Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung bzgl. der Steuersätze für Kaffee-Extrakte

 

Leitsatz (redaktionell)

  • Es ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber die Steuersätze in den Fällen des § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 nicht selbst regelte. Der Umstand, daß im Jahre 1953 der Steuersatz für jede importierte Kaffee-Extrakt-Sorte speziell ermittelt wurde, erlaubte dem Gesetzgeber, von einer eigenen Regelung abzusehen.
  • Die in § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 enthaltene Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen entsprach den Erfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ließ Inhalt, Zweck und Ausmaß der dem Verordnunggeber übertragenen Ermächtigung mit hinreichender Bestimmtheit erkennen. Der Gesetzgeber mußte das dem Verordnunggeber anvertraute “Programm” in der Ermächtigungsnorm nicht ausdrücklich nennen.
 

Normenkette

KaffeeStG § 2 Abs. 2 Fassung: 1953-07-30; KaffeeStV § 2; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Beschluss vom 03.03.1969; Aktenzeichen IVa 50 - 52/64 H (V))

 

Gründe

A.

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob eine auf das Kaffeesteuergesetz gestützte Rechtsverordnung eine Steuerschuld begründet hat.

I.

Kaffee unterliegt der Kaffeesteuer (§ 1 des Kaffeesteuergesetzes vom 30. Juli 1953 (BGBl. I S. 708), neu bekanntgemacht am 23. Dezember 1968 (BGBl. 1969 I S. 1), derzeit gültig in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2017) – KaffeeStG –).

1. Für Kaffee-Extrakte, Kaffee-Essenzen und ähnliche Zubereitungen auf der Grundlage von Kaffee ermächtigte § 2 Abs. 2 KaffeeStG in der Fassung von 1953 – im folgenden: KaffeeStG 1953 – den Bundesminister der Finanzen, durch Rechtsverordnung Steuersätze festzusetzen, welche die bei der Herstellung dieser Zubereitungen verwendete Kaffeemenge berücksichtigen. § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 übernahm die Grundzüge des Art. VIII § 2 Abs. 2 – in einer späteren Fassung Abs. 3 (vgl. BZollBl. 1950 S. 65) – des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 vom 22. Juni 1948 (BZollBl. 1950 S. 65 – KaffeeStG 1948).

Auf § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 stützte der Bundesminister der Finanzen die Verordnung über die Festsetzung von Kaffeesteuersätzen vom 14. Februar 1958 (BAnz. Nr. 37 vom 22. Februar 1958 S. 1) – KaffeeStV. In deren § 2 legte er den Steuersatz für Kaffee-Extrakt auf 290 v.H. des Steuersatzes für gerösteten Kaffee fest und ließ die Anwendung individueller, von der jeweils verarbeitenden Röstkaffeemenge abhängender Steuersätze zu, wenn – zollamtlich festgestellt – für 1 kg Kaffee-Extrakt weniger als 2800 g oder mehr als 3100 g Röstkaffee verwendet worden waren.

2. § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 und die Kaffeesteuer-Verordnung blieben mit hier unwesentlichen Änderungen bis zum 31. Dezember 1968 in Kraft. An ihrer Stelle sind § 1 Abs. 2 Nr. 2 KaffeeStG in Verbindung mit § 2 Nr. 5, 6 KaffeeStG in der Fassung des Art. I des Zweiten Änderungsgesetzes zum Kaffeesteuergesetz vom 17. Dezember 1968 (BGBl. I S. 1334) – KaffeeStG 1968 – getreten. Die Höhe der Steuer für feste Auszüge aus Kaffee ist nunmehr in DM-Beträgen im Gesetz selbst bestimmt: Die Steuer für 1 kg fester Auszüge aus Kaffee koffeinhaltig beträgt 13.- DM, für solche aus nicht koffeinhaltigem Kaffee 13,65 DM.

II.

1. Die Klägerin im Ausgangsverfahren hatte zwischen Januar 1961 und Februar 1962 feste Auszüge aus Kaffee eingeführt und die pro Kilogramm dieser Importware verarbeitete Röstkaffeemenge dem Zollamt mitgeteilt. Das Zollamt errechnete die Kaffeesteuer zunächst nach diesen Angaben, forderte jedoch weitere 176 609.- DM Kaffeesteuer nach, weil sich die Angaben der Steuerpflichtigen als unrichtig erwiesen hätten. Die Steuerpflichtige bekämpft den Nachzahlungsbescheid vor dem Finanzgericht Hamburg. Sie hält die Rechtsgrundlagen des Bescheides wegen verschiedener Verfassungsverstöße für nichtig. Im übrigen behauptet die Steuerpflichtige, ihre Angaben seien zutreffend; jedenfalls dürfe das Zollamt nichts nachfordern, weil dies den von ihm selbst hervorgerufenen Anschein verletze.

2. Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 3. März 1969 den Rechtsstreit ausgesetzt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 2 Abs. 2 des Kaffeesteuergesetzes vom 30. Juli 1953 mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt seine Entscheidung von der Beantwortung dieser Frage ab. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe die Behauptung der Steuerpflichtigen nicht bestätigt. § 2 KaffeeStV beruhe auf einer gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Ermächtigung. Der Gesetzgeber habe die weitere Regelung der Steuerberechnung dem Bundesminister der Finanzen deswegen überlassen, weil es damals kaum möglich gewesen sei, die verarbeitete Röstkaffeemenge zuverlässig aus dem Extrakt zu ermitteln. Dieses Motiv habe der Bürger aber nicht erkennen können, weil bis zum Inkrafttreten des Kaffeesteuergesetzes 1953 ihm individuelle Steuersätze für Kaffee-Erzeugnisse vorgespiegelt hätten, der Extrakt gebe Aufschluß über die verarbeitete Kaffeemenge. Im übrigen sei nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber den mit der Ermächtigung verfolgten Zweck nicht selbst verwirklicht habe. § 2 Abs. 2 KaffeeStG habe der Tätigkeit des Verordnunggebers auch keine klare Grenze gesetzt. Habe dieser die verwandte Kaffeemenge nur berücksichtigen müssen, so habe er den Steuersatz auch an anderen, ungenannten und aus der Ermächtigung nicht bestimmbaren Kriterien orientieren können. Zweck und Ausmaß der dem Verordnunggeber übertragenen Befugnis seien daher nicht hinreichend deutlich gewesen.

III.

1. Die Bundesregierung hält § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 für vereinbar mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber des Jahres 1953 habe die Aufgabe dem Verordnunggeber übertragen dürfen. Die zur Nachprüfung vorgelegte Norm habe bezweckt, die Kaffeesteuer berechnen zu können, wenn Röstkaffee zu Extrakt verarbeitet wurde. Bis 1953 und auch noch später habe man den Steuersatz mangels Erfahrungen über die durchschnittliche Extraktausbeute für jedes einzelne Produkt ermittelt. Das habe den Verordnunggeber jedoch nicht gehindert, aus den von ihm in der Folgezeit ermittelten Einzelwerten einen Durchschnittswert zu errechnen und ihn im Steuersatz zu beachten. Indem § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 die Berücksichtigung der verarbeiteten Kaffeemenge vorgeschrieben habe, sei das Ausmaß der Befugnisse des Verordnunggebers erkennbar gewesen. Das Kaffeesteuergesetz 1953 habe sich in diesem Punkt nicht von seinem Vorgänger unterschieden. § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1948 sei aber stets so verstanden worden, daß nur die verarbeitete Kaffeemenge Besteuerungsmaßstab sei.

2. Die Klägerin im Ausgangsverfahren tritt der Ansicht des vorlegenden Gerichts bei. Sie meint, der Gesetzgeber habe die Steuersätze in jedem Falle selbst festlegen müssen. Insbesondere das Ausmaß der in § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 enthaltenen Ermächtigung sei unbestimmt gewesen: Einmal habe der Verordnunggeber den Steuersatz an beliebigen Kriterien orientieren können, zum anderen sei nicht deutlich gemacht, ob die Verordnung auch einen durchschnittlichen Ausbeutesatz festsetzen dürfe; jedenfalls habe die beanstandete Norm nicht gezeigt, wie dieser Durchschnittswert zu errechnen und den technischen Änderungen anzupassen sei.

B. – I.

Die Vorlage ist zulässig. § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 war eine Norm des nachkonstitutionellen Rechts. Sie stimmte zwar mit den Grundzügen der Regelung des Kaffeesteuergesetzes 1948 überein. Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hatte das Kaffeesteuergesetz 1953 aber in wesentlichen Punkten, darunter auch in § 2 Absatz 2 novelliert und damit die hier nachzuprüfende Norm bestätigt (vgl. BVerfGE 11, 126 [131 f.]).

Die Entscheidung des Finanzgerichts hängt von der Gültigkeit des § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 ab. War diese Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar, wird das vorlegende Gericht die Klage abweisen. Ist sie nichtig, wird es der Klage stattgeben.

II.

§ 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 war mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. Die zur Nachprüfung gestellte Norm verletzte weder das Rechtsstaatsprinzip noch den Grundsatz der Gewaltenteilung. Es ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber die Steuersätze in den Fällen des § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 nicht selbst regelte. Der Umstand, daß im Jahre 1953 der Steuersatz für jede importierte Kaffee-Extrakt-Sorte speziell ermittelt wurde, erlaubte dem Gesetzgeber, von einer eigenen Regelung abzusehen.

