Leitsatz (amtlich)

In einer Komplementär-GmbH, deren Anteile von der KG gehalten werden, nehmen - sofern der Gesellschaftsvertrag der KG keine abweichenden Regeln enthält - die der KG als Alleingesellschafterin zustehenden Rechte in der Gesellschafterversammlung die organschaftlichen Vertreter der GmbH wahr. Über die Kündigung des organschaftlichen Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers der Komplementärin entscheiden deswegen dessen Mitgeschäftsführer.

 

Normenkette

GmbHG § 46 Nr. 5; HGB §§ 125, 161 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Bremen (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 2 U 114/05)

LG Bremen (Urteil vom 11.11.2005; Aktenzeichen 13 O 564/04)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Bremen vom 23.3.2006 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Bremen vom 11.11.2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger schloss mit der beklagten K. GmbH am 15.10.2002 einen ab dem 1.5.2003 laufenden Geschäftsführer-Anstellungsvertrag auf die Dauer von zunächst zwei Jahren. Der Vertrag sollte sich um jeweils vier Jahre verlängern, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Vertragsende gekündigt wird.

[2] Am 25.10.2004 wurde dem Kläger ein mit dem Briefkopf "I." versehenes Schreiben vom 21.10.2004 ausgehändigt, in dem es einleitend heißt: "Wie Ihnen bereits mündlich erörtert, kündigen wir Ihren Anstellungsvertrag mit der K. GmbH vom 15.10.2002 zum 30.4.2005." Unterschrieben war das nach der Schlussformel mit "I. Holding GmbH" gekennzeichnete Schreiben von M. B. ("President Germany"), P. V. ("Chief People Officer InBev S.A.") und T. Br. ("VP Human Resources").

[3] Alleingesellschafterin der Beklagten ist die Brauerei B. GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin - ohne Kapitaleinlage - die durch die beklagte K. GmbH vertretene K. GmbH & Co. OHG und deren Mehrheitsgesellschafterin mit einem Kommanditkapitalanteil von über 80 % die I. Holding GmbH ist. Im Kündigungszeitpunkt waren neben dem Kläger M. B., T. D., Dr. H. E. und R. To. zu Geschäftsführern der Beklagten bestellt. Sie wurde nach der Satzung durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer und einen Prokuristen, zu denen T. Br. gehörte, vertreten. Die Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers war von den übrigen Geschäftsführern der Beklagten am 23.9.2004 beschlossen worden. Der ursprünglich für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer der Beklagten zuständige Beirat der Brauerei B. GmbH & Co. KG, der noch den Anstellungsvertrag mit dem Kläger geschlossen hatte, wurde durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 5.5.2003 abgeschafft.

[4] Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, weil sie nicht von der Beklagten, sondern der I. Holding GmbH ausgesprochen worden sei. Er hat die Feststellung beantragt, dass das zwischen den Parteien bestehende Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 21.10.2004 beendet worden sei und zu unveränderten Bedingungen über den 30.4.2005 fortbestehe. Das OLG hat dem erstinstanzlich abgewiesenen Klagebegehren stattgegeben. Dagegen richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

[5] Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

[6] I. Das OLG hat die Kündigung als unwirksam erachtet, weil sie nicht im Namen der Brauerei B. GmbH & Co. KG als Alleingesellschafterin der Beklagten abgegeben worden sei. Tatsächlich sei die Kündigung auf dem Briefpapier der "I." ausdrücklich für die I. Holding GmbH erklärt worden. Das Kündigungsschreiben biete keinen Anhalt dafür, dass die Kündigung durch die Brauerei B. GmbH & Co. KG ausgesprochen worden sei. Die Berechtigung der Mitunterzeichner B. und Br., als Vertreter für die Brauerei B. GmbH & Co. KG zu handeln, ersetze nicht eine entsprechende Erklärung. Bei der Kündigung seien lediglich die konzerninternen Kompetenzrichtlinien, aber nicht die gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse beachtet worden.

[7] II. Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.

[8] 1. Zutreffend hat das OLG angenommen, dass nach Wegfall des bei der Beklagten eingerichteten Beirats die Entscheidung über die Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages des Klägers gem. § 46 Nr. 5 GmbHG der Gesellschafterversammlung der Beklagten obliegt (BGHZ 12, 337, 340; BGH, Urt. v. 1.12.1969 - II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251). Zu Recht geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die Kündigungsfrist gewahrt ist, weil der Kläger ungeachtet einer vorhergehenden sporadischen tageweisen Beschäftigung seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beklagten tatsächlich erst am 1.5.2003 aufgenommen hat und der Vertrag wegen der Laufzeit von zunächst zwei Jahren am 25.10.2004 mit einer Frist von sechs Monaten zum 30.4.2005 gekündigt werden konnte.

