Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erbschaftsteuerpflicht einer Hinterbliebenenrente auf Grund Gesellschaftsvertrags für die Witwe eines Komplementärs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur erbschaftsteuerlichen Behandlung von Hinterbliebenenversorgungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage.

2. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 überschreitet nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung.

3. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. November 1985 – II R 148/82[1]) verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.

4. Aus Gründen des Art. 6 Abs. 1 GG ist es nicht geboten, den Erwerb einer Hinterbliebenenversorgung erbschaftsteuerfrei zu stellen.

 

Normenkette

GG Art. 2, 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; BetrAVG § 17 Abs. 1 S. 2; ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 18 Abs. 1 Nr. 16

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 27.11.1985; Aktenzeichen II R 148/82)

 

Tatbestand

A.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß die Witwe eines geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft mit der Hinterbliebenenrente, die sie auf Grund Gesellschaftsvertrags erhält, zur Erbschaftsteuer veranlagt worden ist.

1. Für die erbschaftsteuerliche Beurteilung der Hinterbliebenenbezüge der Beschwerdeführerin ist von dem Erbschaftsteuergesetz in der Fassung vom 1. April 1959 (BGBl I S. 187) – im folgenden ErbStG 1959 – auszugehen. Die hier maßgebliche Bestimmung lautet:

§ 2 Abs. 1

Als Erwerb von Todes wegen gilt

1. und 2. …

3. der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird.

Diese Regelung wurde ohne sachliche Änderung als § 3 Abs. 1 Nr. 4 in das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung vom 17. April 1974 (BGBl I S. 933) – im folgenden ErbStG 1974 – übernommen.

Bei der Prüfung der Steuerbarkeit von Hinterbliebenenversorgungen war daneben die nachstehende Vorschrift von Bedeutung, die „sonstige Steuerbefreiungen” zum Gegenstand hat.

§ 18 Abs. 1 ErbStG 1959

Steuerfrei bleiben außerdem

1. bis 15. …

16. Ruhegehalte und ähnliche Zuwendungen, die ohne rechtliche Verpflichtung früheren oder jetzigen Angestellten oder Bediensteten gewährt werden, sowie Zuwendungen an Pensions- oder Unterstützungskassen des eigenen Betriebes;

17. bis 22. …

Diese Bestimmung wurde in das Erbschaftsteuergesetz 1974 nicht mehr aufgenommen.

Das Erbschaftsteuergesetz sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit vor, die Steuer jährlich zu entrichten (§ 30 ErbStG 1959/§ 23 ErbStG 1974).

2. Schon der Reichsfinanzhof hatte entschieden, daß Ruhegehälter und ähnliche Zuwendungen, die auf Gesetz beruhen, nicht zur Erbschaftsteuer heranzuziehen sind (vgl. RStBl 1932, S. 534; 1933, S. 338). Dazu gehören etwa Renten der gesetzlichen Sozialversicherung, Hinterbliebenenbezüge nach Beamtenrecht oder aus berufsständischen Zwangsversicherungen. Private Hinterbliebenenversorgungen waren dagegen erbschaftsteuerpflichtig. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung von Versorgungsbezügen wurde als unbefriedigend empfunden. So hat der Deutsche Bundestag am 19. Februar 1959 einem Entschließungsantrag zugestimmt, nach dem die Bundesregierung ersucht wurde, die Möglichkeiten für eine Gleichbehandlung von privaten Alters- und Hinterbliebenenversicherungen mit der Sozialversicherung zu prüfen (BT-Drucks. III/598 und 795).

Bei der Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts kam der Gesetzgeber zu dem Ergebnis, daß mit einer Freibetragsregelung die bestmögliche Lösung des Problems zu erreichen sei (vgl. BT-Drucks. VI/3418, S. 71). Dementsprechend gewährt § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 dem überlebenden Ehegatten einen besonderen Versorgungsfreibetrag von 250.000 DM. Dieser wird bei Ehegatten, denen aus Anlaß des Todes des Erblassers nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge zustehen, um den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert dieser Versorgungsbezüge gekürzt.

Eine völlige Gleichbehandlung der steuerfreien Versorgungsbezüge einerseits mit den steuerpflichtigen Versorgungsbezügen und dem übrigen steuerpflichtigen Vermögen andererseits wird auch mit § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 nicht erreicht. Die unterschiedliche Sachbehandlung bleibt bestehen, sobald der Kapitalwert den Betrag von 250.000 DM übersteigt (vgl. Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Stand: März 1984, § 17 Anm. 1).

3. Die Frage der Erbschaftsteuerpflicht von privaten Hinterbliebenenversorgungen ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entscheidend geprägt worden. Dieser hat versucht, eine möglichst einheitliche erbschaftsteuerliche Behandlung der gesetzlichen und privaten Versorgungsbezüge zu erreichen.

a) In entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 (Erbfall 1960) hat er entschieden, daß die auf einem Dienstvertrag ihres verstorbenen Mannes beruhenden Ansprüche der Witwe auf Übergangsgeld und Rente von der Erbschaftsteuer befreit seien. Dieses Ergebnis folge aus dem Sinnzusammenhang des Erbschaftsteuergesetzes und seiner historischen Entwicklung (BStBl 1975 II S. 539).

b) In seinem Urteil zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 (BStBl 1981 II S. 715) ist er zu dem Ergebnis gekommen, daß auch nach Wegfall des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 von der Erbschaftsteuerfreiheit einer auf einem Dienstvertrag des Erblassers beruhenden Witwenrente auszugehen sei.