2. Die in § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 enthaltene Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen entsprach den Erfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ließ Inhalt, Zweck und Ausmaß der dem Verordnunggeber übertragenen Ermächtigung mit hinreichender Bestimmtheit erkennen. Der Gesetzgeber mußte das dem Verordnunggeber anvertraute “Programm” in der Ermächtigungsnorm nicht ausdrücklich nennen. Es genügt, wenn es nach den allgemeinen Auslegungsregeln feststellbar war, wobei dem Sinnzusammenhang und Ziel des die Ermächtigungsnorm enthaltenden Gesetzes besondere Bedeutung zukommt (BVerfGE 8, 274 [307]; ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluß vom 30. Mai 1973 [BVerfGE 35, 179 f.]).

a) Der Inhalt der zur Nachprüfung vorgelegten Norm war eindeutig: Es ging um die Steuersätze für feste Auszüge aus Kaffee.

b) Der Zweck des § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 zeigt sich mit hinreichender Klarheit, würdigt man die Bestimmung im Lichte der damaligen, den betroffenen Kreisen bekannten Besteuerungspraxis, wonach die Zollämter das Ausbeuteverhältnis von Röstkaffee zu Extrakt für jedes importierte Produkt ermittelten, um daraus die Höhe der Kaffeesteuer zu errechnen. § 2 KaffeeStG 1953 spiegelte diese Situation: Allgemeine Steuersätze für Kaffee hatte der Gesetzgeber selbst bestimmt (§ 2 Abs. 1 KaffeeStG 1953); für Mischungen, Kaffee-Extrakte etc. übertrug er die Festsetzung des Steuersatzes dem Verordnunggeber (§ 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953), der die dafür verwendete Kaffeemenge zu berücksichtigen hatte.

c) Das Ausmaß der dem Verordnunggeber übertragenen Befugnis war mit dem Ermächtigungszweck schon weitgehend bestimmt (BVerfGE 26, 228 [242]; 33, 358 [366]). Dem Gesetzgeber ging es darum, daß die zur Herstellung des Extrakts jeweils benötigte Kaffeemenge festgestellt und die Steuer als Mehrfaches der “Grundbeträge” des § 2 Abs. 1 KaffeeStG 1953 für den Extrakt bemessen wurde. Dieses gesetzgeberische Ziel ist unverkennbar. Es entsprach der herkömmlichen Besteuerungspraxis. Ob der Gesetzgeber angesichts dieser Praxis an weitere Besteuerungskriterien dachte, erscheint fraglich. Der in § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 verwandte, vom Kaffeesteuergesetz 1948 übernommene Begriff “berücksichtigen” zwingt zu dieser Annahme jedenfalls dann nicht, wenn man ihn verfassungskonform dahin interpretiert, daß allein das Ausbeuteverhältnis die Besteuerung des Kaffee-Extraktes bestimme (vgl. BVerfGE 8, 274 [324]).

§ 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 war auch nicht insoweit zu beanstanden, als der Verordnunggeber aus ihm die Ermächtigung herleiten konnte, von der Ermittlung eines speziellen Ausbeutesatzes für das jeweils zu besteuernde Produkt zur Annahme durchschnittlicher Verarbeitungsergebnisse überzugehen, nachdem sich die frühere Praxis als sehr unzuverlässig erwiesen hatte (vgl. dazu die Amtliche Begründung zum Entwurf des Kaffeesteuergesetzes 1968 [BTDrucks. V/2782 S. 5]). Das Bundesverfassungsgericht hat zwar mit Beschluß vom 27. November 1962 (BVerfGE 15, 153 ff.) § 6 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1951 für nichtig erklärt, weil die Ermächtigung, Import-Ausgleichsteuer nach durchschnittlichen Warenwerten zu berechnen, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verletze, wenn – wie im damals entschiedenen Fall – der Gesetzgeber nicht vorschreibe, daß und wie ein Durchschnittswert veränderten Verhältnissen anzupassen sei (vgl. auch das Urteil vom 15. Dezember 1959 [BVerfGE 10, 251]). § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 unterschied sich aber in wesentlichen Punkten von der damals beanstandeten Norm. Der Einfuhrpreis von Handelswaren schwankt; ein Durchschnittspreis, berechnet aus den Preisen verschiedener Warenarten, muß der Preisentwicklung angepaßt werden. Anders war es beim Ausbeuteverhältnis von Röstkaffee. Hier konnten allenfalls technische Neuerungen den Durchschnittswert beeinflussen. Wesentliche Änderungen des Ausbeuteverhältnisses waren aber nicht zu erwarten. Das bestätigt das nahezu gleiche Verhältnis der Steuersätze für Röstkaffee und Kaffee-Extrakt im Kaffeesteuergesetz 1968 und in der Kaffeesteuer – Verordnung. Der Gesetzgeber konnte daher im Falle des § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 davon absehen, dem Verordnunggeber die Anpassung des Durchschnittswertes (vgl. dazu BVerfGE 15, 153 [161]; 10, 251 [253]) vorzuschreiben. Das gilt jedenfalls dann, wenn man § 2 Abs. 2 KaffeeStG 1953 mit dem Verordnunggeber dahin interpretiert, daß Kaffee-Extrakte, deren Ausbeuteergebnis vom durchschnittlichen Erfahrungswert erheblich abweicht, speziell, das heißt ihrem Ergebnis entsprechend, zu besteuern waren.

3. Sonstige Verfassungsverstöße läßt die zur Nachprüfung gestellte Norm nicht erkennen. Sie war daher mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

 

Fundstellen

BVerfGE, 224

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