Leitsatz (amtlich)

1. Die Tilgung einer dem Gesellschafter oder einem von ihm maßgeblich beeinflußten Unternehmen gegen die GmbH zustehenden Darlehensforderung, die mit Mitteln aus einer Resteinlageverpflichtung oder in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit deren Erfüllung vorgenommen wird, ist der Gesellschaft – soweit nicht die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage eingreifen – nur erlaubt, wenn die Darlehensforderung liquide, fällig und vollwertig ist.

Ob die Beteiligten einen den wirtschaftlichen Erfolg des verdeckten Rechtsgeschäfts umfassende Abrede treffen müssen, bleibt offen. Besteht ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Zahlungen, stellt das ein beweiskräftiges Indiz für eine solche Abrede dar.

2. Im Falle der Überschuldung der Gesellschaft ist die Gläubigerforderung offensichtlich nicht vollwertig. Eine Überschuldung der GmbH ist an Hand eines Vermögensstatus mit Bilanzansätzen zu Verkehrs- oder Liquidationswerten festzustellen.

3. Zur Frage der Unwirksamkeit der Tilgung einer Darlehensforderung bei Zahlung des Mindesteinlagebetrages bzw der Resteinlageschuld, wenn die Grundsätze zur verdeckten Sacheinlage eingreifen.

 

Tatbestand

Der Kläger, Konkursverwalter über das Vermögen der K. GmbH in F., verlangt von dem Beklagten, einem Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, die Zahlung von 50.000,– DM aus einer nach seiner Ansicht noch nicht erfüllten Einlageforderung. Der Beklagte und sein Mitgesellschafter, die beide eine Stammeinlage von je 25.000,– DM an der Gemeinschuldnerin hielten, erhöhten mit Beschluß vom 29. September 1986 deren Stammkapital um einen Betrag von 200.000,– DM, von dem der Beklagte 100.000,– DM übernahm. Zur Erfüllung seiner Einlageverpflichtung zahlte der Beklagte der Gemeinschuldnerin am 18. November 1986 und am 30. Juni 1987 je 50.000,– DM. Der am 30. Juni 1987 gezahlte Betrag wurde am 6. Juli 1987 zur Tilgung eines Darlehens verwendet, das der Gemeinschuldnerin am 30. Dezember 1986 von der S. KG eingeräumt worden war. Deren Gesellschafter waren damals der Beklagte als Komplementär und eine Kommanditistin, die eine Einlage von 2.000,– DM innehatte.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte mit der Zahlung vom 30. Juni 1987 seine Einlageschuld wirksam getilgt hat. Der Kläger verneint das unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Sacheinlage, der fehlenden Vollwertigkeit der Darlehensforderung der S. KG und ihres Charakters als Eigenkapitalersatz.

Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1. Das Berufungsurteil ist zu dem Ergebnis gelangt, die auf die Resteinlageschuld geleistete Zahlung habe den Beklagten deswegen nicht von seiner Bareinlageverpflichtung befreien können, weil die Gemeinschuldnerin sofort nach Eingang der Zahlung ihre Darlehensverbindlichkeit gegenüber der S. KG, an welcher der Beklagte als Komplementär maßgeblich beteiligt gewesen sei, getilgt habe und diese Forderung nicht vollwertig gewesen sei. Eine Aufrechnung sei unter diesen Umständen ebenso unzulässig gewesen wie die Tilgung der beiden Forderungen durch Hin- und Herzahlen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung der Einlage nicht befreit werden. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist nur ihnen – vorbehaltlich der in § 19 Abs. 5 GmbHG normierten Ausnahmen – die Aufrechnung gegen den Einlageanspruch untersagt. Der Gesellschaft hingegen erlaubt der Wortlaut dieser Vorschrift – soweit nicht § 19 Abs. 5 GmbHG eingreift – eine einseitige oder im Einvernehmen des Gesellschafters vorgenommene Aufrechnung. Da die gesetzliche Regelung jedoch der Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals und damit dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dient, wird der Gesellschaft die Aufrechnung gegen die Gesellschafterforderung – von dem Fall ihrer Gefährdung oder Uneinbringlichkeit abgesehen – einschränkend nur unter der Voraussetzung erlaubt, daß die Forderung liquide, fällig und vollwertig ist (BGHZ 15, 52, 59; 42, 89, 93; 90, 370, 373; BGH, Urt. v. 15. Juni 1992 – II ZR 229/91, ZIP 1992, 992, 995). Derselben Einschränkung unterliegt die Tilgung der Gesellschafterforderung dann, wenn der Umgehungstatbestand des Hin- und Herzahlens verwirklicht wird (Scholz/Priester, GmbHG, 7. Aufl., § 56 Rdn. 44 i.V.m. Rdn. 33), wobei es letztlich dahingestellt bleiben kann, ob mit diesem Verhalten der Tatbestand des Befreiungsverbotes (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) oder derjenige der Aufrechnung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) umgangen wird (zur Argumentation vgl. BGHZ 113, 335, 343 für die Umgehung des Verbotes verdeckter Sacheinlagen). Die Frage, ob ein Umgehungsgeschäft durch Hin- und Herzahlen bereits dann angenommen werden kann, wenn zwischen den beiden Zahlungsvorgängen ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. u.a. Lutter/Hommelhoff aaO, § 19 Rdn. 35 m.w.N.), oder ob die Beteiligten zusätzlich eine den wirtschaftlichen Erfolg des verdeckten Rechtsgeschäfts umfassende Abrede treffen müssen (vgl. dazu u.a. Ulmer in ZHR 154 (1990), 128, 131 ff., 139 f.; Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 126; Scholz/Winter aaO, § 5 Rdn. 77 ff.; Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 187 ff.; offengelassen in BGHZ 110, 47, 65; 113, 335, 343 f.; BGH, Urt. v. 13. April 1992 – II ZR 227/90, ZIP 1992, 995, 999), braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden. Besteht nämlich, wie vom Berufungsgericht für den vorliegenden Fall festgestellt, zwischen beiden Zahlungen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, stellt das auf jeden Fall ein beweiskräftiges Indiz dafür dar, daß eine solche Abrede getroffen worden ist (Ulmer, ZHR 154 (1990), 141; Scholz/Winter aaO, § 5 Rdn. 80 m.w.N. in Fn. 250/232; vgl. auch Henze, ZHR 154 (1990), 105, 114). Der Beklagte hat dieses Indiz nicht entkräftet. Denn wie vom Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt worden ist, hat er nähere Angaben zu diesem Fragenbereich verweigert.

b) Der Umgehungstatbestand setzt nicht voraus, daß der Einlageschuldner und der Gläubiger der getilgten Forderung identisch sind. Das hat der Senat für die verdeckte Sacheinlage bereits mehrfach entschieden (BGHZ 96, 231, 240; BGHZ 110, 66 ff.; BGHZ 113, 335, 345 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 13. April 1992 – II ZR 227/90, ZIP 1992, 995, 999; zur Personenverschiedenheit von Gesellschafter und Zahlungsempfänger bei dem Kapital ersetzenden Darlehen und allgemein bei unzulässigen Zahlungen nach § 30 GmbHG vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 18. Februar 1991 – II ZR 259/89, ZIP 1991, 366 f. m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Revision kann das Fehlen der Personenidentität nicht darauf beschränkt werden, daß zwischen Einlageschuldner und Darlehensgläubiger ein Treuhandvertrag abgeschlossen worden ist (BGHZ 110, 66 ff.), der Gesellschafter die Erfüllung der Einlageverpflichtung mit Mitteln bewirkt, die ihm vom Darlehensgläubiger zur Verfügung gestellt worden sind (BGHZ 113, 335, 345 f.), oder der Einlagebetrag zur Tilgung eines von einem Dritten zur Verfügung gestellten Zwischenfinanzierungskredites verwendet wird, mit dem ein Kredit des Einlageschuldners getilgt worden ist (BGHZ 96, 231, 240; BGH, Urt. v. 13. April 1992 – II ZR 227/90, ZIP 1992, 995, 999). Diesen Entscheidungen liegt die Überlegung zugrunde, daß der Einlageschuldner durch die Leistung an den Dritten in gleicher Weise begünstigt wird wie in dem Falle, daß an ihn selbst geleistet worden wäre. Aus diesem Grunde hat der Senat eine nach § 30 GmbHG unzulässige Leistung auch für den Fall angenommen, daß die Zahlung nicht an den Gesellschafter selbst, sondern an ein Unternehmen bewirkt wird, an dem er maßgeblich beteiligt ist (BGHZ 81, 311, 315 f.; BGH, Urt. v. 20. März 1986 – II ZR 114/85, ZIP 1987, 1050, 1051). Dieser Gedanke trifft in gleicher Weise auf Leistungen zu, mit denen das Befreiungs- bzw. Aufrechnungsverbot im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 GmbHG umgangen wird.

