Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtschuldnerischer Ausgleichsanspruch des die gemeinsamen Schulden der Ehepartner allein bedienenden Ehegatten nach dem Scheitern der Ehe; rückwirkende Geltendmachung

 

Leitsatz (amtlich)

Ausgleichsansprüche eines die gemeinsamen Schulden der Ehepartner allein bedienenden Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, die während intakter Ehe ausgeschlossen waren, weil das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert war, leben mit dem Scheitern der Ehe wieder auf, wenn nicht an die Stelle der mit der ehelichen Lebensgemeinschaft zusammenhängenden Besonderheiten andere rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse treten, aus denen sich i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB etwas anderes ergibt als der hälftige Ausgleich.

Eines Hinweises des zahlenden an den anderen Ehegatten, er werde die gemeinsamen Schulden wegen des Scheiterns der Ehe nicht mehr alleine tragen, bedarf es für die – auch rückwirkende – Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nicht (Fortführung von BGHZ 87, 265).

 

Normenkette

BGB § 426 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 10.12.1992)

LG München I

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.

Die Anschlußrevision des Klägers wird nicht angenommen, soweit die Berufung wegen des 4 % übersteigenden Zinsanspruchs zurückgewiesen worden ist.

Auf die Anschlußrevision des Klägers wird das erwähnte Urteil aufgehoben, soweit das Berufungsgericht die Klage wegen eines Teilanspruchs für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und insofern die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen hat (Nr. III und V des Entscheidungssatzes).

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 26.179,63 DM zu zahlen zuzüglich 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 7. September 1989. Im übrigen (wegen des weitergehenden Zinsanspruchs) wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der beiden Rechtsmittelinstanzen. Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 1/13, die Beklagte 12/13.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Ehe der Parteien wurde 1993 rechtskräftig geschieden. Der Scheidungsantrag der Beklagten wurde dem Kläger am 3. Oktober 1986 zugestellt. Der Kläger betreibt eine gutgehende Steuerberaterpraxis. Die Beklagte arbeitet zur Zeit als Buchhalterin.

Zur Zeit ihres Zusammenlebens haben die Parteien – auch aus steuerlichen Gründen – mehrere Immobilien erworben. Bezüglich dreier dieser Immobilien sind sie zu gleichen Teilen als Eigentümer im Grundbuch eingetragen: Es handelt sich um ein Einfamilienhaus in G., das die Parteien bis zur Trennung gemeinsam bewohnt haben und das heute die Beklagte allein bewohnt, und um zwei Eigentumswohnungen in E. und M., die vermietet sind. Das Einfamilienhaus und die beiden Eigentumswohnungen sind so finanziert, daß bei den Eigentumswohnungen die monatliche Belastung die eingehende Miete bei weitem übersteigt und daß bei dem Einfamilienhaus die Belastung (es handelt sich zum überwiegenden Teil um eine Leibrente) in etwa dem Mietwert entspricht. Für den Schuldendienst haften die Parteien als Gesamtschuldner, der Kläger zahlte die monatlichen Raten zumindest bis Februar 1991 allein. Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 22. Juni 1987 forderte er die Beklagte auf, sich an den Belastungen des Einfamilienhauses ab September 1986 zu beteiligen. Eine Beteiligung der Beklagten an den Belastungen der beiden Eigentumswohnungen verlangte er im Wege der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 30. August 1989, der der Beklagten am 6. September 1989 zugestellt wurde.

Für das Einfamilienhaus zahlte er für die Monate September 1986 bis Januar 1987 monatlich 3.823,97 DM, für die Monate Februar bis Juli 1987 monatlich 3.832,30 DM. Für die beiden Eigentumswohnungen zahlte er von Januar 1988 bis Juni 1989 zusammen monatlich 2.908,85 DM (1.427,83 DM + 1.481,02 DM). Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Erstattung der Hälfte der von ihm in den genannten Zeiträumen gezahlten Beträge. Hilfsweise stützt er die Klage auf Ausgleichsansprüche wegen von ihm geleisteter Zahlungen für die beiden Eigentumswohnungen für die Zeit ab Juli 1989.