Bei einer am Gleichheitssatz unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung orientierten Auslegung dieser Vorschrift könne es keinen Unterschied machen, ob die Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer auf einem Gesetz, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer Ruhegeldordnung, einer betrieblichen Übung, auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder auf einem Einzelvertrag beruhe. Der (möglicherweise) zu weite Wortlaut der Vorschrift sei gegebenenfalls entsprechend einzuschränken.

Das Erbschaftsteuergesetz 1974 lasse nicht den gesetzgeberischen Willen erkennen, privat vereinbarte Hinterbliebenenbezüge der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Es sei zwar einzuräumen, daß die Bundesregierung diesen Standpunkt in der Regierungsbegründung vertreten habe (vgl. BT-Drucks. VI/3418, S. 71). Eine nähere Betrachtung zeige jedoch, daß die Bundesregierung von der Annahme ausgegangen sei, die Hinterbliebenenbezüge auf Grund privater Anstellungsverträge hätten seit langem der Erbschaftsteuer unterlegen. Diese Auffassung sei aber auch damals keineswegs unangefochten gewesen.

Die Einführung eines Versorgungsfreibetrags durch § 17 ErbStG 1974 behalte selbst dann ihre Bedeutung, wenn die privat vereinbarten Hinterbliebenenbezüge aus einem Arbeitsverhältnis nicht von der Erbschaftsteuer erfaßt würden.

Die Tatsache, daß § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 nicht in das Erbschaftsteuergesetz 1974 übernommen worden sei, hindere nicht an einer den § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 einschränkenden Auslegung. Die Bundesregierung habe die Fortgeltung dieser Vorschrift nicht für vertretbar gehalten, weil bei den vom Arbeitgeber gezahlten Ruhegehältern ohnehin kein erbschaftsteuerpflichtiger Tatbestand vorliege und bei testamentarisch angeordneten Ruhegehältern ein Vermächtnis anzunehmen sei, das eine Steuerbefreiung nicht rechtfertige. Die entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 durch die Rechtsprechung sei nicht vorauszusehen gewesen, so daß der Fortfall dieser Bestimmung nicht als gesetzgeberische Entscheidung für die Steuerpflicht privatrechtlich vereinbarter Hinterbliebenenbezüge gewertet werden könne.

Es bestünden keine Bedenken, die Bezüge der Hinterbliebenen des Geschäftsführers einer GmbH, auch eines Gesellschafter-Geschäftsführers, als erbschaftsteuerfrei anzusehen. Die Geschäftsführer seien möglicherweise zivilrechtlich keine Arbeitnehmer; im Sinne des Einkommensteuerrechts seien sie es aber. Für die ihnen zugesagten Pensionen könnten steuerrechtlich Rücklagen gebildet werden, und zwar selbst dann, wenn sie die GmbH beherrschten. Im Einzelfall könne allerdings Anlaß bestehen, den Anspruch der Hinterbliebenen insoweit der Erbschaftsteuer zu unterwerfen, als die Versorgung unangemessen hoch sei und deshalb körperschaftsteuerlich eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege.

c) Dagegen geht der Bundesfinanzhof in einem weiteren Urteil (BStBl 1977 II S. 420) davon aus, daß der kraft Gesellschaftsvertrags mit dem Tode eines persönlich haftenden Gesellschafters erworbene Anspruch seiner Witwe auf Zahlung einer Witwenrente gegen die Kommanditgesellschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 der Erbschaftsteuer unterlegen habe und nicht entsprechend § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 befreit gewesen sei.

Die Befreiung der Renten von Arbeitnehmerwitwen sei allerdings nicht nur durch soziale Erwägungen veranlaßt gewesen, es sei vielmehr angestrebt worden, im Erbschaftsteuerbereich zwischen den Ergebnissen der Arbeit und den Ergebnissen eines Kapitaleinsatzes zu unterscheiden. Die Trennung solcher Renten nach ihrem Entstehungsgrund lasse sich aber auf die Verhältnisse eines geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft hinsichtlich der vereinbarten Rentenansprüche für seine Witwe nicht übertragen; denn die Pflicht zur Arbeitsleistung obliege dem Komplementär nicht kraft Dienstvertrages. Das Gesetz weise ihm für seine Tätigkeit als persönlich haftender und nicht von der Geschäftsführung befreiter Gesellschafter keine besondere Vergütung zu; seine Beteiligung am Gewinn werde allein nach seinem Kapitalanteil bemessen. Beides könne allerdings im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden. Selbst ein im Innenverhältnis weitestgehend gebundener persönlich haftender Gesellschafter handele aber nach außen aus eigenem Recht; er stehe – anders als häufig der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person – in keinem Dienstverhältnis zur Gesellschaft. Daran scheitere die entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959.

