, die bei allen Forstbetrieben vorkomme. Es sei willkürlich, wenn solche allgemeinen Veränderungen nur bei einzelnen Betrieben zu Wertfortschreibungen führten, während sie in anderen Fällen erst bei einer neuen Hauptfeststellung berücksichtigt würden. Gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Bewertung verstoße es auch, wenn die Finanzverwaltung der Fortschreibung auf den 1. Januar 1948 genauere als die bei der Hauptfeststellung 1935 gebräuchlichen Bewertungsmethoden zugrunde lege, während säe im übrigen die Einheitswerte aufrechterhalte, die auf den früher verwendeten Bewertungsmethoden beruhten.

Zur Ertragslage in der Forstwirtschaft nach der Währungsreform hat der Beschwerdeführer ein Gutachten vorgelegt. Danach hat sich das Verhältnis des Aufwands zum Ertrag seit der letzten Hauptfeststellung zuungunsten des Waldbesitzes verändert.

IV.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der BdF namens der Bundesregierung und das FA geäußert.

1. Der BdF hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Er ist der Ansicht, daß gegen die Anwendung des § 1 Abs. 2 und § 3 a Abs. 1 BewDV keine Bedenken beständen; die Vorschriften seien nach dem im Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Staatsrecht wirksam erlassen worden. Auch die Berücksichtigung des natürlichen Wachstums durch Wertfortschreibungen sei unbedenklich; eine gerechte Bewertung des Forstbesitzes sei nur möglich, wenn man den durch Wachstum, Naturschäden und Nutzung eintretenden Wertveränderungen entsprechend Rechnung trage. Es sei auch nicht willkürlich, wenn die Finanzverwaltung eine Wertfortschreibung in den Fällen vornehme, in denen sie von dem Vorliegen der Fortschreibungsvoraussetzungen durch Anträge, Veränderungsanzeigen oder durch Betriebsprüfungen Kenntnis erhalte.

2. Das FA hat sich unter Vorlage einer Stellungnahme des Forstsachverständigen der OFD zu der Bewertungspraxis der Finanzämter wie folgt geäußert: Soweit die Finanzverwaltung in der Zeit von 1939 bis 1948 wegen des natürlichen Wachstums keine Wertfortschreibungen durchgeführt habe, beruhe dies vor allem auf kriegsbedingten Schwierigkeiten. In der Zeit nach 1948 seien die durch das natürliche Wachstum eingetretenen Veränderungen weitgehend berücksichtigt worden. Dabei sei innerhalb des Oberfinanzbezirks, in dem auch der land- und forstwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers liege, nicht unterschiedlich verfahren worden. Wenn in manchen Betrieben der natürliche Holzzuwachs nicht zu einer Erhöhung des Einheitswerts geführt habe, so beruhe das zum Teil darauf, daß dem Holzzuwachs ein entsprechender Abgang durch Holzeinschlag gegenübergestanden habe; in diesen Fällen seien Wertfortschreibungen nicht veranlaßt gewesen. Im übrigen seien bis zum 1. Januar 1963 für etwa 50 vom Hundert der Waldfläche in der Bundesrepublik Wertfortschreibungen durchgeführt worden – Die Behauptung des Beschwerdeführers, bei der Fortschreibung zum 1. Januar 1948 sei eine andere Bewertungsmethode als bei der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1935 angewendet worden, treffe nicht zu. Zu der angewendeten Bewertungsmethode hat der Forstsachverständige der OFD im einzelnen Stellung genommen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

I.

Das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG, nur auf Grand gültiger Vorschriften zur Steuer herangezogen zu werden, wird durch die gerichtliche Bestätigung der vom FA verfügten Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 nicht verletzt.

1. Die formelle Gültigkeit des § 1 Abs. 2 und des § 3 a Abs. 1 BewDV ist nach dem zur Zeit ihres Erlasses geltenden Rechtszustand aus folgenden Gründen zu bejahen.

a) § 1 Abs. 2 und § 3 a Abs. 1 BewDV sind durch die Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz und zum Vermögensteuergesetz vom 22. November 1939 (RGBl I S. 2271) in die Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz eingefügt worden. § 12 RAG in der Fassung des § 28 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 – RGBl I S. 961 – und § 21 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewG 1934 bilden dafür eine ausreichende Grundlage (vgl. auch BFH, Urteil vom 29. April 1966, StRK, BewG DVO § 1 R. 2).