Eine solch maßgebliche Beteiligung des Beklagten an der Darlehensgläubigerin, der S. KG, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Vortrages der Parteien festgestellt. Danach waren im maßgebenden Zeitpunkt an dieser Gesellschaft ein Kommanditist mit einer auf 2.000,– DM beschränkten Einlage und der Beklagte als deren alleiniger Komplementär beteiligt.

c) Dem Berufungsgericht kann aber insoweit nicht gefolgt werden, als es ausführt, infolge der bei der Gemeinschuldnerin eingetretenen Überschuldung sei die Darlehensforderung der S. KG bei ihrer Tilgung am 6. Juli 1987 nicht mehr vollwertig gewesen. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht diese Feststellung in verfahrensfehlerhafter Weise getroffen hat.

Allerdings hat ihre auf § 286 ZPO gestützte Rüge, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung unzulässigerweise die nur in erster Instanz aufgestellte Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die Gemeinschuldnerin sei bei der Tilgung der Darlehensforderung der S. KG überschuldet gewesen, keinen Erfolg. Zwar hat der Kläger in seinem Berufungserwiderungsschriftsatz keinerlei Ausführungen zur Sache gemacht. Jedoch hat das Berufungsgericht im Einverständnis der Parteien den Inhalt der Verfahrensakten 2 O 149/90 – LG Offenburg – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, in denen u.a. der von der Revision vermißte Vortrag des Klägers enthalten ist. Er ist daher in das Verfahren vor dem Berufungsgericht eingeführt worden.

Die Revision weist aber zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht die ihm obliegende Aufklärungs- und Hinweispflicht verletzt hat (§§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3 ZPO). Denn das Landgericht hat den fraglichen Vortrag in seinem Urteil nicht berücksichtigt, so daß auch der Beklagte keine Veranlassung gesehen hat, dazu in der Berufungsbegründungsschrift Stellung zu nehmen. Das Berufungsgericht hätte demnach den Beklagten darauf aufmerksam machen müssen, daß es seine Entscheidung auch auf diesen Gesichtspunkt zu stützen beabsichtige. Es hätte ihm Gelegenheit geben müssen, dazu ergänzend vorzutragen.

Die Revision hat ferner den Tatsachenvortrag angegeben, mit dem der Beklagte in der Berufungsinstanz bei Erfüllung der Aufklärungs- und Hinweispflicht durch das Berufungsgericht dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten wäre. Sie hat unter Vorlage einer Vermögens-(Überschuldungs-)Bilanz dargelegt, daß die Gemeinschuldnerin am 6. Juli 1987 über ein nicht verbrauchtes Eigenkapital von 305.974,03 DM verfügt habe, also entgegen dem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Vortrag des Klägers nicht überschuldet war. Diesem Verteidigungsvorbringen des Beklagten wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung folgender Umstände nachgehen müssen:

Eine gegen die Gesellschaft bestehende Gläubigerforderung ist dann nicht vollwertig, wenn ihr Vermögen im Zeitpunkt der Befriedigung dieser Forderung nicht ausreicht, um alle fälligen Forderungen ihrer Gläubiger zu erfüllen. In diesem Fall sind alle Gläubigerforderungen in ihrem Wert gemindert; eine einzelne Forderung könnte nur auf Kosten der anderen Gläubigerforderungen vollständig befriedigt werden. Jeder Gesellschaftsgläubiger kann der Wertminderung seiner Forderung durch eine Wertberichtigung oder Abschreibung in seiner Bilanz Rechnung tragen (BGHZ 90, 370, 373; RGZ 134, 262, 268 f.; RG JW 1938, 1400, 1401). Liegt im Zeitpunkt der Zahlung eine Überschuldung der Gesellschaft vor, ist es offensichtlich, daß die Gegenforderung nicht vollwertig ist (BGHZ 90, 370, 373; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 19 Rdn. 62; Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 76; Baumbach/Hueck aaO, § 19 Rdn. 18; Lutter/Hommelhoff aaO, § 19 Rdn. 21). Ob die Gesellschaft in dem maßgebenden Zeitpunkt überschuldet war, ist anhand eines Vermögensstatus der Gesellschaft (Überschuldungsbilanz) festzustellen, in dem ihre Vermögenswerte mit den Verkehrs- oder Liquidationswerten ausgewiesen sind. Etwa vorhandene stille Reserven sind demnach zu berücksichtigen. Diese werden in der von den Beklagten überreichten, zum 30. Juni 1987 aufgestellten Bilanz mit 341.481,75 DM beziffert. In der Bilanz vom 30. Juni 1987, die der Kläger vorgelegt hat und auf der das von ihm bekanntgegebene, zum 6. Juli 1987 ermittelte Zwischenergebnis beruht, ist dieser Betrag nicht enthalten. Dieser Unterschied ist offensichtlich darauf zurückzuführen, daß der von dem Kläger überreichten Bilanz per 30. Juni 1987 und den von ihm zum 6. Juli 1987 ermittelten Zahlen die für die Jahre 1986 und 1987 nach § 42 GmbHG aufgestellten Jahresschlußbilanzen zugrundeliegen, in denen die Vermögenssituation der Gesellschaft nach fortgeführten Buchwerten niedergelegt ist (vgl. dazu im einzelnen BGHZ 109, 334, 337 ff.). Eine solche ist jedoch nicht maßgebend, soweit auf die Überschuldung der Gesellschaft abgestellt wird, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist.

d) Ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung nicht überschuldet war, sondern lediglich an Kapitalmangel litt oder ihr Reinvermögen einschließlich der noch offenen Einlageforderungen das in dem Gesellschaftsvertrag ausgewiesene Stammkapital unterschritt, kommt es darauf an, ob bei rechtzeitiger Abwicklung noch alle Gläubiger aus dem Gesellschaftsvermögen – vollständig – hätten befriedigt werden können. Kann eine entsprechende Feststellung getroffen werden, könnte die Forderung des Beklagten noch als vollwertig und ihre Tilgung als zulässig angesehen werden (vgl. BGHZ 90, 370, 374).

2. Das Berufungsgericht hält die Tilgung der Darlehensforderung ferner deswegen für unzulässig, weil das Darlehen der Gemeinschuldnerin als Kapitalersatz gedient habe. Bei der finanziellen Situation der Gesellschaft hätte ihr der Beklagte als ihr Gesellschafter wie ein ordentlicher Kaufmann in Höhe des Darlehensbetrages Eigenkapital zuführen müssen. Die Tilgung dieses Darlehens sei unter diesen Umständen nicht wirksam. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt einem Darlehen, das ein Gesellschafter der GmbH gewährt, der er angehört, eigenkapitalersetzender Charakter zu, wenn es zur Abwendung der Konkursantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung oder in einem Zeitpunkt gewährt wird, in dem die Gesellschaft, ohne zahlungsunfähig oder überschuldet zu sein, von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb ohne die Gesellschafterleistung hätte liquidiert werden müssen (vgl. grundlegend BGHZ 31, 258, 272; 76, 326, 329 f.).

Eigenkapitalersetzenden Charakter nimmt ein Darlehen ferner dann an, wenn es der Gesellschaft unter wirtschaftlich gesunden Verhältnissen gewährt, nach Eintritt der „wirtschaftlichen Krise” in Form einer der aufgeführten Tatbestände jedoch nicht abgezogen wird, obwohl der Gesellschafter dazu in der Lage gewesen wäre (BGHZ 75, 334, 337; 76, 326, 331).

b) Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen darüber, daß die Gemeinschuldnerin in dem Zeitpunkt, in dem ihr das Darlehen eingeräumt worden ist, zahlungsunfähig war oder von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr erhalten hätte. Auch für einen nach der Krediteinräumung, jedoch vor Fälligkeit und Tilgung der Forderung liegenden Zeitpunkt trifft das Berufungsgericht keine derartige Feststellung.