Dieses Ergebnis sei nicht gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG), zumal es mit der Besteuerung der Erben eines Einzelkaufmanns voll übereinstimme. Die unterschiedliche Behandlung der Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers sei dadurch gerechtfertigt, daß die dienstvertragliche „Verrentung” des Wertes der geleisteten Arbeit zugunsten der Hinterbliebenen zwangsläufig zu dem Ergebnis führen müsse, daß ein und derselbe Kapitalwert als Stammrecht bei dessen Anfall der Erbschaftsteuer und als Einkünfte bei deren laufenden Bezügen der Einkommensteuer unterlegen hätte. Dagegen könnte durch Gesellschaftsvertrag der Hinterbliebenen eines Gesellschafters statt einer Rente ein Kommanditanteil mit der Folge eingeräumt werden, daß nur die zukünftigen Gewinnanteile einkommensteuerpflichtig seien.

II.

1. Die Beschwerdeführerin ist die Witwe des verstorbenen geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft. Zwischen den Ehegatten war der Güterstand der Gütertrennung vereinbart.

Nach dem Gesellschaftsvertrag erwarb die Beschwerdeführerin mit dem Tode ihres Mannes einen Anspruch auf Ruhegeld in Höhe von 60 vom Hundert des höchsten bezogenen Geschäftsführergehalts ihres Ehemannes. Sie hat die Erbschaft ausgeschlagen und ist auch nicht Gesellschafterin geworden.

Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest. Die Beschwerdeführerin beantragte vorsorglich die Rentenbesteuerung nach § 30 ErbStG 1959.

2. Der Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Erbschaftsteuerbescheid blieb erfolglos; dagegen hatte ihre Klage vor dem Finanzgericht im wesentlichen Erfolg. Dieses hat sein Urteil wie folgt begründet:

Schenkungen unter Lebenden und jede andere freigebige Zuwendung (§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG 1959) unterlägen der Erbschaftsteuer, wenn der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert werde, die Zuwendung unentgeltlich erfolge und ein auf die Unentgeltlichkeit gerichteter Wille des Zuwendenden festgestellt werden könne. Dies gelte auch für die Fälle des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959, denn entsprechend ihrer zivilrechtlichen Qualifizierung handele es sich hierbei um zugunsten der Begünstigten geschlossene Verträge unter Lebenden.

Der Bundesfinanzhof habe die Erbschaftsteuerpflicht eines Anspruchs der Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters gegen die Kommanditgesellschaft auf Zahlung einer Witwenrente bejaht. Überlegungen, welcher Rechtsgrund dem Valutaverhältnis (Rechtsverhältnis zwischen Erblasser und Beschwerdeführerin) zugrunde gelegen habe und ob sich dieser auf die Steuerbarkeit auswirke, seien vom Bundesfinanzhof nicht angestellt worden. Diese Prüfung sei von entscheidender Bedeutung und führe zur teilweisen Aufhebung des Steuerbescheides.

Nach herrschender zivilrechtlicher Meinung sei der erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, nicht nur für die gegenwärtige, sondern entsprechend seinen beruflichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen (BGHZ 74, 38 [46]). Daraus ergebe sich, daß der Anspruch der Beschwerdeführerin aus dem vom Erblasser geschlossenen Vertrag zu ihren Gunsten nicht unentgeltlich, sondern entgeltlich erworben sei, denn im Valutaverhältnis habe eine Verpflichtung des Erblassers bestanden, ihre Versorgung über seinen Tod hinaus zu sichern. Auch wenn von manchen Autoren diese Verpflichtung bestritten werde, habe sich der Erblasser unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Verkehrsauffassung zur Alterssicherung der Beschwerdeführerin für verpflichtet halten müssen. Dies reiche aber aus, um den für die Steuerbarkeit der Hinterbliebenenbezüge erforderlichen Willen des Erblassers zur Unentgeltlichkeit zu verneinen.

Die maßgebliche Verkehrsauffassung finde ihren Niederschlag in der allgemeinen Übung, Leistungen zur finanziellen Sicherung der Hinterbliebenen zu vereinbaren, und zwar auch bei leitenden Angestellten, deren Position mit der eines geschäftsführenden Gesellschafters – abgesehen von seiner Gesellschafterstellung – häufig vergleichbar sei. Das handels- oder arbeitsrechtliche Verhältnis des jeweils Betroffenen zu dritten Personen ändere nichts an dieser Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung. Lediglich die Möglichkeiten, der Verpflichtung nachzukommen, seien je nach der beruflichen Stellung verschieden.

Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, daß sich für bestimmte Personenkreise – etwa für Einzelkaufleute – nur in beschränktem Umfang die Möglichkeit der Verpflichtung Dritter zur Sicherung des Altersunterhalts ihres Ehegatten eröffne. Dies beruhe auf tatsächlich unterschiedlichen Gestaltungen der Lebenssachverhalte.

Die Versorgung der Beschwerdeführerin sei nur insoweit nicht steuerbar, als sie angemessen sei, nämlich in Höhe von 45 vom Hundert des höchsten Monatsgehalts des Ehemannes.

3. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof hielt an seiner Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der Hinterbliebenenbezüge der Witwen von geschäftsführenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft fest. Weder das Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 21. Mai 1931 (RFHE 29, 137) noch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Verpflichtung des erwerbstätigen Ehegatten zur Sicherung des Lebensunterhalts des anderen Ehegatten gebe Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung.

Der Reichsfinanzhof habe zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1925 (= § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959) ausgeführt, daß die Verwirklichung des erbschaftsteuerbaren Tatbestandes das Vorliegen einer Bereicherung beim Empfänger und eines Bereicherungswillens beim Erblasser voraussetze. Beides habe der Reichsfinanzhof verneint, wenn jemand eine Lebensversicherung zugunsten eines Dritten abgeschlossen habe, dem er Geld schulde, oder wenn der durch den Lebensversicherungsvertrag Begünstigte vereinbarungsgemäß selbst die Prämien zahle. Das Gutachten enthalte aber keine Aussage über die erbschaftsteuerliche Behandlung von Zuwendungen versorgungshalber unter Ehegatten. Da es nach der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung derartige Ansprüche gegen den erwerbstätigen Ehegatten nicht gegeben habe, könnten dem Gutachten keine Hinweise zu dem hier anstehenden Problem entnommen werden. Es müsse vielmehr auf Grund der Rechtsprechung des Reichsgerichts als sicher angenommen werden, daß Zuwendungen der vorliegenden Art nach damaliger Ansicht erbschaftsteuerbar gewesen seien. Auch nach Änderung der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung zur Frage der Altersversorgung des nicht erwerbstätigen Ehegatten halte der Bundesfinanzhof daran fest, daß die im Gesellschaftsvertrag zugesagten Hinterbliebenenbezüge der Witwe eines Komplementärs der Erbschaftsteuer unterlägen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum umfassenden Unterhaltsanspruch der Ehegatten sei vor allem zu § 844 Abs. 2 BGB entwickelt worden, wonach Unterhaltsberechtigten, denen durch die Tötung des Unterhaltsverpflichteten das Recht auf Unterhalt entzogen worden sei, gegen den Schädiger Ersatzansprüche insoweit zustünden, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet gewesen sein dürfte. Hier habe die Zivilrechtsprechung – abweichend von der Rechtsprechung des Reichsgerichts – die Auffassung vertreten, daß der getötete erwerbstätige Ehegatte auf Grund seiner Unterhaltspflicht gehalten gewesen sei, seine Arbeitskraft auch zur Alterssicherung des anderen Ehegatten einzusetzen (vgl. BGHZ 32, 246). Er habe weiter entschieden, daß es bei einem freiberuflich Tätigen die Sorge für den anderen Ehegatten gebiete, angemessene Rücklagen zu schaffen (vgl. BGH, VersR 1952, 97; 1954, 325). Wie diese Rechtsprechung zeige, könne auf verschiedene Weise für das Alter vorgesorgt werden. Hiervon ausgehend gebiete es § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959, auch den Erwerb einer Lebensversicherung, die der Sicherung des überlebenden Ehegatten diene, der Erbschaftsteuer zu unterwerfen; denn dieser Erwerb gelte erbsehaftsteuerlich ebenfalls als Erwerb von Todes wegen, wobei noch zu berücksichtigen sei, daß Zuwendungen vergleichbarer Art von der Zivilrechtsprechung als vermächtnisähnlich angesehen würden (vgl. BGHZ 66, 8 [12]), auch wenn sie nicht erbrechtlichen Normen unterstellt würden.

Sei der erwerbstätige Ehegatte zu seinen Lebzeiten in erheblichem Umfang darin frei, wie er die Altersvorsorge gestalten wolle, so stehe dem anderen Ehegatten zu Lebzeiten beider Ehegatten noch kein konkreter Anspruch zu, der als Vermögensvorteil im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 angesehen werden könne. Diesen erlange er bei einem Vertrag des erwerbstätigen Ehegatten zu seinen Gunsten erst mit dem Todesfall.

Daß bei Zuwendungen unter Lebenden ein anderes steuerliches Ergebnis denkbar sei als beim Erwerb von Todes wegen, sei eine Folge der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Die Problematik sei allerdings in vielen Fällen dadurch entschärft worden, daß bei der überwiegenden Zahl der Ehen, für die der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelte, die Regelung des § 6 ErbStG 1959 in Betracht gekommen sei. Nach dieser Regelung sei ein Viertel der Erbschaft des Ehegatten, um das sich nach § 1371 Abs. 1 BGB der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöhe, erbschaftsteuerfrei geblieben, wenn die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet worden sei.

Der Güterstand der Gütertrennung dürfte vor allem in den Fällen vereinbart worden sein, in denen beide Ehegatten über größeres eigenes Vermögen oder eigene Einkünfte verfügten und deshalb die Frage einer Altersvorsorge von geringerer Bedeutung gewesen sei. Soweit bei der Gütertrennung gleichwohl ein Versorgungsbedürfnis für den nicht erwerbstätigen Ehegatten bestanden habe, hätte die Versorgung durch Zuwendung unter Lebenden, eventuell durch eine Versicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung, sichergestellt werden können.