Ein von der Beklagten angestrengter Prozeß wegen Unterhalts während des Getrenntlebens endete am 27. April 1987 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte als Aufstockungsunterhalt 1.000 DM monatlich zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vergleich unter Nr. 4: „Etwaige Ausgleichsansprüche aus Miteigentum werden von diesem Vergleich nicht berührt.” Auf Antrag der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits (der damaligen Klägerin) wurde im Wege der Protokollberichtigung zu Nr. 4 des Vergleichs folgender Satz hinzugefügt: „Mit der in diesem Punkt getroffenen Vereinbarung erkennt die Klägerin solche Ansprüche nicht an.”

Die Parteien sind sich darüber einig, daß mit „Ausgleichsansprüchen aus Miteigentum” Ansprüche gemeint waren, die dem Kläger aus § 426 BGB zustehen könnten, weil er allein die Schulden für die im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Immobilien bediente.

Bei Abschluß des Vergleichs gingen die Parteien davon aus, daß die Beklagte (einschließlich Nebeneinnahmen) ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 3.500 DM hatte, mit den vom Kläger gezahlten 1.000 DM somit 4.500 DM. Den der Beklagten zustehenden Aufstockungsunterhalt berechneten sie – auf Vorschlag des Familienrichters – nach dem Bedarf der Beklagten. Der Kläger war damit einverstanden, daß die Beklagte weiter in dem Einfamilienhaus wohnt und an ihn für diese Alleinnutzung keine Entschädigung zahlt.

Die Beklagte meint, wenn dem Kläger – entgegen der von ihr vertretenen Auffassung – der geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zustehen sollte, so sei der abgeschlossene Unterhaltsvergleich nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage der veränderten Situation anzupassen. Der Kläger müsse ihr dann einen um die von ihr zu leistenden Ausgleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen. Mit diesem von ihr geltend gemachten Anspruch auf erhöhte Unterhaltszahlungen erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung. Im übrigen habe der Kläger bei der Berechnung der Klageforderung nicht berücksichtigt, daß er die von ihm geleisteten Zahlungen steuerlich abgesetzt und dadurch einen Vorteil erzielt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bezüglich der wegen des Einfamilienhauses geltend gemachten Ausgleichsansprüche stattgegeben, dem Kläger allerdings aus dem zugesprochenen Betrag nur 4 % Verzugszinsen (statt der eingeklagten 8 %) zugesprochen. Wegen der Ausgleichszahlungen für die beiden Eigentumswohnungen hat es die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt; insoweit hat es die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen. Es geht davon aus, daß bezüglich der Zahlungen für die beiden Eigentumswohnungen noch geklärt werden müsse, ob der Kläger bleibende Steuervorteile dadurch hat, daß er die Aufwendungen für diese Wohnungen steuerlich zunächst voll absetzen konnte.

Mit ihrer Revision will die Beklagte erreichen, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird. Durch Beschluß vom 29. Juni 1994, der dem Kläger am 6. Juli 1994 zugestellt wurde, hat der Senat die Revision der Beklagten angenommen. Mit einem am 2. August 1994 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Anschlußrevision eingelegt, mit der er erreichen will, daß ihm auch die wegen der beiden Eigentumswohnungen geltend gemachten Ausgleichsansprüche – ohne Zurückverweisung an die erste Instanz – zugesprochen werden und daß die Beklagte verurteilt wird, aus dem zugesprochenen Betrag 8 % Verzugszinsen zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers sind statthaft und auch sonst zulässig. Die Zulässigkeit der Anschlußrevision ergibt sich aus § 556 Abs. 1 ZPO. In der Sache bleibt die Revision der Beklagten erfolglos, die Anschlußrevision des Klägers hat überwiegend Erfolg.

