Leitsatz (amtlich)

Gaben die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft – nicht etwa nur vorübergehend – den Betrieb ihres Handelsgewerbes auf, so wird die Gesellschaft zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dabei ist es ohne Belang, ob die Aufgabe des Geschäftsbetriebes auf Grund einer freien Entschließung oder unabhängig vom Willen der Gesellschafter eingetreten ist.

Für die Anwendung des § 5 HGB ist der Betrieb eines Gewerbes durch den Scheinkaufmann erforderlich; das Vorliegen eines Unternehmens genügt insoweit nicht.

Die entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 142 HGB auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft ist zulässig.

 

Normenkette

HGB §§ 105, 5; BGB § 736; HGB § 142

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 06.12.1958)

LG Weiden i.d.OPf.

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg, an Verkündungs Statt zugestellt am 6. Dezember 1958, aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der verstorbene erste Ehemann der Klägerin sowie der verstorbene Adoptivvater und die ebenfalls verstorbene Mutter der Beklagter betrieben in Form einer offenen Handelsgesellschaft auf dem Truppenübungsplatz G. eine Dampfwaschanstalt (Heereswäscherei). Diese Waschanstalt wurde im April 1945 ausgebombt. Die Gebäude wurden größtenteils zerstört und die Maschinen beschädigt. Nach dem Zusammenbruch wurde das Vermögen der Gesellschaft wegen politischer Belastung der beiden Gesellschafter nach dem MilRegG 52 beschlagnahmt.

In dem Gesellschaftsvertrag ist bestimmt, daß die Geschäftsführung den beiden Gesellschaftern Karl T. (1. Ehemann der Klägerin) und Martin N. (Adoptivvater der Beklagten) zusammen zusteht und daß zur Vertretung der Gesellschaft jeweils zwei Gesellschafter zusammen berechtigt sind. Weiter heißt es in dem Gesellschaftsvertrag:

Im Falle des Todes des Gesellschafters Karl T. tritt an dessen Stelle dessen Ehefrau. Stirbt die Gesellschafterin Anna N., tritt an deren Stelle Martin N. Stirbt letzterer, so tritt an dessen Stelle seine Tochter Luise N.

Im Jahre 1947 ist der Ehemann der Klägerin verstorben; im April 1949 starb die Mutter der Beklagten und im Jahre 1956 ihr Adoptivvater.

Nach dem Zusammenbruch wurde der Betrieb unter Verwendung der noch vorhandenen Gebäudereste und Maschinen bis zum April 1946 im wesentlichen von der Beklagten und ihrem Ehemann wieder aufgebaut. Der verstorbene Ehemann der Klägerin beteiligte sich an diesen Wiederaufbauarbeiten etwa einen Monat lang, dann wurde ihm eine weitere Tätigkeit durch die Militärregierung untersagt. Der Adoptivvater der Beklagten befand sich damals in Internierungshaft.

Am 1. April 1946 eröffnete der Ehemann der Beklagten den Wäschereibetrieb wieder und führte ihn unter eigenem Namen ohne Mitwirkung der Gesellschafter. Bald danach wurde der Betrieb von der Besatzungsmacht beschlagnahmt, die nunmehr den Ehemann der Beklagten als Betriebsleiter gegen Zahlung einer Vergütung einsetzte. Im Oktober 1946 ordnete das Landesamt für Vermögensverwaltung eine Treuhandschaft über das gesperrte Vermögen der Gesellschaft an. Der eingesetzte Treuhänder schloß am 6. Oktober 1947 mit dem Ehemann der Beklagten einen Vertrag ab, nach dessen Wortlaut das Betriebsgrundstück mit den nach der Zerstörung noch vorhandenen Gebäuderesten, Maschinen usw. an den Ehemann der Beklagten verpachtet wurde. Dieser Pachtvertrag wurde für die Zeit vom 15. Oktober 1947 bis zum 14. April 1949 abgeschlossen. Am 15. September 1948 wurde die Beschlagnahme über das Vermögen der Gesellschaft nach dem MilRegG 52 aufgehoben; die Beschlagnahme des Wäschereibetriebes durch die Besatzungsmacht blieb jedoch bis zum Jahre 1950 bestehen. Nach der Freigabe des Betriebes führte ihn der Ehemann der Beklagten im eigenen Namen weiter. Jetzt wird der Betrieb von der Firma „Chemische Reinigung und Wäscherei N. & Co. GmbH, G.” geführt, deren Gesellschafter die Beklagte und ihr Ehemann sind.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin gemäß § 142 HGB für berechtigt erklärt zu werden, das Geschäft der Gesellschaft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen. Zur Begründung ihrer bereits im Juni 1950 erhobenen Klage, die sie zunächst gegen den Adoptivvater der Beklagten richtete, hat die Klägerin ausgeführt, Martin Nicklas habe sich stets auf die Seite seines Schwiegersohns gestellt, der den Betrieb der Gesellschaft rechtswidrig an sich gebracht habe. Ein Vorgehen gegen diesen habe Martin Nicklas ihr dadurch unmöglich gemacht, daß er ihr seine Zustimmung verweigert habe, während sie allein nichts habe unternehmen können, da sie nach dem Gesellschaftsvertrag nur zusammen mit Martin Nicklas zur Vertretung, der Gesellschaft berechtigt gewesen sei. Nach dem Tode des Martin N. habe die Klägerin den Rechtsstreit gegen die Beklagte als dessen Alleinerbin fortgeführt und gegen sie Vorwürfe der gleichen Art vorgebracht.