Das Berufungsgericht führt allerdings – wenn auch in anderem rechtlichen Zusammenhang – aus, die Gemeinschuldnerin sei sowohl bei der Darlehenseinräumung am 31. Dezember 1986 als auch bei der Tilgung der Forderung am 6. Juli 1987 überschuldet gewesen. Davon geht es ersichtlich aus, wenn es weiter sagt, bei „der finanziellen Situation der Gemeinschuldnerin” hätte ihr der Beklagte Eigenkapital anstelle von Fremdkapital zuführen müssen. Dem liegt jedoch eine rechtlich fehlerhafte Beurteilung zugrunde.

aa) Am 31. Dezember 1986 war die Gemeinschuldnerin nach der vom Kläger vorgelegten Bilanz schon deswegen nicht überschuldet, weil ihr Aktivvermögen ihre Verbindlichkeiten um ca. 155.000,– DM überstieg. Der Kläger und ihm folgend das Berufungsgericht sind nur deswegen zu einer „Überschuldung” der Gesellschaft – und zwar um den Betrag des im Jahre 1986 eingetretenen Bilanzverlustes – gelangt, weil sie unzutreffenderweise den Verbindlichkeiten das Stammkapital von 250.000,– DM hinzugerechnet haben. Unter diesen Umständen lag lediglich eine Unterbilanz, nicht aber eine Überschuldung vor. Des weiteren hat der Kläger eine Bilanz im Sinne des § 42 GmbHG zu fortgeführten Buchwerten vorgelegt, die für die Feststellung einer Überschuldung der Gesellschaft nicht tauglich ist. Ob eine Überschuldung eingetreten ist, kann vielmehr nur anhand eines Vermögensstatus mit Bilanzansätzen zu Verkehrs- oder Liquidationswerten festgestellt werden (vgl. im einzelnen BGHZ 109, 334, 337 ff.).

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß von einer Überschuldung als Voraussetzung für das Eingreifen der Grundsätze über den Eigenkapitalersatz nur dann gesprochen werden kann, wenn über die Feststellung der vorstehend dargelegten rechnerischen Überschuldung hinaus die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (sog. Überlebens- oder Fortbestehensprognose, BGHZ 119, 201, 210 ff.).

bb) Auch wenn man mit dem Berufungsgericht unterstellt, bei der Tilgung der Darlehensforderung am 6. Juli 1987 sei eine Überschuldung der Gemeinschuldnerin eingetreten, würde das nicht dazu führen, daß der Darlehensforderung eigenkapitalersetzender Charakter beizumessen wäre. Denn treten die tatbestandlichen Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzes ein, hat der Gesellschafter die Möglichkeit, der Gesellschaft seine weitere Unterstützung zu versagen und von ihr die Rückzahlung des Darlehensbetrages zu verlangen (BGHZ 81, 252, 257). Davon hat der Beklagte Gebrauch gemacht.

Abgesehen davon mangelt es auch hier an der verfahrensfehlerfreien Feststellung des Vorliegens einer rechnerischen Überschuldung der Gemeinschuldnerin. Dafür sind die gleichen Gründe maßgebend, die für die Fehlerhaftigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Vollwertigkeit der Darlehensforderung dargelegt worden sind. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe unter 1. c) Bezug genommen.

Darüber hinaus fehlen auch hier Feststellungen dazu, daß die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausgereicht hätte (BGHZ 119, 201, 210 ff.).