Angesichts der bestehenden rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten seien verbleibende unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche Ergebnisse vor allem bei Vergleich der Fälle des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Der Gesetzgeber habe bei seinen Regelungen an die unterschiedlichen Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts anknüpfen können.

Eine andere Beurteilung der Erbschaftsteuerpflicht von Hinterbliebenenbezügen der Witwe eines Komplementärs sei auch nicht im Hinblick darauf geboten, daß der Erwerb eines Witwengelds durch die Witwe eines GmbH-Geschäftsführers nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erbschaftsteuerpflichtig sei. Sowohl die einschränkende Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 als auch die entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 gingen in ihrer Gedankenführung letztlich von der Altersversorgung der Witwen von Arbeitnehmern aus. Nur in diesem Bereich lasse § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 eine entsprechende Anwendung zu. Selbst eine einschränkende Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 finde dort ihre Grenze, wo es nicht mehr um die Versorgung der Witwe eines Arbeitnehmers gehe. Diese Grenze sei jedenfalls bei der Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters überschritten. Denn der persönlich haftende Gesellschafter sei als solcher zur Führung der Geschäfte der Personengesellschaft verpflichtet. Er sei kein Arbeitnehmer der Personengesellschaft. Daran ändere sich auch nichts, wenn etwa die Anwendung der Bestimmungen über den Dienstvertrag gesellschaftsrechtlich vereinbart werde.

Die unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche Behandlung der Hinterbliebenenbezüge der Witwe eines GmbH-Geschäftsführers und der Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft sei nicht verfassungswidrig, da es sich um unterschiedliche Sachverhalte handele. Selbst wenn sie es aber sein sollte, so wäre gleichwohl eine Ausdehnung der Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 auf die Witwen von Komplementären nicht möglich. Die verfassungsrechtlich etwa geforderte Gleichbehandlung müßte dann vielmehr durch eine Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich der Witwen von GmbH-Geschäftsführern erreicht werden.

Zu der Frage der doppelten Belastung der Witwenrente mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer habe das Gericht bereits Stellung genommen (BStBl 1977 II S. 420). Soweit sich eine doppelte Belastung daraus ergebe, daß nicht nur der Ertragsanteil des Witwengeldes der Einkommensteuer unterliege, sondern auch der Kapitalanteil, werde dieser Umstand berücksichtigt. Denn die in Raten zu zahlende Erbschaftsteuer sei nach der Rechtsprechung als Sonderausgabe abzugsfähig und führe so zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer. Da die Beschwerdeführerin die Rentenbesteuerung gewählt habe, werde dadurch die doppelte Belastung der Witwenrente ausreichend ausgeglichen.

III.

Die Beschwerdeführerin rügt, durch das Urteil des Bundesfinanzhofs in ihren Grundrechten aus Art. 3 und Art. 6 GG sowie in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt zu sein.

Nach dem Gleichheitssatz dürfe die Hinterbliebenenversorgung nicht bei Arbeitnehmern von der Erbschaftsteuer freigestellt, bei geschäftsführenden Gesellschaftern von Personengesellschaften dagegen der Erbschaftsteuer unterworfen werden.

Der tragende Grund für die Freistellung der Hinterbliebenenversorgung von der Erbschaftsteuer liege in der Unterhaltspflicht, die dem erwerbstätigen Ehegatten über den Tod hinaus bis zum Ableben oder zur Wiederverheiratung des anderen obliege. Entscheidend sei, daß der Erblasser eine Tätigkeit gegen Entgelt entfaltet habe und einen Teil dieses Entgelts als Hinterbliebenenversorgung erbringen lasse.

Allerdings könne ein Selbständiger eine erbschaftsteuerfreie Hinterbliebenenversorgung nicht schaffen. Dadurch sei der Gleichheitssatz aber nicht verletzt; er befinde sich in einer ganz anderen Lage als Arbeitnehmer und geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften; denn er erlange den Gegenwert für seine Tätigkeit alsbald und in voller Höhe.

Nicht überzeugend sei die Art und Weise, mit der der Bundesfinanzhof eine Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin im Verhältnis zum Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH verneine. Die Begründung, der GmbH-Geschäftsführer sei jedenfalls im Sinne des Einkommensteuerrechts Arbeitnehmer, selbst wenn er die GmbH beherrsche, sei rein formal und deshalb unbrauchbar. Es sei widersinnig, wenn der die GmbH beherrschende Gesellschafter für seine Witwe eine erbschaftsteuerfreie Hinterbliebenenversorgung erlangen könne, der im Innenverhältnis weisungsgebundene und damit abhängige Komplementär aber nicht.

Die Entscheidung verstoße auch gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Es wäre eine Verkennung des Wesens der Ehe und liefe auf eine Verletzung der Würde des nicht erwerbstätigen Ehegatten hinaus, wenn man behaupten wolle, er wäre um den zu Lebzeiten oder nach dem Ableben des erwerbstätigen Ehegatten erlangten Unterhalt bereichert.

Der Bundesfinanzhof gehe im übrigen nicht auf die von ihr vorgetragenen rechtlichen Argumente ein und habe damit Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

IV.

Namens der Bundesregierung vertritt der Bundesminister der Finanzen die Auffassung, daß die Verfassungsbeschwerde nicht begründet sei.