Martin N. hat Widerklage erhoben und mit ihr die Feststellung beantragt, daß die Gesellschaft aufgelöst sei. Zur Begründung dieses Klagantrags hat er sich auf eine Kündigung berufen, die er während dieses Rechtsstreits ausgesprochen hat.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge zur Klage und zur Widerklage weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gesellschaft, die bis zum Zusammenbruch als offene Handelsgesellschaft die Dampfwaschanstalt in G. betrieben hatte, auf Grund der im Tatbestand dieses Urteils angeführten gesellschaftsvertraglichen Bestimmung nunmehr allein aus der Klägerin und der Beklagten besteht. Von dieser Unterstellung ist für die Revisionsinstanz auszugehen.

II. Das Berufungsgericht ist der Meinung, daß die offene Handelsgesellschaft mit Rücksicht auf die eingetretene tatsächliche Entwicklung nicht mehr eine offene Handelsgesellschaft sei, sondern sich in eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft umgewandelt habe. Denn sie betreibe seit langem nicht nur kein Handelsgewerbe, sondern überhaupt kein Gewerbe mehr. Für eine Anwendung der Vorschrift des § 142 HGB, die allein als Klagegrundlage in Betracht kommen könne, sei in einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft kein Raum, so daß schon aus diesem Grunde die Klage der Abweisung unterliege. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts dadurch, daß die Gesellschaft der Parteien noch als offene Handelsgesellschaft im Handelsregister eingetragen sei. Denn eine Anwendung des § 5 HGB sei hier nicht möglich, weil die eingetragene Firma überhaupt kein Gewerbe mehr betreibe, der Betrieb eines Gewerbes durch die eingetragene Firma aber Voraussetzung für eine Anwendung des § 5 HGB sei.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten.

1. Zunächst hält die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts für unrichtig, daß sich die offene Handelsgesellschaft in eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft umgewandelt habe. Sie meint, daß es nach § 105 HGB für das Vorliegen einer offenen Handelsgesellschaft genüge, daß ihr Zweck ernsthaft auf den Betrieb eines Kandelsgewerbes gerichtet sei. Die effektiv Aufnahme des Betriebes oder die effektive Durchführung des Betriebes sei, wie sich aus § 123 Abs. 1 HGB ergebe, nicht Voraussetzung für die Existenz der offenen Handelsgesellschaft Daraus folge, daß die Einstellung des Gewerbebetriebes nicht schon allein einer Gesellschaft den Charakter als offene Handelsgesellschaft nehme, sondern nur dann, wenn die Einstellung des Gewerbebetriebes gleichzeitig auch eine Änderung des ursprünglichen Gesellschaftszwecks bedeute. Davon könne nicht gesprochen werden, wenn die Betriebseinstellung nicht auf einen Willensentschluß der Gesellschafter beruhe, sondern ihnen gegen ihren Willen durch eine faktische Zwangslage aufgezwungen sei. In einem solchen Fall sei der Zweck der Gesellschaft nach wie vor auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet, so daß die Gesellschaft demzufolge auch weiterhin als offene Handelsgesellschaft bestehe.