I. Zur Revision der Beklagten:

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Parteien hafteten für die in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien im Zweifel zu gleichen Teilen (§§ 426 Abs. 1 Satz 1, 748 f BGB). Ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zwischen Ehegatten werde nicht durch das eheliche Güterrecht verdrängt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 30. September 1987 – IVb ZR 94/86 – FamRZ 1987, 1239 = BGHR BGB § 426 Ehegatten 1; vom 27. April 1988 – IVb ZR 55/87 – NJW-RR 1988, 966; vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 – BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Bestimmung, anderweitige 5 m.w.N.). Während intakter Ehe werde allerdings die Miteigentumsgemeinschaft der Ehegatten an gemeinsam angeschafften Grundstücken durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert. Zahle während intakter Ehe der Ehegatte, der allein oder wesentlich mehr verdiene, die monatlichen Lasten, so sei im allgemeinen davon auszugehen, daß der verdienende Ehegatte die Belastungen im Innenverhältnis allein tragen solle und daß er deshalb keinen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten habe. Mit dem Scheitern der Ehe und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entfalle dieser Grund für die alleinige Haftung. Von diesem Zeitpunkt an lebten deshalb Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 BGB wieder auf. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 87, 265, 270; Senatsurteil vom 13. Januar 1993 aaO; Soergel/M. Wolf BGB 12. Aufl. § 426 Rdn. 26; MünchKomm BGB/Selb, 3. Aufl. § 426 Rdn. 7, jeweils m.w.N.) und werden von der Revision jedenfalls im Grundsatz auch nicht angegriffen.

Weiter führt das Berufungsgericht aus, entgegen der Annahme des Landgerichts habe ein solcher Ausgleichsanspruch des allein zahlenden Ehegatten nicht zur Voraussetzung, daß dieser vor der Zahlung mit Rücksicht auf das Scheitern der Ehe von dem anderen Ehegatten eine Neuregelung bezüglich des Schuldendienstes verlangt habe. Unabhängig davon, wann der allein zahlende Ehegatte zum ersten Mal geltend gemacht habe, daß er nach dem Scheitern der Ehe die monatlichen Belastungen nicht mehr allein tragen wolle, habe er nach § 426 Abs. 1 BGB einen Ausgleichsanspruch auf Erstattung der Hälfte der nach dem Scheitern der Ehe gezahlten Beträge.

Die Ausgleichsansprüche des Klägers seien auch nicht durch den Unterhaltsvergleich ausgeschlossen. Entgegen der Annahme der Beklagten ergebe sich aus diesem Unterhaltsvergleich auch nicht, daß der Kläger der Beklagten zumindest einen um die von ihr zu leistenden Ausgleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen müsse, mit dem sie (hilfsweise) gegen die Klageforderung aufrechnen könne.

Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.

2. Der Senat hatte bisher keine Veranlassung, sich ausdrücklich mit der Frage zu befassen, ob die mit Rücksicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft bestehende Verpflichtung eines Ehegatten, gemeinsame Belastungen allein zu tragen, mit dem Scheitern der Ehe und der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohne weiteres endet oder erst dann, wenn er dem anderen Ehegatten mitteilt, wegen des Scheiterns der Ehe werde er die Belastungen nicht mehr allein tragen. Der Senat ist jedoch z.B. in dem bereits erwähnten Urteil vom 13. Januar 1993 erkennbar davon ausgegangen, daß entsprechende Ausgleichsansprüche mit dem Scheitern der Ehe aufleben, ohne daß es irgendeines Handelns des allein zahlenden Ehegatten bedarf. Daran ist festzuhalten. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist für eine anderweitige Bestimmung im Sinne dieser Vorschrift nicht eine besondere Vereinbarung der Beteiligten erforderlich, sie kann sich vielmehr aus dem Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder „aus der Natur der Sache” ergeben, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens (BGHZ 77, 55, 58; Senatsurteile vom 30. September 1987 – IVb ZR 94/86 – FamRZ 1987, 1239, 1240; vom 25. November 1987 – IVb ZR 95/86 – BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 2; MünchKomm BGB/Selb § 426 Rdn. 6, jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall ergab sich bis zum Scheitern der Ehe eine anderweitige Bestimmung ohne besondere Vereinbarung der Parteien aus dem Umstand, daß das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert wurde. Mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft sind diese besonderen, einen abweichenden Verteilungsmaßstab rechtfertigenden Umstände entfallen, so daß die in § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Regelfall angeordnete anteilige Haftung wieder Platz greift (ähnlich BGHZ aaO), es sei denn es bestehen nun anstatt der ehelichen Lebensgemeinschaft andere besondere Umstände, aus denen sich ein vom Regelfall abweichender Verteilungsmaßstab ergibt. Solche Umstände hat die Beklagte nicht vorgetragen (vgl. hierzu auch nachfolgend unter Nr. I 4 und II 2).

