Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberatungsgesellschaft vor dem BFH nicht vertretungsbefugt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, daß Gesellschaften nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht zur Vertretung von Mandanten vor dem Bundesfinanzhof zugelassen sind.

2. Es ist ausschließlich eine Entscheidung der erkennenden Fachgerichte, ob sie eine Vollmacht im konkreten Fall als auslegungsfähig ansehen und ob sie eine Auslegung vornehmen. Selbst wenn sich hierbei unterschiedliche Handhabungen ergeben, verstößt dies – im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG – nicht gegen die Verfassung.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 12.11.1976; Aktenzeichen III R 15/76; BFHE 120, 335)

 

Gründe

Es verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, daß Gesellschaften nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht zur Vertretung von Mandanten vor dem Bundesfinanzhof zugelassen sind. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert: sie wollte im Interesse eines beschleunigten und vereinfachten Verfahrensablaufs sowie im Interesse der Mandanten sicherstellen, daß vor dem Bundesfinanzhof nur qualifizierte natürliche Personen auftreten. Die privatrechtliche Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor. Sachverhalt und Rechtsfragen, mit denen sich der 3. Senat des Bundesfinanzhofs in der angegriffenen Entscheidung zu befassen hatte, wichen auf Grund des gesamten Verfahrensablaufs und der unmißverständlichen Erklärung des Rechtsanwalts X., die am 10. Mai beim Bundesfinanzhof einging, deutlich von den Entscheidungen des 2. und 6. Senats des Bundesfinanzhofs ab, so daß eine Vorlage an den Großen Senat des Bundesfinanzhofs nicht in Betracht kam. Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Beschwerdeführer hatten offensichtlich alle Möglichkeiten, sich vor Gericht zu äußern. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, die Beteiligten über eine beabsichtigte Rechtsentscheidung zu hören oder Hinweise auf eine bestimmte Rechtsauffassung des Gerichts zu geben. Im übrigen betreffen die Rügen der Beschwerdeführer die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die für das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt überprüfbar sind. Es ist ausschließlich eine Entscheidung der erkennenden Fachgerichte, ob sie eine Vollmacht im konkreten Fall als auslegungsfähig ansehen und ob sie eine Auslegung vornehmen. Selbst wenn sich hierbei unterschiedliche Handhabungen ergeben, verstößt dies – im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG – nicht gegen die Verfassung. Es ist nicht willkürlich, daß das erkennende Fachgericht im konkreten Fall angesichts des Verfahrensablaufs und der eindeutigen Äußerung des Rechtsanwalts X. keine Möglichkeit zur Auslegung der Vollmacht gesehen hat. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG ist damit ebenfalls nicht feststellbar (BVerfGE 10, 264 [267 f.]). Sonstige Grundrechtsverstöße sind weder gerügt noch ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1621162

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