Der Bundesfinanzhof habe ohne Verletzung von Verfassungsrecht davon ausgehen dürfen, daß der Gesetzgeber berechtigt sei, Erwerbe von Todes wegen zwischen Ehegatten der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Der Gesetzgeber habe von Verfassungs wegen auch keine bestimmten Vermögensgegenstände im Hinblick auf die Altersversorgung des überlebenden Ehegatten von der Erbschaftsteuer auszunehmen brauchen. Vielmehr habe er annehmen dürfen, daß der besonderen Situation des überlebenden Ehegatten durch die Freibeträge des § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 ErbStG 1959 sowie durch den ermäßigten Steuertarif (§ 11 i.V.m. § 10 Abs. 1 ErbStG 1959) Rechnung getragen worden sei.

Der Bundesfinanzhof habe ferner ohne Verstoß gegen Verfassungssätze zu einer Auslegung der gesetzlichen Regelung gelangen können, nach der die Hinterbliebenenbezüge der Beschwerdeführerin erbschaftsteuerrechtlich anders zu behandeln seien als gesetzliche und vertragliche Witwenbezüge, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung habe der Bundesfinanzhof die Hinterbliebenenversorgung aller derjenigen gleich behandeln dürfen, die auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses und ihrer betrieblichen Stellung durch ein kollektives Band miteinander verbunden seien. Dabei falle zusätzlich ins Gewicht, daß unabhängig von der Höhe einer Rente im Einzelfall Arbeitnehmer und deren Hinterbliebene typischerweise schutzbedürftiger seien als selbständig tätige Gewerbetreibende und Freiberufler. In der Regel sei ihre Alterssicherung anders als die von Arbeitnehmern aufgebaut.

Auch die kumulative Belastung der Hinterbliebenenrente der Beschwerdeführerin mit Erbschaft- und Einkommensteuer sei nicht verfassungswidrig.

Im übrigen sei nicht ersichtlich und von der Beschwerdeführerin nicht dargetan, warum die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Gegensatz zum Komplementär gegen Verfassungssätze verstoße.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

I.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 ist der Erwerb von Todes wegen erbschaftsteuerpflichtig. In Ergänzung dieser Regelung bestimmt § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Gesetzes, was als Erwerb von Todes wegen gilt. Mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 hat der Gesetzgeber den Erwerb auf Grund eines Vertrages zugunsten eines Dritten – §§ 328 ff. BGB – in den Fällen der Erbschaftsteuer unterworfen, in denen die Leistung an den Dritten mit der Wirkung bedungen wird, daß dieser das Recht, sie zu fordern, erst nach dem Tode des Versprechensempfängers erwerben soll – § 331 BGB – (vgl. Troll, ErbStG, 1959, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Anm. 29).

Gegen diese Vorschrift bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ermangelt auch nicht der notwendigen Bestimmtheit, die das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) besonders bei belastenden Normen verlangt.

Diesem Erfordernis ist bei Steuerrechtsregelungen genügt, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen über die Steuer oder Abgabe mit hinreichender Genauigkeit trifft; er braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge oft nicht in der Lage. Vielmehr ist es Sache der Verwaltungsbehörden und Gerichte, die bei der Gesetzesanwendung mangels ausdrücklicher Regelungen auftauchenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten. Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer gesetzlichen Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (BVerfGE 21, 209 [215]). Hinsichtlich der Erbschaftsteuerpflicht von Hinterbliebenenversorgungen hat der Gesetzgeber die Steuerpflicht und den Steuergegenstand hinreichend genau geregelt.

II.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 überschreitet nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung; jedoch verletzt das angegriffene Urteil die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Da der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 nicht eindeutig die Frage nach der Steuerbarkeit von Hinterbliebenenversorgungen beantwortet, mußte sie durch Gesetzesauslegung geklärt werden.

Aus der ausführlichen Begründung der Urteile vom 27. November 1974 (BStBl 1975 II S. 539) und vom 20. Mai 1981 (BStBl 1981 II S. 715) ergibt sich, daß der Bundesfinanzhof die weitgehende Freistellung der Hinterbliebenenversorgungen in Übereinstimmung mit anerkannten Auslegungsregeln angenommen hat (vgl. BVerfGE 35, 263 [279]). Dagegen spricht nicht, daß ihm bei seiner Entscheidungsfindung die Auffassung des Gesetzgebers zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 bekannt war, nach der private Hinterbliebenenbezüge selbst dann erbschaftsteuerpflichtig sein können, wenn sie auf einem Arbeitsverhältnis des Erblassers beruhen.

Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 20, 283 [293]). In seinem Urteil vom 27. November 1974 hat der Bundesfinanzhof dargestellt, daß § 20 Abs. 1 Nr. 6 des Erbschaftsteuergesetzes vom 10. September 1919 (RGBl I S. 1543) als § 2 Abs. 1 Nr. 3 in das Erbschaftsteuergesetz 1959 übernommen wurde. Schon deshalb kann es nicht darauf ankommen, welche Meinungen in den zuständigen Ausschüssen und im Deutschen Bundestag zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 vertreten wurden, und daß mit der Einführung eines zusätzlichen Versorgungsfreibetrages die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung von privaten und gesetzlichen Hinterbliebenenbezügen nach Möglichkeit ausgeglichen werden sollte. Der Bundesfinanzhof hielt sich jedenfalls in den Grenzen seiner Auslegungsbefugnis, wenn er unter Heranziehung der historischen Entwicklung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 und des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 davon ausging, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, Hinterbliebenenversorgungen von der Erbschaftsteuer freizustellen, wenn diese auf ein Arbeitsverhältnis des Erblassers zurückzuführen sind.

