Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel eines Freiberuflers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Veräußert ein Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, nachdem er 26 Eigentumswohnungen, von deren Verkauf er im Rahmen seiner Berufstätigkeit erfahren und die er in vollem Umfang fremd finanziert erworben hat, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb drei und innerhalb weiterer neun Monate zusätzlich zwei Objekte, so erzielt er insoweit Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel. Der Fünfjahreszeitraum stellt keine absolute Grenze dar.

2. Die indizielle Bedeutung der Zahl der Objekte und des zeitlichen Zusammenhangs im Fall des gewerblichen Grundstückshandels verletzen nicht den sachlichen Gehalt von Grundrechten; diese Indizwirkung kann vom Steuerpflichtigen durch besondere Umstände des jeweiligen Einzelfalls widerlegt werden.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 09.05.2001; Aktenzeichen XI R 34/99; BFH/NV 2001, 1545)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Mit der Verfassungsbeschwerde wird die Entscheidung des Bundesfinanzhofs angegriffen, wonach gewerblicher Grundstückshandel nicht nur dann vorliegt, wenn mehr als drei Immobilien innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb verkauft werden, sondern auch dann anzunehmen ist, wenn – wie im Ausgangsfall – innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb zunächst drei Eigentumswohnungen und zwei weitere Wohnungen innerhalb des nachfolgenden Jahres veräußert werden. Im Ausgangsfall führte dies dazu, dass das beklagte Finanzamt dem Beschwerdeführer in den Jahren 1989 und 1990 die Absetzungen für Abnutzung versagte.

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen die Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte des Beschwerdeführers gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 ff.≫).

1. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch das Urteil des Bundesfinanzhofs rügt, ist sie mangels hinreichender Substantiierung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG unzulässig. Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Revisionsinstanz gerügt und wird vorgetragen, der Bundesfinanzhof sei entgegen § 118 Abs. 2 FGO von einem anderen Sachverhalt als das Finanzgericht ausgegangen und habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, ist der die geltend gemachte Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert darzulegen (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫). Dieser Verpflichtung ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.

a) Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass der Bundesfinanzhof in seinem Fall nicht von gewerblichem Grundstückshandel habe ausgehen dürfen, weil er innerhalb von fünf Jahren lediglich drei Eigentumswohnungen veräußert und erst nach Ablauf dieses Zeitraums zwei weitere Objekte verkauft habe, macht er geltend, dass der Bundesfinanzhof zu Unrecht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG angenommen habe. Damit wendet sich der Beschwerdeführer im Ausgangsfall gegen die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts.

Im Steuerrecht sind Finanzgerichte im Rahmen und nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigung zur typisierenden Gesetzesauslegung berechtigt (vgl. BVerfGE 78, 214 ≪227 ff., 230 ff.≫). Die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode ist Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Das Bundesverfassungsgericht hat nur zu gewährleisten, dass dabei die Anforderungen des Grundgesetzes eingehalten werden. Da auch die richterliche Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, obliegt die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang gewandelte Verhältnisse neue rechtliche Antworten erfordern, den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht darf deren Würdigung grundsätzlich nicht durch seine eigene ersetzen. Seine Kontrolle beschränkt sich darauf, ob das Fachgericht bei der Rechtsfortbildung den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gefolgt ist und die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert hat (vgl. BVerfGE 96, 375 ≪394 f.≫ – zum Zivilrecht).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lässt das angegriffene Urteil Auslegungsfehler nicht erkennen. Die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erfolgte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Nachhaltigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG überschreitet nicht die Grenze, die der Entwicklung des Rechts durch richterliche Entscheidungen von Verfassungs wegen gesetzt ist. Der Bundesfinanzhof differenziert das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG weiter aus, indem er Nachhaltigkeit auch dann annimmt, wenn innerhalb des Fünfjahreszeitraums zunächst nur drei Objekte, sodann innerhalb des folgenden Jahres zwei weitere Objekte veräußert werden und die sich mit zunehmender Zeitdauer zwischen An- und Verkauf verringernde Indizwirkung durch weitere für gewerblichen Grundstückshandel sprechende Anhaltspunkte ausgleicht.

b) Die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts durch den Bundesfinanzhof verletzt nicht den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht ist bei seiner Gesetzesauslegung weder zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangt (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪269≫ – zum Vermögensgesetz – m.w.N.) noch ist eine Verletzung des Verbots willkürlicher Rechtsanwendung feststellbar (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278 f.≫).

Der Bundesfinanzhof begründet plausibel und nachvollziehbar, weshalb er im Ausgangsfall gewerblichen Grundstückshandel und keine private Vermögensverwaltung annimmt. Er legt dar, dass die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls in Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze dazu führt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr nur vermögensverwaltend tätig gewesen ist. Er führt aus, dass der Fünfjahreszeitraum keine absolute Grenze darstellt, sondern die sich mit der zunehmenden Zeitdauer zwischen An- und Verkauf verringernde Indizwirkung durch zusätzliche Anhaltspunkte, die für gewerblichen Grundstückshandel sprechen können, ausgeglichen werden kann. Diese zusätzlichen Anhaltspunkte sieht er im Ausgangsfall darin, dass der Beschwerdeführer den Erwerb von 26 Eigentumswohnungen in vollem Umfang fremdfinanziert hat. In der vollständigen Fremdfinanzierung sieht er ein gewichtiges Indiz für eine bereits bei Erwerb vorliegende bedingte Verkaufsabsicht, da bei ihr ein Mittelbedarf eintreten kann und infolgedessen ein Teil der erworbenen Objekte veräußert werden muss. Des Weiteren bezieht er die fehlende langfristige Vermietung der Eigentumswohnungen sowie die berufliche Nähe des Beschwerdeführers zur Immobilienbranche in seine Gesamtwürdigung ein. Dem Gesetzgeber verwehrte Differenzierungen oder Willkür sind bei dieser umfassenden Gesamtabwägung nicht ersichtlich.

c) Soweit der Beschwerdeführer rügt, die vom Verkauf der fünf Eigentumswohnungen ausgehende Indizwirkung führe zu einer unwiderlegbaren Vermutung, die die Beweislast umkehre, wendet er sich ebenfalls gegen die Anwendung und Auslegung einfachen Rechts.

Bei der Auslegung und Anwendung gesetzlicher Tatbestände sind Finanzgerichte grundsätzlich berechtigt, strenge beweisrechtliche Anforderungen zu stellen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 – 2 BvR 802/90 –, BStBl II 1996, S. 34 ≪36≫ – zu den Ehegattenarbeitsverträgen). Demgemäß kann der Bundesfinanzhof der Zahl der Objekte und dem zeitlichen Zusammenhang im Fall des gewerblichen Grundstückshandels indizielle Bedeutung beimessen, ohne hierbei den sachlichen Gehalt von Grundrechten zu verletzen. Denn die von den Beweisanzeichen ausgehende Indizwirkung wird zu keiner unwiderlegbaren Vermutung hochgestuft, die zwangsläufig zur Annahme gewerblichen Grundstückshandels führt. Die von der Zahl der Objekte und dem zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung kann vom Steuerpflichtigen durch besondere Umstände des jeweiligen Einzelfalles widerlegt werden.

Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

BFH/NV Beilage 2005, 112

DStRE 2005, 698

DStZ 2005, 276

HFR 2005, 352

NJW 2005, 3060

NZM 2005, 350

BFH/NV-Beilage 2005, 112

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