3. Das Berufungsgericht hält den Beklagten weiter deswegen für verpflichtet, den umstrittenen Betrag zurückzuzahlen, weil seine Einlageschuld aufgrund der Zahlung vom 30. Juni 1987 nach den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage nicht erloschen sei. Denn wenige Tage nach der Zahlung, am 6. Juli 1987, sei ein Darlehen der S. KG abgelöst worden, das diese der Gemeinschuldnerin am 30. Dezember 1986 in Höhe von 50.000,– DM gewährt habe. Diese Ablösung müsse sich der Beklagte zurechnen lassen, weil er damals der alleinige Komplementär der Kommanditgesellschaft gewesen sei. Unter diesen Umständen habe der gesamte Vorgang unter Beachtung der für die Leistung von Sacheinlagen maßgebenden Vorschriften abgewickelt werden müssen. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Zutreffend ist jedoch der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Regelung des § 19 Abs. 5 GmbHG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur Ansprüche auf Vergütung für die Überlassung von Vermögensgegenständen erfaßt, sondern auch andere Forderungen, insbesondere Darlehensforderungen, die dem Einlageschuldner gegen die Gesellschaft zustehen und die vor der die Einlageforderung begründenden Erhöhung des Stammkapitals (§§ 55 ff. GmbHG) entstanden sind (sog. Altforderungen, vgl. BGHZ 113, 335, 341; Hachenburg/Ulmer aaO, § 19 Rdn. 94 ff.; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 138 f.; Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 132 ff.; Scholz/Priester, GmbHG, 7. Aufl., § 56 Rdn. 41; Baumbach/Hueck aaO, § 19 Rdn. 28; Lutter/Hommelhoff aaO, § 19 Rdn. 34; Rowedder, GmbHG, 2. Aufl., § 19 Rdn. 34). Der Einwand, die Vorschrift sei umgangen worden, kann zwar in diesen Fällen nicht darauf gestützt werden, hinter dem rechtsgeschäftlichen Verhalten des beteiligten Gesellschafters und der Gesellschaft verberge sich eine Sachleistung. Jedoch hätte die Forderung selbst als Sacheinlage mit der Folge eingebracht werden können, daß sie – bei Übertragung auf die Gesellschaft durch Konfusion, im übrigen durch Erlaß des Gesellschafters – erloschen und dadurch die Gesellschaft von einer Verbindlichkeit befreit worden wäre (BGHZ 110, 47, 60; 113, 335, 341; aus dem Schrifttum vgl. Lutter, FS Stiefel, 1987, S. 505, 515 ff.; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 138 f. m.w.N.)

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob in dem Kapitalerhöhungsbeschluß vom 29. September 1986 Regelungen darüber enthalten sind, nach denen die Übernehmer der Stammeinlagen vor Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister einen höheren als den Mindesteinlagebetrag im Sinne der §§ 56 a, 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG – unter Umständen sogar den gesamten auf die übernommenen Stammeinlagen entfallenden Betrag – einzuzahlen hatten. Fänden die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage auf den vorliegenden Fall Anwendung, wäre mit der Zahlung vom 30. Juni 1987 die Einlageverbindlichkeit auf keinen Fall wirksam getilgt worden, gleichgültig, ob sie insgesamt vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister zu erfüllen war oder ob der Beklagte eine Resteinlageschuld beglichen hat, die erst für die Zeit nach der Anmeldung fälliggestellt worden ist. Soll im Falle der Verpflichtung zur Leistung vor der Anmeldung die Tilgung der Einlageschuld wirksam vorgenommen werden, setzt das voraus, daß die von dem Gesellschafter erbrachte Zahlung als Leistung auf die Einlageforderung anzusehen ist und die Leistung zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführer erfolgt. Wird der bar gezahlte Betrag der Gesellschaft mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt, daß er umgehend zur Begleichung einer Gesellschafterforderung verwendet wird, tritt bereits keine Erfüllungswirkung ein. Denn es fehlt an der Leistung der zugesagten Bareinlage, weil der in Wahrheit angestrebte und auch bewirkte Erfolg der Leistung nicht die im Kapitalerhöhungsbeschluß verlautbarte Zahlung der Bareinlage ist, sondern eine Sacheinlage in Form einer Forderungseinbringung (BGHZ 113, 335, 347; OLG Hamburg, ZIP 1988, 372, 272; Hachenburg/Ulmer aaO, § 5 Rdn. 148, § 19 Rdn. 112; Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 141; Scholz/Winter aaO, § 5 Rdn. 80 b; Baumbach/Hueck aaO, § 5 Rdn. 18 f., § 19 Rdn. 30; Lutter/Hommelhoff aaO, § 5 Rdn. 43; auf die Unwirksamkeit der bei der Zahlung getroffenen Tilgungsbestimmung entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG abstellend Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 181 f., 187 sowie Ihrig, ZHR 153 (1989), 354, 357). Ferner fehlt es an einer Leistung zur (endgültig) freien Verfügung der Geschäftsführer, weil die auf die Einlageschuld gezahlten Mittel der Gesellschaft nur vorübergehend verbleiben und alsbald wieder an den Einlageschuldner zurückfließen, so daß der Vorgang der Mittelaufbringung nicht als abgeschlossen angesehen werden kann (BGHZ 113, 335, 348 ff.; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 137 f.).

