Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungswertbesteuerung von eigengenutzten Einfamilienhäusern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß beim Wohnen im eigenen Einfamilienhaus die Einkünfte nicht durch Gegenüberstellung der bei einer Fremdvermietung erzielbaren Mieteinnahmen und der Werbungskosten einschließlich der Schuldzinsen ermittelt werden, sondern daß eine Besteuerung nach Durchschnittswerten stattfindet.

2. Da bei der Einheitswertfeststellung für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens Schulden nicht berücksichtigt werden, erscheint es sachgerecht, daß bei der Einkunftsermittlung vom Grundbetrag nur Schuldzinsen, nicht aber sonstige Bewirtschaftungskosten als Werbungskosten abgezogen werden können. Daß der Schuldzinsenabzug auf den Grundbetrag beschränkt ist und daß Schuldzinsen, die über den Grundbetrag hinausgehen, für die Ermittlung der Einkünfte (des Verlusts) aus Vermietung und Verpachtung verloren gehen, beruht auf der Erwägung, daß dem Eigentümer das Wohnen im eigenen Einfamilienhaus die „verlorenen” Schuldzinsen wert ist.

3. Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, im Falle der Eigennutzung von zwei Eigentumswohnungen, die sich nebeneinander auf einem Stockwerk befinden, § 21 a EStG 1974 anzuwenden. Unter besonderen Verhältnissen kann ein Wohnungseigentum zwei Wohnungen enthalten und steuerrechtlich der Grundstücksart „Zweifamilienhaus” zuzuordnen sein.

 

Normenkette

EStG § 21a

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 28.06.1984; Aktenzeichen IX B 31/83)

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.12.1982; Aktenzeichen VIII 365/77)

 

Gründe

Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß beim Wohnen im eigenen Einfamilienhaus die Einkünfte nicht durch Gegenüberstellung der bei einer Fremdvermietung erzielbaren Mieteinnahmen und der Werbungskosten einschließlich der Schuldzinsen ermittelt werden, sondern daß eine Besteuerung nach Durchschnittswerten stattfindet (vgl. BVerfGE 9, 3 ≪13≫). Wenn § 21 a EStG 1974 für den Nutzungswert einen bestimmten – und zwar durchaus maßvollen – Vom-Hundert-Satz des Einheitswerts als Grundbetrag vorschreibt, so beruht dies auf dem Gedanken, daß dieser Wert auf längere Sicht gesehen unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Bewirtschaftungskosten dem Betrag entspricht, der dem Eigenwohner eine noch angemessene Nettoverzinsung des in dem Einfamilienhaus angelegten Kapitals verschafft (vgl. BVerfGE 9, 3 ≪16≫). Da bei der Einheitswertfeststellung für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens Schulden nicht berücksichtigt werden, erscheint es sachgerecht, daß bei der Einkunftsermittlung vom Grundbetrag nur Schuldzinsen, nicht aber sonstige Bewirtschaftungskosten als Werbungskosten abgezogen werden können. Daß der Schuldzinsenabzug auf den Grundbetrag beschränkt ist und daß Schuldzinsen, die über den Grundbetrag hinausgehen, für die Ermittlung der Einkünfte (des Verlusts) aus Vermietung und Verpachtung verloren gehen, daß dem Eigentümer das Wohnen im eigenen Einfamilienhaus die „verlorenen” Schuldzinsen wert ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es jeweils als zeitgemäß und allgemein üblich anzusehen ist, beim Erwerb oder der Anschaffung eines Einfamilienhauses mehr Eigenkapital oder mehr Fremdkapital einzusetzen. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1958 beruht nicht auf der Voraussetzung, daß bei der Anschaffung oder Herstellung eines Einfamilienhauses die Kosten im allgemeinen nur bis zu einem gewissen Grade durch Kreditaufnahme finanziert würden. Vielmehr ist die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs auf die Höhe des Grundbetrags beim eigenbewohnten Einfamilienhaus unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Kapitalverzinsung auch in den Fällen für sachlich gerechtfertigt erklärt worden, in denen der Eigentümer sein Einfamilienhaus mit erheblichem Fremdkapital gebaut oder erworben hat (so ausdrücklich BVerfGE 9, 3 ≪19≫).

Für die Verhältnisse des Jahres 1974 gilt nichts anderes, auch wenn man berücksichtigt, daß die Rentierlichkeit von Geldkapital und Grundvermögen große Unterschiede aufweist und daß im Jahre 1974 bei voll fremdfinanzierten Wohnungsneubauten die am Markt erzielbare Wohnungsmiete vielfach die durch die Schuldzinsen drastisch erhöhten Bewirtschaftungskosten nicht erreichen konnte (vgl. Zehendner, BB 1974, S. 1158 ≪1160≫). Unter diesen Umständen wirkt sich allerdings die auf dem Gesichtspunkt einer angemessenen Kapitalverzinsung beruhende Einfamilienhausbesteuerung nachteilig für den Eigenwohner aus. Daß er zu derartigen Nachteilen kommen kann, hat das Bundesverfassungsgericht nicht verkannt. Es ist aber davon ausgegangen, daß der Eigenwohner das Fremdkapital tilgt und seine Zinsbelastung kontinuierlich verringert, so daß auf diese Weise nach und nach die anfängliche Schlechterstellung des zinsbelasteten Eigenwohners durch die Steuervorteile die die Einfamilienhausbesteuerung bei einem schuldenfreien Objekt mit sich bringt, aufgewogen wird (BVerfGE 9, 3≪19≫). Auch wenn dieser Ausgleich nicht immer stattfindet, etwa wenn das Einfamilienhaus nach dem Abbau der Schulden alsbald vermietet, veräußert oder zu einem Zwei- oder Mehrfamilierhaus umgebaut wird, ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, für die Dauer der Eigennutzung die Besteuerung nach Durchschnittswerten (§ 21 a EStG) anzuordnen. Er darf davon ausgehen, das sich der Steuerpflichtige zweckmäßig und nicht fehlerhaft in bezug auf die steuerlichen Folgen verhält (BVerfGE 27, 111 ≪131≫). Ob der Gesetzgeber die denkbar gerechteste, vernünftigste oder zweckmäßigste Regelung getroffen hat, kann das Bundesverfassungsgericht nicht nachprüfen (vgl. BVerfGE 1, 14 ≪52≫).

Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, im Falle der Eigennutzung von zwei Eigentumswohnungen, die sich nebeneinander auf einem Stockwerk befinden, § 21 a EStG 1974 anzuwenden. Unter besonderen Verhältnissen kann ein Wohnungseigentum zwei Wohnungen enthalten und steuerrechtlich der Grundstücksart „Zweifamilienhaus” (§ 75 Abs. 1 Nr. 5 BewG) zuzuordnen sein (vgl. Stöckel, Die Abgrenzung des Einfamilienhauses vom Zweifamilienhaus, DStZ 1984, S. 508 ≪511≫). Wenn das Finanzgericht davon ausgegangen ist, daß derartige Verhältnisse im Ausgangsfall nicht vorlagen, handelt es sich um eine im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht nachprüfbare Feststellung und Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫), die keine Grundrechtsverletzung erkennen läßt. Es verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG, daß nach § 21 a EStG 1974 die Besteuerung des Eigenwohners noch nicht auf Zweifamilienhäuser ausgedehnt war (vgl. § 21 a EStG i.d.F. des Art. 26 Nr. 8 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22. Dezember 1981 – BGBl. I S. 1523 –).

Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

NJW 1985, 1891

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