2. Gleichwohl unterwirft der Bundesfinanzhof mit der angegriffenen Entscheidung die Hinterbliebenenversorgung der Beschwerdeführerin der Erbschaftsteuer. Das verstößt gegen den Gleichheitssatz.

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Eine solche Grundrechtsverletzung liegt nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfGE 58, 369 [373 f.]).

Die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung von Hinterbliebenenbezügen wird vom Bundesfinanzhof im Ergebnis damit begründet, daß in einem Arbeitsverhältnis der Versorgungsanspruch erdient sein müsse, damit die Steuerfreiheit bejaht werden könne. Dies könne bei einem Komplementär im Verhältnis zur Gesellschaft nicht angenommen werden.

b) Bei der Prüfung, ob zwischen den beiden Vergleichsgruppen – Hinterbliebene mit Versorgungen auf arbeitsrechtlicher Grundlage einerseits und Komplementärswitwen mit Versorgungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage andererseits – hinreichende Unterschiede bestehen, muß zunächst auf die gemeinsame Ausgangslage dieser Gruppen hingewiesen werden. Diese ist für die Anforderungen, die an die Rechtfertigung der Verschiedenbehandlung zu stellen sind, nicht ohne Gewicht.

Beiden Gruppen gehören Personen an, die nach dem Tod ihres Ehegatten vom Verstorbenen abgeleitete Ansprüche haben, die dazu bestimmt sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Das Bundesverfassungsgericht hat – allerdings im Zusammenhang mit dem Schutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen durch Art. 14 Abs. 1 GG – auf die existentielle Bedeutung von Versorgungsansprüchen hingewiesen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug dieser sozialversicherungsrechtlichen Leistungen angewiesen ist. Vielmehr geht es um die objektive Feststellung, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung der Berechtigten zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerfGE 69, 272 [303 f.]).

Diese Überlegungen sind auch bei der Beantwortung der Frage nach der Rechtfertigung der unterschiedlichen erbschaftsteuerlichen Behandlung von zivilrechtlichen Hinterbliebenenversorgungen heranzuziehen. Da der einheitlichen Ausgangslage bei den Vergleichsgruppen – Versorgung von hinterbliebenen Ehegatten – ein gleich großes und existentielles Gewicht beizumessen ist, kann die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG nur bestehen, wenn im übrigen die Ungleichheit so bedeutsam ist, daß die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (vgl. BVerfGE 52, 256 [263]). Das ist nicht der Fall.

c) Der Bundesfinanzhof stellt nicht nur die Witwen von Komplementären den „Arbeitnehmerwitwen” gegenüber, sondern bezieht auch die Witwen von Einzelkaufleuten in den Vergleich ein. Er kommt auf diesem Wege zu dem Ergebnis, die erbschaftsteuerliche Behandlung der Versorgung der Komplementärswitwe verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, zumal sie mit der Besteuerung der Erben eines Einzelkaufmanns voll übereinstimme (BStBl 1977 II S. 420 [423]).

Hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung der Gruppe der Einzelkaufleute bestehen jedoch wesentliche Unterschiede zu derjenigen der persönlich haftenden Gesellschafter einer Handelsgesellschaft. Kennzeichnend für Betriebsrenten und vergleichbare Versorgungsleistungen an Hinterbliebene von Gesellschaftern ist, daß sie von einem Dritten erbracht werden, für den der Erblasser zu Lebzeiten tätig war, um seinen und seiner Ehefrau Unterhalt zu verdienen. Die Versorgungsleistungen entsprechen also wirtschaftlich einer Weiterzahlung von Vergütung durch den Dritten. Es ist aber rechtlich ausgeschlossen, daß sich der Einzelkaufmann von seinem Unternehmen, also von sich selbst, eine Leibrente zugunsten seines hinterbliebenen Ehegatten zusagen läßt. Die Besteuerung der Hinterbliebenenversorgung der Witwe eines geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafters kann daher nicht mit dem Hinweis auf die Erbschaftsbesteuerung der Erben eines Einzelkaufmanns gerechtfertigt werden.

d) Die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung der Hinterbliebenen eines „Arbeitnehmers” und der Beschwerdeführerin als Witwe eines Komplementärs wird vom Bundesfinanzhof auch deshalb für vertretbar gehalten, weil der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft nicht gezwungen sei, eine Witwenversorgung der vorliegenden Art zu wählen. Denn ebenso wie es den Gesellschaftern freistehe, für die Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters eine Rente auszuwerfen, könnten sie dieser im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes des Gesellschafters die Stellung einer Kommanditistin einräumen (vgl. a.a.O.).