§ 21 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewG 1934 ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß die Hauptfeststellung in kürzeren oder längeren als den in § 21 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Zeitabschnitten vorgenommen wird, wobei sich die Bestimmung auf einzelne Vermögensarten und Vermögensunterarten beschränken kann. Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 BewDV, wonach eine neue Hauptfeststellung für den Grundbesitz „bis auf weiteres” nicht stattfinden soll, liegt noch im Rahmen diese: Ermächtigung.

Die Auffassung, daß § 1 Abs. 2 BewDV die gesetzliche Regel über den Hauptfeststellungszeitraum für unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt und deshalb den Rahmen dieser Ermächtigung gesprengt habe, trifft nicht zu. Die Verordnung vom 22. November 1939 hatte, wie auch der BFH in seinem Urteil vom 29. April 1966 (a.a.O.) ausführt, den Zweck, die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte für den Grundbesitz bis zur Beendigung des inzwischen ausgebrochenen Krieges hinauszuschieben. Dem Verordnungsgeber war es nicht möglich, dafür einen festen Zeitpunkt zu bestimmen. Deshalb kann das Hinausschieben einer neuen Hauptfeststellung auf unbestimmte Zeit auch nicht als Überschreitung des Ermächtigungsrahmens angesehen werden (so auch Spanner zum Urteil des BFH vom 29. April 1966 in StRK Anm., BewG DVO § 1 R. 2).

Für § 3 a Abs. 1 BewDV findet sich zwar im Bewertungsgesetz 1934 keine Ermächtigungsvorschrift. Die Einfügung des § 3 a Abs. 1 in die Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz ist jedoch durch § 12 RAO hinreichend gedeckt. Nach § 12 RAO konnte der Reichsminister der Finanzen zur Durchführung und zur Ergänzung der vom Reich erlassenen Steuergesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen.

Eine solche Ermächtigung entspricht zwar nicht den Anforderungen des Grundgesetzes (vgl. Art. 129 Abs. 3 GG). Bei der Prüfung, ob eine Ermächtigungsnorm für den Erlaß einer Rechtsverordnung ausreicht, muß jedoch von den besonderen staatsrechtlichen Verhältnissen ausgegangen werden, die im Zeitpunkt des Verordnungserlasses gegolten haben (vgl. BVerfGE 6, 309 [331]; 6, 389 [414]). Im vorliegenden Fall ist somit zu berücksichtigen, daß im nationalsozialistischen Staat in den Jahren von 1933 bis 1945 in weitem Umfang Rechtsetzungsbefugnisse auf die Exekutive übertragen wurden. Die Begriffe „Durchführung” und „Ergänzung” in § 12 RAO waren nach damaliger Auffassung weit auszulegen (BFH, BStBl 1956 III S. 316). Zur „Ergänzung” eines Gesetzes war der Reichsminister der Finanzen jedenfalls insoweit befugt, als die Ergänzung nicht gegen Grundsätze oder den Sinn eines Gesetzes verstieß. In diesen Grenzen hält sich § 3 a Abs. 1 BewDV. Die Bestimmung sollte ein einheitliches Wertniveau während des im Jahre 1935 beginnenden Hauptfeststellungszeitraums sichern (vgl. Rößler-Troll, Kommentar zum BewG und VStG, 7. Aufl., 1964, § 22 Anm. 22) und damit letztlich dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen. Aus diesen Erwägungen ist übrigens auch eine dem § 3 a Abs. 1 BewDV inhaltlich entsprechende Vorschrift in das Bewertungsgesetz 1965 aufgenommen worden (vgl. § 27 BewG 1965).

b) Die dem § 3 a Abs. 1 BewDV zugrunde liegende Ermächtigung des § 12 RAO ist nach Art. 129 Abs. 3 GG insoweit erloschen, als sie zur Ergänzung von Gesetzen ermächtigte; § 12 RAO wurde später auch in seinen übrigen Teilen durch Art. I Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 11. Juli 1953 (BGBl I S. 511) aufgehoben. Hierdurch wurden jedoch Vorschriften, die auf Grund dieser Ermächtigungsnorm erlassen wurden, in ihrem Bestand nicht berührt (BVerfGE 9, 3 [12]; 12, 341 [346 f.]; 14, 245 [249]).