Die Beklagte beruft sich zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht zu Unrecht darauf, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Ehegatte, der nach dem Scheitern der Ehe aus dem beiden Ehegatten gehörenden und bisher von beiden gemeinsam bewohnten Haus ausgezogen ist, von dem anderen, weiter in dem Haus wohnenden Ehegatten eine Nutzungsentschädigung erst von dem Zeitpunkt an verlangen kann, in dem er eine Neuregelung der Nutzung des Hauses oder ein „Neuregelungsentgelt” verlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1982 – IX ZR 88/80 – NJW 1982, 1753 f). Die beiden Fälle sind nicht miteinander vergleichbar. Grundsätzlich löst der Umstand, daß ein Teilhaber ein im Miteigentum stehendes Grundstück allein nutzt, keine Entschädigungsrechte des anderen Teilhabers aus (BGHZ 87, 265, 271 m.N.). Nach § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Regelung der Benutzung verlangen, und zwar bei einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch entgegen einer vertraglichen Regelung, an der er mitgewirkt hat (vgl. MünchKomm BGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl. § 745 Rdn. 29 m.N.). Im Falle des § 745 Abs. 2 BGB führen somit veränderte Umstände (hier: die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft) nicht ohne weiteres zu einer Änderung der rechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander; sie berechtigten den durch die Veränderung der Umstände benachteiligten Teilhaber lediglich, eine Neuregelung zu verlangen. Solange er sie nicht verlangt, kann er keine Rechte daraus herleiten, daß die bisherige Regelung oder Handhabung aufgrund der veränderten Verhältnisse nicht mehr angemessen ist.

Eine dem § 745 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung enthält § 426 BGB gerade nicht. Im Rahmen dieser Vorschrift hat vielmehr „die besondere Gestaltung des tatsächlichen Geschehens” – wie bereits ausgeführt ist – von vornherein einen unmittelbaren Einfluß auf die Rechtsbeziehungen der Gesamtschuldner zueinander, ohne daß es in irgendeiner Weise auf eine gestaltende Handlung der Gesamtschuldner ankäme.

Der Revision ist einzuräumen, daß die Mitteilung des allein zahlenden Ehegatten, er werde nach dem Scheitern der Ehe die gemeinsamen Belastungen nicht mehr allein tragen, den anderen Ehegatten veranlassen könnte, sich – z.B. durch das Bilden von Rücklagen – rechtzeitig darauf einzustellen, daß er die gemeinsamen Belastungen nun – auch rückwirkend – mittragen muß. Dieser Gesichtspunkt reicht aber nicht aus, um eine solche Mitteilung zur Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch des zahlenden Ehegatten zu machen. Auch ohne eine solche Mitteilung kann der andere Ehegatte nicht darauf vertrauen, sein Ehepartner werde auch nach dem Scheitern der Ehe und nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die gemeinsamen Schulden weiterhin allein tragen. Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlaß mehr, dem anderen durch die Übernahme seiner Schuldverpflichtungen eine Vermögensmehrung zukommen zu lassen (Senatsurteil vom 13. Januar 1993 a.a.O. m.N.).

3. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht die Zahlungen, die der Kläger im September 1986 vor Zustellung des Scheidungsantrags auf die Belastungen des Einfamilienhauses geleistet hat, bei der Berechnung seines Ausgleichsanspruchs mit berücksichtigt. Im Falle des Scheiterns der Ehe kommen Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 BGB auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 1987 und vom 27. April 1988 aaO; Soergel/M. Wolf § 426 Rdn. 26 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat – von der Revision nicht angegriffen – festgestellt, daß jedenfalls im September 1986 die Ehe der Parteien bereits zerrüttet und die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben war.