Diesen Ausführungen der Revision kann bei den hier gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im Ergebnis nicht beigetreten werden.

Auszugehen ist in diesem Zusammenhang davon, daß die Entstehung und der Fortbestand einer offenen Handelsgesellschaft in bestimmter. Hinsicht von dem Willen der Gesellschafter unabhängig ist, liegen bei einer Personalgesellschaft die in § 105 HGB festgelegten gesetzlichen Merkmale einer offenen Handelsgesellschaft vor, dann ist diese Gesellschaft eine offene Handelsgesellschaft, ganz gleichgültig, ob die Gesellschafter das wollen oder nicht. Das hat der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen (BGHZ 10, 97; 22, 245). Entsprechendes gilt für den Fortbestand einer offenen Handelsgesellschaft, Verliert eine Personalgesellschaft eines der gesetzlichen Merkmale, die nach § 105 HGB für eine offene Handelsgesellschaft notwendig sind, dann verliert sie damit ihren Charakter als offene Handelsgesellschaft, auch hier ganz gleichgültig, ob die Gesellschafter das wollen oder nicht, aber auch gleichgültig, ob der Verlust eines der nach § 105 HGB. vorgeschriebenen gesetzlichen Merkmals auf einem Willensentschluß der Gesellschafter beruht oder nicht. Auch in dieser Hinsicht fehlt den Gesellschaftern die Befugnis, den rechtlichen Charakter ihrer Personalgesellschaft selbst zu bestimmen. Die gesetzlichen Begriffsmerkmale für das Bestehen einer offenen Handelsgesellschaft gemäß § 105 HGB sind zwingend und der Disposition der Gesellschafter entzogen. Diese Rechtsauffassung liegt bereits den Ausführungen des Reichsgerichts in RGZ 155, 82 ff zugrunde und kann heute auch im Schrifttum als gefestigte Auffassung angesehen werden.

Bei dieser Rechtslage fragt es sich, welche gesetzlichen Merkmale es sind, die einer Personalgesellschaft den Charakter einer offenen Handelsgesellschaft geben. Nach § 105 HGB muß der Zweck der Gesellschaft auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet sein. Danach ist es zur Entstehung einer offenen Handelsgesellschaft nicht erforderlich, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung als offene Handelsgesellschaft bereits ein vollkaufmännisches Unternehmen betreibt. Die Aufnahme des vollen Geschäftsbetriebes ist für die Entstehung der offenen Handelsgesellschaft nicht notwendig (vgl. RGZ 112, 281). Auch ist insoweit nicht zu verlangen, daß schon beim Beginn der Geschäftstätigkeit ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe vorliegt, es genügt, wenn der Betrieb des gemeinsamen Unternehmens von vornherein auf den Umfang eines vollkaufmännischen Unternehmens angelegt ist (BGHZ 10, 96).