Dieser Hinweis auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschafter einer Personengesellschaft vermag die Verschiedenbehandlung der beiden Vergleichsgruppen aber schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil es nicht stets im Belieben des einzelnen Gesellschafters steht, seinem Erben eine Gesellschafterstellung zu verschaffen, und weil eine Gesellschaftsbeteiligung die Hinterbliebene nicht in gleicher Weise wie eine Versorgungszusage sichert:

e) Es steht außer Zweifel, daß der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin kein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn war. Der Bundesfinanzhof geht aber bei seiner Prüfung, ob eine privatrechtlich zugesagte Hinterbliebenenversorgung auf einem Arbeitsverhältnis beruht, nicht allein von arbeitsrechtlichen Voraussetzungen aus. Berücksichtigt man seine „großzügige” Beurteilung der vertraglichen Grundlage für den Bezug einer Hinterbliebenenversorgung im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit (vgl. BVerfGE 35, 324 [335]), so hängt das Ergebnis der Prüfung der angegriffenen Entscheidung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG davon ab, ob es schlechthin ausgeschlossen ist, einen Komplementär wie einen Arbeitnehmer zu behandeln. Das ist zu verneinen.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Begriffsbildung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I S. 3610) und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG werden von den Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere von dessen Insolvenzschutz, nicht nur Arbeitnehmer erfaßt, sondern alle Personen, denen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung wegen ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Diese denkbar weite Fassung ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung einschränkend ausgelegt worden. Anlaß dafür war eine Erkenntnis, die auch die Argumentation des Bundesfinanzhofs im vorliegenden Zusammenhang zu leiten scheint: Zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten erlauben es, Zuwendungen aller Art in die Form von Versorgungsleistungen zu kleiden, wenn dies wirtschaftliche Vorteile bietet. Deshalb stellt der Bundesgerichtshof entscheidend darauf ab, ob es sich bei den Zuwendungen wirtschaftlich um Leistungen eines Dritten handelt und ob der Versorgungsberechtigte oder bei Hinterbliebenenversorgung der Verstorbene für den Dritten als Gegenleistung Dienste erbracht hat, die durch Alters- und Hinterbliebenenbezüge entgolten werden sollen (vgl. BGHZ 77, 94 [96 f.]).

Auch dem Bundesfinanzhof geht es offensichtlich darum, eine Abgrenzung der erdienten Versorgung von der Eigenvorsorge zu erreichen. Aber bei der Abgrenzung der verschiedenen Tatbestandsgruppen differenziert der Bundesgerichtshof weitaus stärker als der Bundesfinanzhof. Persönlich haftende Gesellschafter werden vom Schutz des Betriebsrentengesetzes nur dann ausgenommen, wenn sie auf Grund ihrer rechtlichen Stellung die Versorgungszusage im Grunde sich selbst erteilt haben; das sei zwar sehr häufig, aber nicht ausnahmslos der Fall (BGH, a.a.O., 94 ff.; 233 ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 1984, § 17 Rdnrn. 99 ff., 130 ff.). Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof in dem angegriffenen Urteil persönlich haftende Gesellschafter Einzelunternehmern vollständig gleichgestellt. Im Unterschied dazu will er die Hinterbliebenenversorgung der Witwe des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH wie die Witwenrente auf Grund einer betrieblichen Altersversorgung behandeln und von der Erbschaftsteuer befreien, offenbar ohne Rücksicht auf Kapitalbeteiligung und Leitungsmacht (anders BGH, a.a.O., 94 ff.; Blomeyer/Otto, a.a.O., Rdnrn. 106 ff.). Dem würde es entsprechen, bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959 auch die Witwe des persönlich haftenden Gesellschafters von der Erbschaftsteuer freizustellen. Eine Unterscheidung hingegen, die rein schematisch auf die Gesellschaftsform abstellt ohne Rücksicht darauf, welche rechtliche Stellung der Erblasser hatte und welcher Art die Dienste waren, die den Versorgungsanspruch begründet haben, ist mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar.

III.

Die angegriffene Entscheidung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen, solange das angegriffene Urteil keine Auslegungsfehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 GG, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]). Das ist nicht der Fall.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, daß die unmittelbaren Leistungen der Frau bei der Führung des Haushalts und der Pflege und Erziehung der Kinder als Unterhaltsleistungen anzusehen sind, die gleichwertig neben der Unterhaltsleistung durch Bereitstellung der notwendigen Barmittel stehen (vgl. etwa BVerfGE 37, 217 [251], m.w.N.). Auf diesem Gedanken beruhen letztlich der Zugewinnausgleich, der Versorgungsausgleich (vgl. BVerfGE 53, 257 [296]) und das Ehegattensplitting des Einkommensteuerrechts (vgl. BVerfGE 61, 319[2]) [345 f.]). Daraus folgt aber nicht zwingend, daß der Erwerb einer Hinterbliebenenversorgung von Verfassungs wegen (Art. 6 Abs. 1 GG) erbschaftsteuerfrei bleiben muß.

 

Fundstellen

BStBl II 1986, 265

BStBl II 1989, 938

BVerfGE, 106

NJW 1989, 1599

[1] BStBl 1986 II S. 265
[2] BStBl 1982 II S. 717

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