4. Zu Unrecht meint die Revision, die vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 BGB seien durch den abgeschlossenen Unterhaltsvergleich ausgeschlossen; anderenfalls ergebe sich zumindest aus diesem Vergleich nach einer Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, daß der Kläger der Beklagten einen um die von ihr zu leistenden Ausgleichszahlungen erhöhten Aufstockungsunterhalt zahlen müsse, mit dem sie hilfsweise gegen die Klageforderung aufrechne. Das Berufungsgericht legt den Unterhaltsvergleich dahin aus, daß die Frage, ob dem Kläger solche Ausgleichsansprüche zustehen oder nicht, gerade ausgeklammert und offengehalten werden sollte und daß der Kläger der Beklagten einen Aufstockungsunterhalt von 1.000 DM im Monat zahlen sollte unabhängig davon, ob die Beklagte sich an dem Schuldendienst für den gemeinsamen Grundbesitz beteiligen müßte. Bei dem Vergleich handelt es sich um einen Prozeßvergleich. Ob die Auslegung eines Prozeßvergleichs in der Revisionsinstanz nur in beschränktem Umfang, also nur darauf überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Ausglegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind, oder ob, weil es sich (auch) um eine Prozeßhandlung handelt, eine Auslegung frei nachprüfbar ist, wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet (vgl. zum Meinungsstand BGH, Urteil vom 28. Juni 1971 – III ZR 103/68 – WM 1971, 1513, 1514; Senatsurteil vom 11. April 1990 – XII ZR 69/68 – BGHR ZPO § 549 Abs. 1 Prozeßvergleich 1). Die Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn der Senat würde der tatrichterlichen Auslegung auch dann folgen, wenn sie voll überprüfbar sein sollte. Aus dem Wortlaut des Vertrages ergibt sich eindeutig, daß der Kläger wegen des von ihm allein geleisteten Schuldendienstes Ausgleichsansprüche gegen die Beklagte angemeldet hatte, daß die Beklagte solche Ausgleichsansprüche nicht anerkannte und daß die Parteien die Frage, ob dem Kläger solche Ausgleichsansprüche zustehen oder nicht, bewußt offengelassen haben. Würde man der von der Revision vertretenen Auslegung des Vertrages folgen, so hätten sich die Parteien im Gegensatz dazu im wirtschaftlichen Ergebnis darauf geeinigt, daß der Kläger die monatlichen Belastungen allein zu tragen habe. Im wirtschaftlichen Ergebnis ist es nämlich gleichgültig, ob Ausgleichsansprüche des Klägers durch den Vergleich ausgeschlossen sind oder ob sie zwar bestehen, aber durch einen entsprechend höheren Unterhalt kompensiert werden.

In der vom Berufungsgericht vorgenommenen, zutreffenden Auslegung steht der Unterhaltsvergleich den Ausgleichsansprüchen des Klägers nicht entgegen. Die von der Revision geltend gemachte Anpassung des Vergleichs nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheidet schon deshalb aus, weil die Parteien den Bestand des Unterhaltsvergleichs gerade nicht davon abhängig machen wollten, daß dem Kläger keine Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 BGB zustehen.

II.

Zur Anschlußrevision des Klägers:

1. Die Annahme der unselbständigen Anschlußrevision des Klägers war abzulehnen, soweit der Kläger mit ihr erreichen will, daß ihm aus dem vom Berufungsgericht zuerkannten Betrag mehr als 4 % Verzugszinsen zugesprochen werden. Insofern hat die Anschlußrevision weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554b ZPO). Die Entscheidung über die Nichtannahme muß nicht in einem vorgeschalteten Beschlußverfahren getroffen werden, sie kann auch nach mündlicher Verhandlung durch Urteil ausgesprochen werden (BGH, Urteil vom 29. September 1992 – XI ZR 265/91 – ZIP 1992, 1534, 1536 m.w.N.).

2. Im übrigen wendet sich die Anschlußrevision des Klägers dagegen, daß das Berufungsgericht die Sache, soweit es Ansprüche des Klägers für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt hat, an die erste Instanz zurückverwiesen hat mit der Begründung, es sei noch aufzuklären, ob der Kläger bleibende Steuervorteile dadurch gehabt habe, daß er die Aufwendungen für die beiden Eigentumswohnungen zunächst allein getragen und steuerlich abgesetzt habe. In diesem Punkt hat die Anschlußrevision des Klägers Erfolg.