Hieraus kann nicht, wie die Revision meint, gefolgert werden, daß es für die Entstehung und den Fortbestand einer offenen Handelsgesellschaft ohne Belang sei, ob der Gewerbebetrieb, der von den Gesellschaftern ins Auge gefaßt, von ihnen also nach ihrem Gesellschaftsvertrag bezweckt ist, ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe sein wird, und daß es dementsprechend ausreichend sei, wenn die Gesellschafter nur der Ansicht sind, daß der von ihnen vorgesehene Gewerbebetrieb ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe sein werde. Vielmehr ist insoweit eine objektive Beurteilung maßgebend, nämlich dahin, ob der von den Gesellschaftern vorgesehene Gewerbebetrieb in dem konkreten Einzelfall nach Art und Umfang ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe ist. Die Willensrichtung oder Willensmeinung der Gesellschafter ist in dieser Hinsicht ohne Bedeutung; insoweit steht ihnen eine Disposition über dieses gesetzliche Begriffsmerkmal der offenen Handelsgesellschaft nicht zu, Das zeigt, daß nach der ersten Anlaufzeit der gemeinsame Gewerbebetrieb ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe sein muß und daß demzufolge für den weiteren Bestand der offenen Handelsgesellschaft der Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma erforderlich ist. Gibt die offene Handelsgesellschaft ihren Betrieb auf, so entfällt damit ein wesentliches Begriffsmerkmal für den weiteren Bestand der Gesellschaft als einer offenen Handelsgesellschaft. Dabei ist es ohne Bedeutung, auf welchen Umständen die Aufgabe des Betriebes beruht, ob die Aufgabe des Betriebes von den Gesellschaftern auf Grund freier Entschließung gewollt, ihnen durch die Macht der Tatsachen aufgezwungen oder völlig unabhängig von ihrem Willen eingetreten ist. Namentlich kommt es dabei nicht darauf an, ob der Gesellschaftsvertrag im Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebes entsprechend geändert worden ist oder nicht. Die Rechtslage ist hier genau so wie bei einem Einzelkaufmann. So wie dieser mit der Aufgabe seines Geschäftsbetriebes seine Kaufmannseigenschaft verliert, verliert auch eine personale Handelsgesellschaft mit der Aufgabe ihres Geschäftsbetriebes ihre Kaufmannseigenschaft und damit ihren Charakter als Handelsgesellschaft; sie wird dann notwendigerweise zur bürgerlichrechtlichen Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß es sich bei der Stillegung oder Aufgabe des Betriebes nicht um eine solche nur vorübergehender Art handeln darf. Das hat bereits das Reichsgericht betont und dargelegt, daß der Verlust der Betriebsmittel, der zur einstweiligen Stilllegung des Betriebes nötigt, noch keine endgültige Aufgabe des Betriebes darzustellen braucht (RGZ 110, 425; vgl. auch Würdinger EGRK HOB § 1 Anm. 17). Solche Tatbestände haben gerade in der Zeit nach den Zusammenbruch nicht selten vorgelegen, bei denen der Verlust der Betriebsmittel und das zeitweilige Ruhen jedweder geschäftlicher Tätigkeit noch keineswegs die Annahme rechtfertigte, daß damit eine endgültige Aufgabe des Geschäftsbetriebes verbunden sei. In diesen Zusammenhang gehören auch die vielfach vorgenommenen Verpachtungen von Geschäftsbetrieben, die der Beschlagnahme nach dem MilRegG 52 unterlegen haben. Denn wenn man sonst im Regelfall davon sprechen muß, daß mit der Verpachtung des Geschäftsbetriebes eine Aufgabe des Betriebes durch die Verpächterin verbunden ist (vgl. Bayer Oberstes Landesgericht LZ 1909, 567; Weipert RGRK HGB § 105 Anm. 11), kann das im allgemeinen nicht gesagt worden, wenn ein nach dem MilRegG 52 eingesetzter Treuhänder den beschlagnahmten Betrieb verpachtet. Denn solche Verpachtungen waren nach ihrem Zweck und ihrem Charakter nur solche vorübergehender Art und sollten im Regelfall lediglich für eine begrenzte Zeit, nämlich für die Zeit der politischen Überprüfung der Geschäftsinhaber, die geschäftliche Tätigkeit der Inhaber stillegen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben, daß es sich dieser rechtlichen Gesichtspunkte, die für die Annahme einer endgültigen Aufgabe des Geschäftsbetriebes maßgeblich sind, durchaus bewußt gewesen ist und daß es sie auf den vorliegenden Fall zutreffend angewendet hat. Denn nicht die Ausbombung des Geschäftsbetriebes und auch nicht der Abschluß des Pachtvertrages durch den eingesetzten Treuhänder sind für das Berufungsgericht entscheidend gewesen, sondern die Tatsache, daß es auch nach Aufhebung der Beschlagnahme bis heute nicht mehr zur Aufnahme eines Geschäftsbetriebes durch die Gesellschafter gekommen ist. Der Ablauf dieser langen Zeit rechtfertigt die Auffassung des Berufungsgerichts.

Es muß somit unter Zugrundelegung der Ausführungen des Reichsgerichts in RGZ 155, 82 ff davon ausgegangen werden, daß sich die Gesellschaft der Parteien durch die Aufgabe des Geschäftsbetriebes in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts umgewandelt hat.