Soll eine Resteinlageschuld beglichen werden, kommt der in §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG normierte Gedanke der „Leistung zur (endgültig) freien Verfügung der Geschäftsführer” mangels Anwendbarkeit dieser Bestimmungen zwar nicht zum Tragen. Die Erfüllungswirkung tritt aber auch hier nicht ein, weil es im Hinblick auf die in § 19 Abs. 5 GmbHG getroffene Regelung bzw. deren Umgehung an einer Leistung der zugesagten Bareinlage fehlt (vgl. im einzelnen Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 186 f.).

c) Ob die Regelung des § 19 Abs. 5 GmbHG auch auf nach der Einlageforderung entstandene Darlehensforderungen (sog. Neuforderungen) erstreckt werden kann, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Die Anwendbarkeit wird mit der Begründung verneint, Zweck der Vorschrift des § 19 Abs. 5 GmbHG sei es zu verhindern, daß ohne Verlautbarung in der nach § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG vorgeschriebenen Form an die Stelle der (Bar-)Einlageleistung Erfüllungssurrogate treten. Dieser Normzweck greife bei Darlehen, die nach der Kapitalerhöhung gewährt worden seien, deswegen nicht ein, weil der Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung Geld zugeflossen, nicht aber eine Sachleistung erbracht worden sei (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Aufl., § 19 Rdn. 62; Scholz/Winter aaO, § 5 Rdn. 78; Henze aaO S. 123).

Der Senat hat dazu noch keine Stellung genommen. Er hat lediglich im Hinblick auf Gehaltsforderungen eines geschäftsführenden Gesellschafters unter Berufung auf Bösebeck (JW 1938, 1401, 1402) entschieden, daß erst nach der Gesellschaftsgründung entstehende Forderungen, deren Aufrechnung bei der Gründung „vorabgesprochen” wird, von der Norm des § 19 Abs. 5 GmbHG erfaßt werden. Eine Aufrechnung ist auch in einem solchen Falle nur dann wirksam, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG erfüllt sind (BGH, Urt. v. 21. September 1978 – II ZR 214/77, WM 1978, 1271). Dieser Entscheidung hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (Hachenburg/Ulmer aaO, 8. Aufl., § 19 Rdn. 97; Baumbach/Hueck aaO, § 19 Rdn. 30; Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 135; Lutter/Hommelhoff aaO, § 19 Rdn. 34; Rob. Fischer, Anm. zu LM GmbHG § 19 Nr. 1).

Teilweise sind die Grundsätze dieser Entscheidung auch auf Darlehensneuforderungen übertragen worden (Scholz/U.H. Schneider aaO, § 19 Rdn. 135; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 56 Rdn. 45).

Der Senat braucht diese Frage für den vorliegenden Fall jedoch nicht zu entscheiden. Aus der von dem Beklagten mit der Berufungsbegründungsschrift überreichten Saldenaufstellung (BB 1) ergeben sich gravierende Anhaltspunkte dafür, daß von der auf dem „Forderungskonto Warenlieferung” per 30. November 1986 verbuchten Forderung von 59.921,07 DM per 31. Dezember 1986 ein Betrag von 50.000,– DM auf das „Darlehenskonto II” umgebucht worden ist. Das Berufungsgericht wird diesen Umstand tatsächlich zu würdigen haben und sodann rechtlich prüfen müssen, ob die Voraussetzungen eines Vereinbarungsdarlehens im Sinne des § 607 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Ist das der Fall, läge als Darlehensverbindlichkeit eine „Altforderung” vor, auf die § 19 Abs. 5 GmbHG in erweiternder Auslegung anzuwenden wäre.

II.

Nach alledem war der Rechtsstreit unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es – gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien – die weiterhin erforderlichen Feststellungen treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649169

BGHZ, 141

BB 1994, 882

NJW 1994, 1477

ZIP 1994, 701

GmbHR 1994, 394

ZBB 1994, 181

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