Die Parteien streiten darüber, ob die Steuervorteile, die der Kläger jedenfalls zunächst durch die erweiterte Absetzungsmöglichkeit hatte, durch eine Nachversteuerung ausgeglichen werden, wenn er Ausgleichsansprüche gegen die Beklagte durchsetzen kann und dadurch entsprechende Einnahmen hat. Darauf kommt es aber nicht an. Beide Vorinstanzen gehen zwar davon aus, der Kläger müsse sich solche verbliebenen Steuervorteile, sollten sie bestehen, im Wege der Vorteilsausgleichung auf seinen Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB anrechnen lassen. Das ist jedoch nicht zutreffend. Die Regeln der Vorteilsausgleichung sind für das Schadensersatzrecht entwickelt worden. Sie sind nicht übertragbar auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift regelt nicht nur die der Befriedigung des Gläubigers nachfolgende Ausgleichung. Aus ihr ergibt sich vielmehr, daß schon vor der Befriedigung des Gläubigers ein Gesamtschuldner gegen den anderen einen Anspruch darauf hat, daß der andere bei Fälligkeit der Schuld seinem Anteil entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirkt und damit so handelt, daß es überhaupt nicht zu einem Rückgriff zu kommen braucht (st.Rspr. des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 1986 – IVb ZR 58/85 – BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 1 m.N.; RGRK BGB/Weber, 12. Aufl. § 426 Rdn. 12). Befriedigt einer von zwei Gesamtschuldnern den Gläubiger, so verwandelt sich dieser Mitwirkungsanspruch in einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Gesamtschuldner auf Zahlung des entsprechenden Betrages (vgl. RGRK a.a.O. Rdn. 15 m.N.; MünchKomm a.a.O. § 426 Rdn. 9). Der ausgleichspflichtige Gesamtschuldner hat dementsprechend den Betrag zu erstatten, den er eigentlich als seinen Anteil an den Gläubiger hätte zahlen müssen und den an seiner Stelle der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner an den Gläubiger gezahlt hat. Eine Vorteilsausgleichung kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eventuelle Steuervorteile des Klägers können nicht zur Folge haben, daß die Beklagte im Ergebnis auf die Gesamtschuld weniger zahlen muß, als ihrem Anteil entspricht. Aus dem Gesamtschuldverhältnis ergibt sich für die Beklagte nicht die Berechtigung, an Steuervorteilen des Klägers zu partizipieren, die sich für ihn aus der Abwicklung des Gesamtschuldverhältnisses ergeben. Daß einer der Gesamtschuldner derartige Vorteile hat, kann allenfalls in besonders gelagerten Fällen das Ausgleichsverhältnis der Gesamtschuldner beeinflussen, wenn in ihnen Umstände zu sehen sind, aus denen sich i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB „etwas anderes ergibt” als der hälftige Ausgleich. Davon kann im Falle der Parteien nach dem Scheitern ihrer Ehe jedoch nicht ausgegangen werden.

Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht die Sache zur Aufklärung eventueller Steuervorteile des Klägers an die erste Instanz zurückverwiesen hat.

3. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat festgestellt, welche Zahlungen der Kläger in der Zeit, für die er mit der Klage einen Ausgleich verlangt, auf die Belastungen der beiden Eigentumswohnungen geleistet hat. Die Hälfte dieser Beträge hat die Beklagte ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erstatten. Auch aus diesem Betrag kann der Kläger lediglich 4 % Rechtshängigkeitszinsen verlangen (§ 288 BGB), weil er nicht dargelegt hat, daß ihm ein darüber hinausgehender Verzugsschaden entstanden ist. Dies hat das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang (wegen des Ausgleichsanspruchs bezüglich der Belastungen des Einfamilienhauses) zutreffend dargelegt. Die Verfahrensrüge, die der Kläger in diesem Zusammenhang erhebt, hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO).

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß der Kläger in erster Instanz wegen eines Teilanspruchs die Klage zurückgenommen hat. Eines Antrags der Beklagten nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bedurfte es insofern nicht, weil über die Kosten der zurückgenommenen Teilklage nicht außerhalb des Urteilsverfahrens entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1975 – VIII ZR 223/73 – KostRsp ZPO § 271 Nr. 52, insofern in NJW 1975, 1653 nicht abgedruckt).

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber

 

Fundstellen

Haufe-Index 542486

NJW 1995, 652

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1995, 676

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