2. Die Revision wendet sich des weiteren dagegen, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtslehre § 5 HGB nicht angewendet hat. Die Revision ist unter Berufung auf dahingehende Schrifttumsstellen der Meinung, daß für die Anwendung des § 5 HGB nicht der Betrieb eines Gewerbes erforderlich sei, sondern daß dafür bereits das Vorliegen eines Unternehmens, d.h. einer äußeren Veranstaltung, die auf einen Gewerbebetrieb schließen läßt (vgl. etwa Wieland, Handelsrecht I S. 124), genüge. Allein, dem kann nicht gefolgt werden. Wie die von der Revision angeführten Rechtslehrer selbst nicht verkennen, spricht der Wortlaut des § 5 HGB eindeutig dafür, daß Voraussetzung für seine Anwendung das Vorliegen eines Gewerbebetriebes ist. Bei dieser Sachlage könnte eine ausdehnende Anwendung des § 5 HGB über seinen Wortlaut hinaus nur in Betracht gezogen werden, wenn das nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift notwendig wäre. Das aber kann nicht gesagt werden. § 5 HGB soll in Interesse der Rechtssicherheit eine klare Abgrenzung in den Fällen ermöglichen, in denen es zweifelhaft ist, ob ein Gewerbe ein Handelsgewerbe ist oder nicht; es sollen durch § 5 HGB also die Unsicherheiten beseitigt werden, die sich durch die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 14 HGB im Einzelfall ergeben können (vgl. dazu Würdinger a.a.O. § 5 Anm. 2). Eine weitergehende Bedeutung hat diese Vorschrift nicht. Das nötigt dazu, ihre Anwendung nicht über den Wortlaut hinaus auszudehnen.

Danach ist es somit zutreffend, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 5 HGB im vorliegenden Fall nicht angewendet hat.

3. Die entscheidenden Angriffe der Revision richten sich dagegen, daß das Berufungsgericht eine Anwendung des § 142 HGB auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft abgelehnt hat. Die Revision hält diese Meinung für unrichtig, weil die Vorschrift des § 142 HGB keine Sonderregelung für die Handelsgesellschaft enthalte, sondern nur die Bestätigung einer mit dem Wesen der Personalgesellschaft und der Gesamthand verbundenen Möglichkeit darstelle. Aber selbst wenn man dieser Ansicht nicht folge, sei, so meint die Revision, zu berücksichtigen, daß im Rahmen des rechtlich Zulässigen für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zueinander die Vorschriften der §§ 105 ff HGB maßgeblich geblieben seien. Das nötige zu der Folgerung, daß die Beklagte beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 HGB schuldrechtlich verpflichtet sei, das Geschäft auf die Klägerin zu übertragen. Hätte das Berufungsgericht diese rechtliche Folgerung erkannt, dann hätte das Berufungsgericht die Klägerin nach § 139 ZPO auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags hinweisen müssen. Schließlich müsse der Einwand der Arglist durchgreifen, wenn sich die Beklagte auf die Umwandlung der Gesellschaft und die allein dadurch bedingte Unmöglichkeit einer Anwendung des § 142 HGB berufe.

Dieser Angriff der Revision muß Erfolg haben.

Die wohl herrschende Lehre im Schrifttum ist der Ansicht, daß eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 142 HGB auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft nicht möglich sei (Staudinger/Kessler § 736 Anm. 6; Würdinger, Gesellschaften I S. 66; Palandt/Gramm § 736 Anm. 2 c; Erman/Schulze-Wenck § 736 Anm. 2; Larens, Schuldrecht II 3. Aufl. S. 259 Anm. 1). Zur Begründung dieser Ansicht wird darauf hingewiesen, daß die Vorschrift des § 142 HOB eine Sondervorschrift für die Personalhandelsgesellschaften sei, die den besonderen Bedürfnissen des Handelsverkehrs Rechnung trage und deshalb einer ausdehnenden Anwendung auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft nicht zugänglich sei. Daneben wird auf den Unterschied zwischen den bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht in diesem Punkt hingewiesen. Das bürgerliche Recht sorge lediglich für die Erhaltung einer bestehenden Zweckgemeinschaft, während das Handelsrecht den Bestand des wirtschaftlichen Unternehmens schütze, gleichgültig, in welcher Hand es sich befinde und in welcher Form es betrieben werde. Dieser Unterschied zwischen dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht zeige sich auch darin, daß bei der Handelsgesellschaft das Fortbestehen der bisherigen Zweckbestimmung des Vermögens eindeutig darin zum Ausdruck komme, daß das Handelsgewerbe als solches weiterbetrieben werde und daß sich bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nur schwer feststellen lasse, ob die bisherige Zweckbestimmung des Vermögens aufrechterhalten werde.

