Rn 13

Die Gefahr bei der Stellung eines Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung lag bisher hauptsächlich darin, dass der Schuldner stets damit rechnen musste, dass das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen für deren Anordnung nicht annahm und stattdessen ein vorläufiges Insolvenzverfahren einschließlich Sicherungsmaßnahmen anordnete, wodurch nicht nur der Schuldner aus der Leitungsposition verdrängt wurde, sondern die Insolvenz wegen der Veröffentlichung der Sicherungsmaßnahmen auch gleich publik wurde. Deswegen bestand wenig Neigung, einen Insolvenzantrag schon bei (bloß) drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Da jedoch Einigkeit darüber herrscht, dass die besten Unternehmenssanierungen "früh, still und schnell"[26] geschehen, unternimmt das Gesetz nunmehr den Versuch, den Schuldner möglichst frühzeitig in das gerichtlich begleitete Insolvenzverfahren zu bewegen. Es soll vor allem der Gefahr begegnet werden, dass der Schuldner bei drohender Zahlungsunfähigkeit weiter wirtschaftet, bis auch im Insolvenzverfahren keine Sanierungschancen mehr bestehen.[27]

 

Rn 14

Beantragt daher der Schuldner schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und verbindet er dies mit dem Antrag auf Eigenverwaltung, muss das Gericht dem Schuldner mitteilen und die Gründe hierfür nennen, dass es die Eigenverwaltung ablehnen will. Die Begründung dieser Mitteilung ist erforderlich, weil der Schuldner so die Gelegenheit zur Rücknahme des Insolvenzantrags oder zur Beseitigung der Hindernisse erhält,[28] bzw. ohne dass der Insolvenzantrag öffentlich wird, die Sanierungsbemühungen außerhalb des Insolvenzverfahrens selbst weiter vorantreiben kann. Die Formulierung "bei" drohender Zahlungsunfähigkeit (nicht: "wegen") legt nahe, dass das Gericht vor Erteilung des Hinweises zu prüfen hat, ob nicht doch bereits tatsächlich Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, um in der Konsequenz bei vorliegender Zahlungsunfähigkeit den Hinweis zu unterlassen und Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Das kann jedoch wegen der für den Schuldner erhöhten Planungssicherheit nicht gewollt sein. Es ist auch nicht erforderlich, weil der Schuldner selbst bei tatsächlich vorliegender Zahlungsunfähigkeit noch zur Rücknahme des Insolvenzantrages befugt wäre und ihm kein Insolvenzverfahren vom Amts wegen aufgezwungen werden darf.

 

Rn 15

Dem Wortlaut nach hat das Gericht seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen. Da das Gesetz dem Schuldner jedoch gerade die Möglichkeit geben möchte, nicht aus dem Unternehmen gedrängt zu werden,[29] wird das Gericht gehalten sein, dem Schuldner nicht erst vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Anordnung der Eigenverwaltung Mitteilung zu machen, sondern bereits früher,[30] vor jeglichen in den Rechtskreis des Schuldners eingreifenden Anordnungen, also insbesondere vor Bestellung eines vorläufigen Sachwalters.

 

Rn 16

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers wird die Vorschrift vor allem für natürliche Personen Bedeutung erlangen, weil insbesondere Einzelkaufleute und freiberufliche Unternehmer, die nicht der Antragspflicht nach § 15a InsO unterfallen, größere Planungssicherheit erhalten. Bei anderen Schuldnern wird eine Rücknahme des Eröffnungsantrags häufig daran scheitern, dass zusätzlich zur drohenden Zahlungsunfähigkeit auch Überschuldung vorliegt und damit nach § 15a InsO eine Pflicht zur Stellung eines Eröffnungsantrags besteht.[31]

[26] Karsten Schmidt, BB 2011, 1603, 1604.
[27] BegrRegE, BT-Drs. 17/5712, S. 39 f.
[28] BegrRegE, BT-Drs. 17/5712, S. 39 f.
[29] BegrRegE, BT-Drs. 17/5712, S. 39 f.
[30] Vgl. Frind, ZInsO 2011, 656, 660.
[31] BegrRegE, BT-Drs. 17/5712, S. 39 f.

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