[9] 2. Die Geschäftsführer der Beklagten haben - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - am 23.9.2004 in ihrer (Doppel-)Funktion als Vertreter von deren Alleingesellschafterin wirksam die Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers beschlossen (§ 46 Nr. 5 GmbHG; Sen.Beschl. v. 8.1.2007 - II ZR 267/05, GmbHR 2007, 606 = BGHReport 2007, 660 = MDR 2007, 847 = ZIP 2007, 910 Tz. 7) und damit die rechtliche Voraussetzung für die Gültigkeit der gesondert abzugebenden Kündigungserklärung geschaffen (BGH, Urt. v. 28.10.2002 - II ZR 353/00, MDR 2003, 161 = GmbHR 2003, 33 m. Anm. Schmid = BGHReport 2003, 119 m. Anm. Kleveman = ZIP 2002, 2254; BGH, Urt. v. 27.3.1995 - II ZR 140/93, GmbHR 1995, 373 = MDR 1995, 587 = ZIP 1995, 643, 645 f.). Die Ausübung der Gesellschafterrechte bei der Beklagten wurde entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht durch § 4 Abs. 2 Nr. 12b des Gesellschaftsvertrages der Brauerei B. GmbH Co. KG auf deren Gesellschafter übertragen, weil die Bestimmung ersichtlich nur Tochtergesellschaften, aber nicht auch die eigene Komplementärin betrifft. Darauf, ob die genannte Bestimmung für die Kündigung eines organschaftlichen Anstellungsvertrages überhaupt gilt, kommt es danach nicht an.

[10] 3. Das Anstellungsverhältnis zu dem Kläger wurde von der Alleingesellschafterin - wie dem Kündigungsschreiben vom 21.10.2004 ohne Weiteres entnommen werden kann - wirksam im Namen der Beklagten gekündigt. Zu Unrecht zieht das Berufungsgericht dies im Hinblick auf § 164 BGB in Zweifel und meint, die Kündigungserklärung wäre nur gültig, wenn sie namens der Alleingesellschafterin der Beklagten verlautbart worden sei.

[11] a) Der Beschluss über die Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers vom 23.9.2004 hat seine notwendige Umsetzung in der Abgabe der Kündigungserklärung vom 21.10.2004 gefunden. Dabei wurde die Alleingesellschafterin - wie der Kläger wusste - ordnungsgemäß durch einen Geschäftsführer und eine Prokuristin, M. B. und T. Br., vertreten (Senat, Urt. v. 28.10.2002, a.a.O.).

[12] b) Wie aus dem Eingangssatz des Schreibens vom 21.10.2004, wonach der "Anstellungsvertrag mit der K. GmbH" gekündigt wird, in wünschenswerter Deutlichkeit ausdrücklich hervorgeht, haben die vertretungsberechtigten Unterzeichner namens der Beklagten gehandelt. Zwar mag der Briefkopf des Schreibens ("I.") und die Schlussformel ("I. Holding GmbH") für ein rechtsgeschäftliches Handeln auch im Namen der I. Holding GmbH D. sprechen. Daraus könnte aber nur hergeleitet werden, dass die handelnden Personen in Befolgung der "Managementrichtlinien" auch noch für die genannte Konzerngesellschaft tätig geworden sind. Eine solche Mehrfachvertretung auf einer Seite begegnet keinen Bedenken (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 3. Aufl. Band II § 48, 1.= S. 809), so dass der erkennbare Wille der Vertreter, für die Beklagte zu handeln, durch den (rechtlich unerheblichen) weitergehenden Willen, auch für die I. Holding GmbH D. aufzutreten, nicht berührt wird.

[13] III. Das Berufungsurteil ist, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), aufzuheben und das Urteil des LG wiederherzustellen.

 

Fundstellen

BB 2007, 1914

DB 2007, 1916

DB 2007, 303

DStR 2007, 1640

WPg 2007, 800

NWB 2007, 3759

BGHR 2007, 1127

EBE/BGH 2007

GmbH-StB 2007, 304

EWiR 2007, 689

MittBayNot 2008, 306

NZG 2007, 751

StuB 2008, 41

WM 2007, 1664

WuB 2007, 855

ZAP 2007, 1084

ZIP 2007, 1658

DNotZ 2008, 145

MDR 2007, 1382

GmbHR 2007, 1034

NotBZ 2007, 442

ZNotP 2007, 390

ZNotP 2007, 422

SJ 2007, 39

ZCG 2007, 213

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