Diese Gründe rechtfertigen es nicht, die Anwendung des Rechtsgedankens des § 142 HGB auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft auszuschließen. Der Rechtsgedanke des § 142 HGB beruht auf dem An- und Abwachsungsprinzip, das der rechtlichen Ausgestaltung der Gesamthandsgemeinschaft eigen ist und für die Personalgesellschaften in der Vorschrift des § 738 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Dieses An- und Abwachsungsprinzip setzt, wie die Bestimmung des § 142 HGB zeigt, nicht den Fortbestand der Gesamthandsgemeinschaft voraus, es ist rechtlich auch durchführbar, wenn das Gesamthandsvermögen in der Hand des verbleibenden Gesamthänders zu seinem Alleineigentum wird. Dieser Rechtsgedanke hat auch bei der Erbengemeinschaft seinen Niederschlag gefunden, bei der sich die Anteile der Miterben durch Abtretung in der Hand eines Miterben vereinigen können, ohne daß es einer Einzelübertragung der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände bedarf (§ 2033 Abs. 2 BGB). Aus der rechtlichen Gestaltung des Gesamthandsvermögens, die im einzelnen zwingenden Charakter hat und nicht durch Parteivereinbarung geändert werden kann, läßt sich somit nichts gegen eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 142 KGB bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft herleiten.

Bei dieser Rechtslage kann es sich lediglich fragen, wie das auch von der wohl herrschenden Lehre im Schrifttum anerkannt wird, ob es sich bei der Vorschrift des § 142 HGB um eine Sondervorschrift für die Personalhandelsgesellschaften handelt, die allein auf die besonderen Verhältnisse des Handelsverkehrs zugeschnitten sei. Bei der Beantwortung dieser Frage kann nicht darauf abgestellt werden, daß das bürgerliche Recht lediglich für die Erhaltung einer bestehenden Zweckgemeinschaft sorge, während das Handelsrecht den Bestand des wirtschaftlichen Unternehmens schütze. Denn dieses Argument besitzt, wie H. Lehmann mit Recht einwendet (Gesellschaftsrecht 2. Aufl. S. 98; vgl. auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Bearbeitung S. 758), keine Überzeugungskraft, weil auch die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft nicht selten ein gewerbliches Unternehmen zum Gegenstand hat und hier der Bestandsschutz dann eine entsprechende Bedeutung wie bei den Personalhandelsgesellschaften gewinnen kann. Aber auch der weitere Gesichtspunkt der herrschenden Lehre, daß nämlich bei der Handelsgesellschaft die bisherige Zweckbestimmung des Gesellschaftsvermögens durch die Fortführung des Handelsgewerbes immer aufrechterhalten bleibe und daß sieh das gleiche im allgemeinen nicht für die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft sagen lasse, trägt die Ablehnung des Rechtsgedankens des § 142 HGB im Bereich der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nicht. Ein Vergleich mit der zweigliedrigen Erbengemeinschaft, bei der die Überführung des Gesamthandseigentums in Alleineigentum durch Abtretung des Erbanteils ohne Übertragung der zum Nachlaß gehörenden Einzelgegenstände möglich ist, zeigt, daß für den Rechtsgedanken des § 142 HGB die stärkere Zweckbindung des Gesamthandsvermögens bei der Personalhandelsgesellschaft durch den Betrieb eines Handelsgewerbes nicht entscheidend sein kann. Denn bei der Erbengemeinschaft liegt eine Zweckbindung des Gesamthandsvermögens überhaupt nicht vor und gleichwohl findet hier das Anwachsungsprinzip auch bei einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft Anwendung.

