1 Einführung

 

Rz. 1

Die Begriffe "Bilanzberichtigung" und "Bilanzänderung" entstammen dem Steuerrecht.[1] Der Steuergesetzgeber spricht zwar selbst nur von der Bilanzänderung. Gleichwohl unterscheiden Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Literatur diesen Oberbegriff in Bilanzberichtigung und Bilanzänderung.[2]

 

Rz. 2

Handelsrechtlich wird dagegen typisierend von der Änderung des Jahresabschlusses gesprochen. Der handelsrechtliche Änderungsbegriff ist dahingehend weiter gefasst als der steuerrechtliche Änderungsbegriff.[3] Es kommt hierbei jede Änderung von Form und/oder Inhalt eines bereits festgestellten Jahresabschlusses in Betracht. Im Einzelnen können somit Bilanz- und GuV-Posten sowie Anhangangaben einschließlich der verbalen Erläuterungen geändert werden. Die Änderungen können sich im Einzelnen sowohl auf eine fehlerfreie als auch auf eine fehlerhafte Bilanzierung (einzelner Vermögensgegenstände oder Schulden) erstrecken. Aber auch die nachträgliche Änderung des Jahresabschlusses aus anderen Gründen, z. B. die Einstellung von Beträgen in Kapital- oder Gewinnrücklagen, die Entnahme von Beträgen aus diesen Rücklagen, die Änderung der Beteiligungen von Gesellschaftern einer Personengesellschaft am Gesellschaftsvermögen, ist möglich. Die vorgenommenen Änderungen unterliegen grundsätzlich denselben Vorschriften wie sie für die Aufstellung des zu ändernden Jahresabschlusses verbindlich sind. Die ledigliche Korrektur von offensichtlichen (Recht-)Schreibfehlern ist dagegen nicht als Änderung i. d. S. zu verstehen.

[2] Vgl. Schoor, StBP 2016, S. 221.
[3] Vgl. IDW RS HFA 6, Rz. 5.

2 Anpassung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses

2.1 Begriffsbestimmungen

 

Rz. 3

Handelsrechtlich findet der Oberbegriff der Änderung des Jahresabschlusses Verwendung. Darunter ist jede Änderung von Form und Inhalt nach Feststellung bzw. Billigung eines geprüften Jahresabschlusses zu verstehen. Im Einzelnen kann es sich sowohl um die Änderung fehlerfreier als auch fehlerhafter Bilanzierung handeln, aber auch um die Änderung des Abschlusses aus anderen Gründen. Bei Nichtigkeit des Jahresabschlusses ist eine Änderung dem Grunde nach nicht möglich. Nichtige Jahresabschlüsse müssen grundsätzlich durch wirksame ersetzt werden.[1]

 

Rz. 4

Nach Vorlage eines rechtsgültigen Abschlusses ist bezüglich der Änderungsmöglichkeiten zum einen in fehlerfreie und zum anderen in fehlerhafte Abschlüsse zu differenzieren.[2] Was unter einem "Fehler" in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, wird in der Kommentierung und auch in der deutschen Standardsetzung nicht hinreichend beantwortet. Hier scheint nach Hoffmann/Lüdenbach[3] eine negative Abgrenzung in Anlehnung an die einschlägigen Definitionen der IAS/IFRS nachvollziehbar. Diese unterscheiden einerseits zwischen einer Neueinschätzung von Sachverhalten nach IAS 8.36 f. (changes in accounting estimates) und andererseits zwischen einer originären Fehlerkorrektur (correction of errors) in IAS 8.42.

 

Rz. 5

Nach diesen Unterscheidungskriterien liegt in der lediglichen Anpassung von vorgenommenen Einschätzungen kein "Fehleranerkenntnis", im Gegenteil: Die frühere Einschätzung über die zukünftige Entwicklung, die mit Bewertungsfolgen für einen Bilanzposten verbunden ist, macht den damaligen Wertansatz nicht falsch. Dies folgt bereits aus dem Wesen einer Schätzung, die aus der Sicht des finalen Ergebnisses nur ausnahmsweise vollständig "richtig" ist, oder anders ausgedrückt: Es kann nicht den einen richtigen Wert geben, sondern nur eine "richtige" – oft sehr weite – Bandbreite richtiger Werte. Eine Fehlerhaftigkeit – wenn überhaupt – liegt des Weiteren auch nur bei Überschreiten einer Wesentlichkeitsgrenze vor.[4]

 

Rz. 6

Die Abkehr vom steuerlich geprägten sog. subjektiven Fehlerbegriff hinsichtlich Rechtsfragen betreffend die Steuerbilanz durch den Großen Senat des BFH[5] hat indes keine reflexartige Auswirkung auf die Handelsbilanz.[6] Vom Beschluss des BFH unberührt wird somit handelsrechtlich weiter (auch) subjektiv bilanziert werden können, soweit die eingeschlagene Bilanzierung auf eine – nicht völlig abwegige – Auffassung des Schrifttums gestützt werden kann – unterstellt, dass eine gerichtliche und damit letztliche Klärung nicht vorliegt. Fehlerbehaftet i. d. S. ist die vorgenommene Bilanzierung somit erst dann, falls diese (einstimmig) von den einschlägigen Literaturauffassungen verworfen respektive kategorisch verneint wird.[7] Eine handelsrechtlich subjektive Bilanzierungsweise kann dadurch grundsätzlich als zulässig vertreten werden. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass auch strukturbedingte, dem zeitlichen Faktor geschuldete Diskrepanzen zwischen handels- und steuerrechtlicher Bilanzierung, z. B. ein lediglich prospektiv wirkendes Urteil des BGH in Abkehr vom subjektiven (handelsbilanziellen) Fehlerverständnis oder dem Auseinanderfallen einer sich hinauszögernden finalen Steuerfestsetzung und dem akuten handelsrechtlichen Bedürfnis auf eine kurzfristig zur Verfügung stehende Entscheidungsgrundlage, vorliegen können.[8]

 

Rz. 7

Die Absage an den subj...

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