Beteiligte

Berufungsausschuß für Ärzte im Regierungsbezirk Freiburg

6. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.

7. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.

1. Kassenärztliche Vereinigung Südbaden

3. Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg

4. Innungskrankenkasse Baden-Württemberg

5. Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse

2. AOK Baden-Württemberg – Hauptverwaltung–

 

Tenor

Die Klägerin hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Nach § 193 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluß über die Kosten, wenn sich der Rechtsstreit anders als durch Urteil erledigt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Es entspricht billigem Ermessen, daß die Klägerin auf der Grundlage des § 193 Abs 4 Satz 2 SGG dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten hat, weil dessen Revision voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.

Die als Ärztin mit der Zusatzbezeichnung „Homöopathie” in F. g niedergelassene Klägerin hat sich im Klageverfahren gegen einen Bescheid des beklagten Berufungsausschusses gewandt, mit dem ihr die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen worden ist. Der Beklagte hat die Entziehung der Zulassung darauf gestützt, daß die Klägerin für die Erhebung von Erst- bzw. Folgeanamnesen im Rahmen homöopathischer Behandlungen Privatliquidationen vorgenommen habe. Die Klägerin hat diesen Sachverhalt nicht in Abrede gestellt, sondern die Auffassung vertreten, wegen der unzureichenden Honorierung der Erst- bzw Folgeanamnesen im Rahmen einer homöopathischen Behandlung in den Vertragsgebührenordnungen stelle die Privatliquidation keine unzulässige Zuzahlung dar. Der Aufwand von 2 bis 3 Stunden für eine Erstanamnese sei in der Ordinationsgebühr, die allein gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Ansatz gebracht werden könne, nicht angemessen abgedeckt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Es hat angenommen, die unzureichende Honorierung der homöopathischen Erst- bzw Folgeanamnesen in den Vertragsgebührenordnungen beruhe auf einer mißbräuchlichen Ausübung der Bewertungskompetenz seitens des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und stelle eine Benachteiligung einer ärztlichen Minderheitengruppe, nämlich der homöopathisch tätigen Ärzte, dar. In diesem Fall des Systemversagens, in dem der Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) keine oder jedenfalls keine angemessene Vergütung für eine Leistung vorsehe, und die zuständigen Gremien trotz jahrelanger Bemühungen aus „gruppenegoistischen Motiven” untätig geblieben seien, sei das Ausweichen eines Vertragsarztes auf die Privatliquidation gerechtfertigt.

Mit seiner Revision gegen dieses Urteil hätte der Beklagte voraussichtlich obsiegt. Das Verhalten der Klägerin, bei Erhebung von homöopathischen Erst- und Folgeanamnesen Beratungsleistungen nach den Nrn 1 bzw 851 EBM-Ä gegenüber der KÄV abzurechnen und im übrigen von den Patienten zusätzlich ein Honorar zu fordern, steht in Widerspruch zu § 18 Abs 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 21 Abs 3 Arzt/-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä). Danach darf der Vertragsarzt für vertragsärztliche Leistungen mit Ausnahme der Zuzahlung bei Massagen, Bädern und Krankengymnastik, die als Bestandteil der ärztlichen Behandlung erbracht werden, von Versicherten keine Zuzahlung fordern. Dieses Gebot ist, wie der Senat in mehreren Urteilen vom 14. März 2001 (ua B 6 KA 36/00 R) dargelegt hat, für den einzelnen Vertragsarzt verbindlich. Mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist der Arzt nach § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für ihn verbindlich (aaO Satz 2). Ein Vertragsarzt, der seine vertragsärztlichen Pflichten iS des § 95 Abs 3 SGB V gröblich verletzt, kann nicht mehr Vertragsarzt sein. Ihm ist deshalb nach § 95 Abs 6 SGB V die Zulassung zu entziehen (vgl BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12/13).

Dieser Verpflichtung hat der beklagte Berufungsausschuß hier entsprochen. Er hat im Hinblick auf unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Zulässigkeit von Privatliquidationen bei homöopathischen Erst- und Folgeanamnesen und unter Berücksichtigung des Umstands, daß die zu 1. beigeladene KÄV im Unterschied zu den beigeladenen Krankenkassen (KKn) bzw KKn-Verbänden das Verhalten der Klägerin als vertretbar bewertet hatte, der Klägerin ausdrücklich Gelegenheit gegeben, sich durch eine Erklärung von ihrem Verhalten in der Vergangenheit zu distanzieren und für die Zukunft verbindlich zu erklären, keine Privatliquidationen mehr vorzunehmen. Die Klägerin hat diesem Vorschlag nicht zugestimmt. Sie hat damit zu erkennen gegeben, daß sie ihr mit den verbindlichen Vorgaben für die vertragsärztliche Tätigkeit unvereinbares Verhalten ungeachtet der Rechtsauffassung des für sie zuständigen Zulassungsgremiums fortsetzen würde. Wenn ein Vertragsarzt nach einer eindeutigen, nicht mißzuverstehenden Belehrung seitens des (auch) für die Beurteilung vertragsärztlicher Pflichtverstöße zuständigen Berufungsausschusses nicht bereit ist, sein Verhalten darauf einzustellen, ist den KKn eine Zusammenarbeit mit ihm – soweit sich die rechtliche Beurteilung des ärztlichen Verhaltens durch den Berufungsausschuß als zutreffend erweist – nicht mehr zumutbar. Ihm ist deshalb nach der Rechtsprechung des Senats die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen (vgl BSGE aaO = SozR aaO).