Es ist aber auch ein sonstiger Grund nicht ersichtlich, der einer Anwendung des Rechtsgedankens des § 142 HGB bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft entgegenstehen könnte. Kessler erwähnt bei Staudinger aaO, daß es namentlich bei Grundstücken im Interesse der Rechtsklarheit richtiger sei, bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft an dem Erfordernis der Auflassung festzuhalten. Es ist jedoch nicht zu erkennen, inwiefern die Rechtsklarheit durch die Zulassung des Rechtsgedankens des § 142 HGB auch bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft im Grundstücksverkehr Schaden nehmen könnte. Denn die Verhältnisse liegen in dieser Hinsicht nicht grundlegend anders als bei der Personalhandelsgesellschaft, weil in beiden Fällen die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen aus den Grundbuch ersichtlich ist, sei es daß als Eigentümer die Handelsgesellschaft (§ 124 HGB), sei es, daß als Eigentümer die Gesellschafter unter Angabe ihres Gesellschaftsverhältnisses (§ 47 GBO) im Grundbuch eingetragen sind. Auch bei einer etwaigen Berichtigung des Grundbuchs ergeben sich bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft keine besonderen Schwierigkeiten, weil insoweit die Sachlage mit der bei der Personalhandelsgesellschaft völlig übereinstimmt.

Nach alledem ist es geboten, den Rechtsgedanken des § 142 HGB auch bei der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft anzuwenden (HG SeuffArch 95 Nr. 33; DR 1944, 107; ebenso Oertmann Kon. BGB § 736 Anm. 4; Leonhard, Besonderes Schuldrecht S. 293; BGB-RGRK § 736 Anm. 6). Das bedeutet, daß in einer zweigliedrigen Gesellschaft die Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft vereinbaren können, daß der eine von ihnen das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernimmt und er den anderen Gesellschafter abzufinden hat. Des weiteren ist es danach zulässig, daß beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 737 BGB der ausschließungsberechtigte Gesellschafter das Recht zur Übernahme des Gesellschaftsvermögens ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven hat.

Die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen des § 737 BGB für ein Übernahmerecht sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Gesellschaft der Parteien war zunächst eine offene Handelsgesellschaft, auf die die Vorschriften der §§ 105 ff, also auch des § 142 HGB unmittelbar Anwendung fanden. Verwandelt sich eine solche offene Handelsgesellschaft ohne den Willen der Gesellschafter in eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft, weil eines der zwingenden gesetzlichen Begriffsmerkmale der offenen Handelsgesellschaft nachträglich wegfällt, so ist im Regelfall davon auszugehen, daß auf diese bürgerlich-rechtliche Gesellschaft weiterhin im Innenverhältnis die Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft Anwendung finden, soweit eine solche Anwendung gesellschaftsvertraglich vereinbart werden kann. Etwas anderes kann nur gelten, wenn eine einverständliche – auch stillschweigende – abweichende Abmachung unter den Gesellschaftern getroffen wird. Da sich aus dem Vortrag der Parteien für das Vorliegen einer solchen Abmachung hier nichts ergibt, muß der Fortbestand eines Übernahmerechts beim Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des anderen Gesellschafters bejaht werden. Das Übernahmerecht hat nur eine gesetzlich notwendige Modifikation dahin erfahren, daß es nicht mehr, wie im Fall des § 142 HGB, durch Gestaltungsklage, sondern durch einfache Gestaltungserklärung auszuüben ist. Denn in dieser Hinsicht sind der Vertragsvereinbarung im Rahmen der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft gesetzlich zwingende Grenzen gezogen; die Einführung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Gestaltungsklage ist der Disposition der Gesellschaft nicht zugänglich.

Aus alldem folgt, daß der Klägerin für den Fall, daß in der Person der Beklagten ein wichtiger Grund vorliegt (vgl. dazu noch RG SeuffArch 95 Nr. 33), ein Übernahmerecht zusteht. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, Sie Sache muß zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit die weiteren Voraussetzungen für das Übernahmerecht – auch die noch offengebliebene Frage nach dem Vorliegen einer zweigliedrigen Gesellschaft – geprüft werden. Dabei wird das Berufungsgericht auch auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags (Feststellungsantrag) mit Rücksicht darauf hinzuweisen haben, daß hier das Übernahmerecht nicht durch eine Gestaltungsklage ausgeübt werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision wird dem Berufungsgericht ebenfalls übertragen.

 

Unterschriften

Dr. Nastelski, Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Nörr, Dr. Reinicke

 

Fundstellen

BGHZ 32, 307

BGHZ, 307

NJW 1960, 1664

JR 1960, 378

Nachschlagewerk BGH

MDR 1960, 737

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