Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verzinsung von zu erstattenden Abzugsteuern

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger aus der Vollverzinsung im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1997 zeigt keinen Gleichheitsverstoß auf.

 

Normenkette

AO § 233a; EStG § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 3, S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 18.09.2007; Aktenzeichen I R 15/05; BFH/NV 2008, 422)

FG Köln (Urteil vom 27.01.2005; Aktenzeichen 2 K 3316/02; EFG 2005, 677)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die nach Auffassung der Beschwerdeführerin von den angefochtenen Entscheidungen zu Unrecht unterlassene Verzinsung nach § 233a Abgabenordnung (AO). Nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist das Abzugsverfahren nach § 50 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr 1997 maßgeblichen Fassung („Künstler-Pauschalsteuer”) als solches, da der Erstattungsbescheid nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 Satz 8 EStG im Ausgangsverfahren nicht angefochten ist. Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin, das Abzugsverfahren benachteilige sie infolge des Quellensteuerabzugs von 25 % in verfassungswidriger Weise gegenüber beschränkt steuerpflichtigen Künstlern mit geringen Betriebsausgaben oder gegenüber veranlagten beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, gehen daher ins Leere.

2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt im Übrigen, soweit es gegen die unterlassene Verzinsung gerichtet ist, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen. Die Beschwerdeführerin setzt sich weder substantiiert mit der die angefochtenen Entscheidungen tragenden Vorschrift des § 233a Abs. 1 Satz 2 AO und den für diese Regelung maßgeblichen Gründen auseinander (a) noch lässt sich ihrem Vortrag eine Ungleichbehandlung gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen und der inländischen Veranlagung unterliegenden Künstlern entnehmen (b). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Beschwerdeführerin als ausländischer juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich die Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt ist (vgl. BVerfGE 21, 207 ≪209≫; 64, 1 ≪11≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Dezember 2007 – 1 BvR 853/06 –, NVwZ 2008, S. 670; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Mai 2007 – 1 BvR 2485/06 –, juris) und ob und inwieweit dies – wie die Beschwerdeführerin meint – gemeinschaftsrechtlichen Zweifeln begegnet.

a) Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit der die angefochtenen Entscheidungen tragenden Vorschrift des § 233a Abs. 1 Satz 2 AO auseinander, wonach eine Verzinsung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen ausdrücklich unterbleibt. In dieser Herausnahme der Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge durch Satz 2 der Vorschrift aus dem Anwendungsbereich der Vollverzinsung liegt keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den von § 233a AO erfassten Verzinsungsfällen. Der Gesetzgeber hat die Steuerabzugsbeträge bewusst aus dem Anwendungsbereich des § 233a AO herausgenommen. Er hat dies damit begründet, dass dort eine Verzinsung „in aller Regel ins Leere gehe, da die Steuerfestsetzungen beziehungsweise Steueranmeldungen insoweit zeitnah erfolgen” (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 195). Anders als bei Veranlagungssteuern, bei denen üblicherweise ein längerer Zeitraum zwischen dem Entstehen der Steuer und deren Festsetzung liegt und bei denen deshalb eine Verzinsung geboten erscheint, erfolgt die Erstattung von Abzugssteuern regelmäßig so kurzfristig, dass sie in die so genannte Karenzfrist von 15 Monaten des § 233a Abs. 2 AO fiele und deshalb ohnehin zu keiner Verzinsung führte. So soll gerade das vereinfachte Steuererstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 EStG eine Erstattung des Steuerabzugs nicht erst nach Ablauf des den Veranlagungszeitraum bildenden Kalenderjahres ermöglichen, sondern zeitnah, das heißt unmittelbar nach Beendigung einer Veranstaltung oder Veranstaltungsreihe (vgl. dazu Scheurle, IStR 1997, S. 65 ≪66≫). Damit bewegt sich der Gesetzgeber mit der Herausnahme der Steuerabzugsbeträge aus der Vollverzinsung des § 233a AO im Rahmen des ihm im Steuerrecht eröffneten Gestaltungs- und Pauschalierungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 120, 1 ≪29 f.≫ m.w.N.).

b) Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, sie werde als beschränkt Steuerpflichtige durch den Ausschluss der Vollverzinsung im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG schlechter gestellt als unbeschränkt Steuerpflichtige im Inland, die Vorauszahlungen leisteten und veranlagt würden, zeigt keinen Gleichheitsverstoß auf. Die Beschwerdeführerin vergleicht insoweit nur die dem Abzugsverfahren unterliegenden Steuerpflichtigen mit den einem Veranlagungsverfahren unterliegenden Steuerpflichtigen, verkennt aber, dass beide Gruppen nicht vergleichbar sind. Im Übrigen werden beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige in § 233a Abs. 1 Satz 2 AO gleich behandelt.

Der Gesetzgeber hat das Erstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG bewusst nicht als Veranlagungsverfahren, sondern als vereinfachtes Steuererstattungsverfahren ausgestaltet. Beide Verfahren sind vom Gesetzgeber unterschiedlich geregelt worden und daher nicht vergleichbar. Das Erstattungsverfahren nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG ist auf den sachlichen Umfang des Steuerabzugsverfahrens beschränkt und bezieht sich – anders als ein Veranlagungsverfahren – nicht auf die persönliche Steuerpflicht in einem Veranlagungszeitraum. Das Steuerabzugsverfahren umfasst auch nur die an den Künstler einmalig gezahlte Vergütung, nicht sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen während eines bestimmten Zeitraums. Zwar war ursprünglich für beschränkt Steuerpflichtige die Einführung eines Veranlagungsverfahrens angedacht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des JStG 1997, BTDrucks 13/4839, S. 78 f.). Davon hat der Gesetzgeber aber bewusst Abstand genommen, um eine einfache und schnelle Abwicklung schon während des laufenden Veranlagungszeitraums zu ermöglichen. Die bei beschränkt Steuerpflichtigen aufgrund der Einbeziehung (weltweiter) ausländischer Einkünfte in den Steuersatz (Progressionsvorbehalt) regelmäßig schwierige Veranlagung sollte vermieden werden (vgl. BTDrucks 13/5359, S. 124).

Soweit die Beschwerdeführerin daher eine Ungleichbehandlung daraus herleiten will, dass ein beschränkt Steuerpflichtiger anders als ein Steuerinländer nicht der Veranlagung unterliegt, übersieht sie, dass diese Ungleichbehandlung nicht aufgrund der Vorschrift des § 233a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AO eintritt, sondern ihre Ursache allein in der Ausgestaltung des Abzugsverfahrens bei der „Künstler-Pauschalsteuer” nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG als Erstattungsverfahren – und nicht als Veranlagungsverfahren – hat (kritisch hierzu Grams, DStZ 1997, S. 635 ff.), das aber nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist.

Von einer weiteren Begründung – insbesondere auch zu den nicht durchgreifenden Rügen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der Nichtvorlage verschiedener Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Eichberger, Masing

 

Fundstellen

BFH/NV 2009, 2115

HFR 2010, 66

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