Die Zulassungsentziehung hätte trotz ihrer gravierenden Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützte (Art 12 Abs 1 Grundgesetz) Berufsfreiheit der Klägerin voraussichtlich einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand gehalten. Das vertragsärztliche System ist nur funktionsfähig, wenn sich alle Beteiligten an die für sie verbindlichen Regelungen halten. Ein Arzt, der trotz entsprechender Belehrung über seine Pflichten dabei verbleibt, sich vertragsärztliche Leistungen, die er gegenüber der KÄV abrechnet, zusätzlich vom Patienten honorieren zu lassen, ist für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu dem das vertragsärztliche System prägenden Sachleistungsprinzip (§ 2 SGB V), wonach die KKn den Versicherten die erforderlichen, ua ärztlichen Behandlungsleistungen als Sachleistungen zur Verfügung stellen, sich zu diesem Zweck der zugelassenen Leistungserbringer bedienen, deren Vergütung wiederum in normativ geltenden Verträgen zwischen den Organisationen der Leistungserbringer und den KKn als Kostenträgern ausgehandelt wird. Wenn ein Arzt die Differenz zwischen der ihm für eine vertragsärztliche Behandlung zustehenden und der von ihm persönlich für angemessen gehaltenen Vergütung vom Patienten verlangt, erweckt er bei den Versicherten den Eindruck, trotz Zahlung hoher Krankenversicherungsbeiträge (bis zu 880,– DM pro Monat im Jahre 2001 bei einem Beitragssatz von 13,5 %) ohne weitere Zuzahlungen keine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung iS des § 12 Abs 1 SGB V erhalten zu können. Mit einem Arzt, der auf diese Weise die Angewiesenheit der Patienten auf seine Behandlung zu seinem persönlichen Vorteil ausnutzt und ein Versorgungssystem delegitimiert, das die Versicherten und die Arbeitgeber mit ihren Beiträgen finanzieren und von dem die Leistungserbringer profitieren (vgl Beschluß des BVerfG vom 20. März 2001 – 1 BvR 491/96 –), müssen die Krankenkassen nicht mehr zusammenarbeiten.

Im übrigen ist einem Arzt, der mit der Konkretisierung der für die vertragsärztliche Tätigkeit allgemein geltenden rechtlichen Maßstäbe durch die für ihn zuständigen Körperschaften bzw Institutionen im Einzelfall nicht einverstanden ist, zuzumuten, sich um eine Klärung ggf unter Einschaltung der SGe zu bemühen. Hierfür kann die Feststellungsklage iS des § 55 SGG ein geeigneter Weg sein. Wer indessen nach Hinweis des Berufungsausschusses auf die Beurteilung der Rechtslage sein Verhalten in der Erwartung fortsetzt, letztlich im gerichtlichen Verfahren gegen die Entscheidung der Zulassungsgremien zu obsiegen, nimmt den Verlust der Zulassung für den Fall bewußt in Kauf, daß sich sein Rechtsstandpunkt im Ergebnis nicht durchsetzt. Der Erwägung des SG, die Klägerin habe sich gezielt im Interesse der Fachgruppe zur Klärung der Sachlage „geopfert”, hätte der Senat voraussichtlich nicht folgen können. Das vom SG so beschriebene „Opfer” ist über Jahre hinweg zu Lasten der Versicherten, insbesondere der zu 6. und 7. beigeladenen Ersatzkassenverbände gegangen, von denen die Klägerin verlangt hat, für vertragsärztliche Behandlungen ohne Rechtsgrundlage Zuzahlungen zu leisten. Ein rechtlicher Gesichtspunkt, unter dem den KKn die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Klägerin hätte zugemutet werden können, wenn diese nicht im Revisionsverfahren verbindlich erklärt hätte, ihre Zuzahlungspraxis zu beenden und einen nicht unerheblichen Betrag zur Schadenswiedergutmachung leisten zu wollen, ist nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

MedR 2003, 242

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