2. Die Bestimmungen des § 1 Abs. 2 und des § 3 a Abs. 1 BewDV standen jedenfalls zur Zeit ihrer Anwendung in dem hier zu entscheidenden Fall sachlich nicht in Widerspruch zum Grundgesetz.

a) Es trifft zwar zu, daß das Unterbleiben einer neuen Hauptfeststellung für den Grundbesitz zu einem Mißverhältnis zwischen den tatsächlichen Werten und den Einheitswerten geführt (vgl. Abschnitt I, Nr. 2 der Amtl. Begründung vom 1. Oktober 1963 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes – Entw.Ges. 1963 – BTDrucks. IV/1488 S. 27 f.) und hierdurch die Brauchbarkeit der Einheitswerte als Besteuerungsgrundlage erheblich gelitten hat (BVerfGE 23, 242 [245]). An dem hier maßgebenden Bewertungsstichtag 1. Januar 1948 hatten sich jedoch Einheitswerte und tatsächliche Werte noch nicht so weit voneinander entfernt, daß die ursprünglich gerechtfertigte Regelung im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 16. Mai 1961 (BVerfGE 12, 341 [353]) „offensichtlich sachwidrig” geworden wäre, denn die Verhältnisse in den ersten Nachkriegsjahren, vor allem in der Zeit vor der Währungsreform, machten eine Revision der Einheitswerte zunächst unmöglich.

b) Einen inhaltlichen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung wegen Verletzung des Rechtsstaatsgebots der Tatbestandsklarheit enthalten die Vorschriften des § 1 Abs. 2 und des § 3 a Abs. 1 BewDV entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch insoweit nicht, als dort von einer begrifflichen Unterscheidung zwischen dem „tatsächlichen Zustand” des Grundbesitzes und den „Wertverhältnissen” ausgegangen wird. Zwar kann die Abgrenzung zwischen dem, was bei einer Fortschreibung oder Nachfeststellung als „tatsächlicher Zustand” und dem, was als „Wertverhältnisse” anzusehen ist, im Einzelfall schwierig sein (vgl. im einzelnen Rößler-Troll, a.a.O., § 22 BewG, Anm. 23 bis 30). Für die Auslegung der Norm fehlt es jedoch nicht an praktikablen Unterscheidungsmerkmalen, wenn man sich den gesetzgeberischen Grund für die Unterscheidung vergegenwärtigt: Es geht darum, die tatsächlichen Verhältnisse im Fortschreibungs-(Nachfeststellungs-)Zeitpunkt auf das Wertniveau vom 1. Januar 1935 zu beziehen. Auch die ständige Rechtsprechung des BFH hat erwiesen, daß die genannten Bestimmungen praktikabel sind (vgl. BStBl 1953 III S. 5; S. 221; S. 341; S. 350; 1954 III S. 298; 1963 III S. 252; 1966 III S. 346). Auch nach § 27 BewG 1965, der, wie erwähnt, dem § 3 a Abs. 1 BewDV inhaltlich entspricht, sind bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen.

Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die in Frage stehenden Bestimmungen eine unklare, mißverständliche oder widerspruchsvolle Regelung enthalten und deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen würden (BVerfGE 1, 14 [45]).

II.

Das angefochtene Urteil des BFH läßt auch bei der Auslegung des Bewertungsgesetzes selbst keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennen.

1. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BewG wird der Einheitswert eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs durch Wertfortschreibung neu festgestellt, wenn der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, in einem bestimmten Umfang von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts abweicht. Bei der Entscheidung darüber, auf welchen Gründen diese Wertabweichung beruhen muß, um eine Fortschreibung zu rechtfertigen, handelt es sich um eine Frage des einfachen Rechts. Wenn der BFH entgegen einer im Schrifttum vertretenen Meinung in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertritt, das natürliche Wachstum sei als Fortschreibungsgrund anzusehen (vgl. BStBl 1958 III S. 60; 1962 III S. 530), so überschreitet er damit seine richterlichen Befugnisse nicht (vgl. BVerfGE 21, 209 [216]). Das gleiche gilt für die Rechtsprechung des BFH zu der Frage, ob eine fehlerberichtigende Wertfortschreibung zulässig ist (BStBl 1952 III S. 84; 1955 III S. 375; 1961 III S. 430; 1962 III S. 530; 1963 III S. 29). Die vom BFH vertretene Auffassung führt auch nicht zu willkürlichen Ergebnissen und verletzt nicht das Rechtsstaatsprinzip. Fortschreibungen zum Zwecke der Fehlerberichtigung berühren die Bestandskraft der vorausgegangenen Einheitswertbescheide nicht. Sie ändern nicht rückwirkend die ursprüngliche Feststellung, sondern stellen den Wert vom Fortschreibungszeitpunkt an fest (Rößler-Troll, a.a.O., § 22, Anm. 3); der Fortschreibungsbescheid tritt also nicht an die Stelle des ursprünglichen Bescheids, sondern neben ihn.

2. Das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichbehandlung ist auch im übrigen nicht dadurch verletzt, daß der BFH eine Fortschreibung des Einheitswerts für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers für zulässig erachtet, obwohl in anderen vergleichbaren Fällen Fortschreibungen unterblieben sind.

Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt allerdings, daß die Finanzämter verpflichtet sind, die nach dem Gesetz entstandenen Steueransprüche geltend zu machen und die für die Entstehung und den Umfang des Steueranspruchs maßgebenden Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen durchzuführen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Für Fortschreibungen ergibt sich diese Pflicht schon aus der Wortfassung des § 22 BewG („Der Einheitswert wird neu festgestellt …”) und des § 225 a RAO („Ein Feststellungsbescheid über den Einheitswert … wird durch einen neuen Feststellungsbescheid (Fortschreibungsbescheid) ersetzt …”).

Es mag richtig sein, daß Änderungen am Holzbestand den Finanzämtern regelmäßig erst dadurch bekanntwerden, daß der alte Einheitswertbescheid bei einer Betriebsprüfung oder – wie im vorliegenden Fall – nach Bekanntwerden von Flächenänderungen, Hofübergaben, Erbfällen und dergleichen überprüft wird. Die Verhältnisse liegen hier anders als bei den Einheitswertbescheiden, die das gewerbliche Betriebsvermögen betreffen, weil bei den forstwirtschaftlichen Betrieben nicht so umfassende Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten bestehen wie bei den Gewerbebetrieben. Es kann deshalb bei den Forstbetrieben vielfach nur auf Grund eingehender Prüfungen an Ort und Stelle festgestellt werden, ob sich Wertänderungen ergeben haben, die für Fortschreibung ausreichen (vgl. Leibrecht, StuW 1961, Sp. 545 [550] und v. Hegel, StuW 1962 Sp. 201 [222 f.]).

Aus der Tatsache, daß in manchen von diesen Fällen Fortschreibungen bisher unterblieben sind, darf nicht gefolgert werden, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, wenn in anderen Fällen Fortschreibungen stattfinden. Wird die Vornahme von Wertfortschreibungen in Einzelfällen versäumt, so könnte das nur dazu führen, daß die Finanzämter in diesen Fällen für eine Nachholung der unterlassenen Fortschreibungen sorgen müssen; dagegen kann jemand, für dessen Betrieb eine Fortschreibung des Einheitswerts geboten ist, nicht verlangen, daß diese Fortschreibung unterbleibt, weil Fortschreibungen in vergleichbaren Fällen auch bei anderen Steuerpflichtigen unterblieben sind (vgl. BVerfGE 21, 245 [261]).

3. Schließlich ist auch insofern kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu erkennen, als es sich um die dem Fortschreibungsbescheid zugrunde gelegte Bewertungsmethode handelt. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich nur, daß die zur Anwendung der Bewertungsmethode festzustellenden einzelnen Bewertungsmerkmale, wie die Standortklasse (Zusammenfassung der natürlichen Ertragsbedingungen wie Boden, Klima, Geländegestaltung) und der Bestockungsgrad (Verhältnis des auf einer Fläche vorhandenen Holzbestandes zum regelmäßigen Vollbestand der Fläche), genauer ermittelt wurden als bei der Hauptfeststellung 1935. Dieses Vorgehen war nicht willkürlich.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 364

BVerfGE 25, 216

BVerfGE, 216

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