Leitsatz (amtlich)

Der Herausgabeanspruch des Vermieters begründet ein Aussonderungsrecht im Konkurs nur in demselben Umfang wie derjenige nach § 985 BGB. Ein weitergehender mietvertraglicher Räumungsanspruch ist lediglich eine Insolvenzforderung (Abweichung von BGHZ 127, 156, 165 ff).

Die Konkursmasse des Mieters haftet für einen vertragswidrigen Zustand der Mietsache, über die das Mietverhältnis vor Konkurseröffnung beendet war, – insbesondere für Altlasten – nur, soweit der Konkursverwalter den Zustand durch ihm selbst zuzurechnende Handlungen verursacht hat.

Auch in der Insolvenz einer juristischen Person obliegt dem Verwalter jedenfalls vorrangig die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Demgegenüber treten denkbare Liquidationsaufgaben zurück.

 

Normenkette

BGB § 556 Abs. 1, § 985; GesO § 12 Abs. 1; KO § 43; InsO § 47; GesO § 13 Nr. 1; KO § 59 Abs. 1 Nr. 4; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; GesO § 1 Abs. 1; KO § 1 Abs. 1, § 207; InsO § 1

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg

LG Magdeburg

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. Februar 1999 und der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 7. Oktober 1998 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der B. GmbH. In dieser Eigenschaft vermietete er Betriebsgrundstücke einschließlich wesentlicher Bestandteile an die P. GmbH (nachfolgend P.). Wegen erheblicher Mietzinsrückstände der P. kündigte der Kläger das Mietverhältnis durch Schreiben vom 17. Januar 1997 fristlos.

Aufgrund eines gegen die P. gestellten Gesamtvollstreckungsantrags erließ das Amtsgericht Magdeburg am 20. November 1997 ein allgemeines Verfügungsverbot gegen sie und bestellte den Beklagten zum Sequester. Am 1. Januar 1998 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren gegen die P. eröffnet und der Beklagte zum Verwalter ernannt.

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Räumung und Herausgabe der Betriebsgrundstücke, insbesondere die Beseitigung der „auf den … Flächen erfolgten Verfüllungen durch Bauschutt, Müll oder ähnlichem”. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, das Oberlandesgericht dessen Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Klageabweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe und Räumung der Betriebsgrundstücke gemäß § 556 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch umfasse außer der Verschaffung der tatsächlichen Gewalt auch die Räumung. Übertrage der Mieter dem Vermieter zwar den Besitz, gebe er das Mietobjekt jedoch in verwahrlostem Zustand zurück und entferne er die zum Zwecke der Gebrauchsnutzung auf das Grundstück geschafften Sachen nicht, so enthalte er die Sache dem Vermieter vor. Nach dem zugrunde zu legenden Klägervortrag sei der Zustand des Mietobjekts derzeit noch so, daß die Entfernung der auf den Freiflächen des Grundstücks befindlichen Gegenstände und die Wiederherstellung des Ursprungszustandes nicht unerhebliche Aufwendungen erforderlich machten. Deshalb habe die P. ihre Räumungspflicht bis zur Eröffnung der Gesamtvollstreckung nicht erfüllt. Aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich nichts anderes. Er bestreite nur, daß der auf dem Gelände lagernde Bauschutt, Hausmüll und ähnliches auf Handlungen der Gesamtvollstreckungsschuldnerin zurückzuführen sei. Eine anderweitige Entstehung habe er jedoch nicht dargetan.

Weder die P. noch der Beklagte hätten den Räumungs- und Herausgabeanspruch erfüllt. Hierfür trage der Beklagte die Beweislast. Der Kläger habe sich insoweit auch nicht im Annahmeverzug befunden. Denn der Beklagte habe nicht vorgetragen, wann die Gemeinschuldnerin oder er als Sequester im Jahre 1997 dem Kläger gegenüber die Räumung des Mietobjekts erklärt hätten, und daß dieser die Entgegennahme abgelehnt habe. Ferner habe der Beklagte nicht ausreichend vorgetragen, der Zustand des Mietobjekts sei so gewesen, daß der Kläger an der Wiederinbesitznahme nicht gehindert werde. Dem stehe es nicht entgegen, daß der Kläger und Dritte vorhandene Hallen nutzten.

Endlich sei insoweit der Umstand bedeutungslos, daß über das Vermögen der P. inzwischen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden sei. Der Kläger mache einen Aussonderungsanspruch geltend. Eine Verpflichtung der Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsmasse zur Räumung und Herausgabe trete ein, wenn der Gesamtvollstreckungsverwalter den Mietgegenstand zur Konkursmasse gezogen habe, indem er die Herausgabe abgelehnt oder ihn für die Masse genutzt habe. Hier sei der Beklagte zunächst davon ausgegangen, daß die P. ihrer Herausgabe- und Rückgabepflicht nicht nachgekommen sei. Noch mit Schreiben vom 30. März 1998 habe er erklärt, der Kläger möge sich zwecks Absprache eines Übergabetermins mit einem Bevollmächtigten des Beklagten in Verbindung setzen. Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, daß er zu einem früheren Zeitpunkt in seiner Eigenschaft als Gesamtvollstreckungsverwalter erklärt habe, das Mietobjekt nicht für die Gesamtvollstreckungsmasse in Anspruch zu nehmen. Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe der P. und die unfertigen Erzeugnisse hätten mindestens zur Zeit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens noch auf dem Betriebsgrundstück gelagert, so daß der Beklagte es genutzt habe.

II.

Räumungsanspruch

1. Der Kläger stützt den eingeklagten Anspruch auf seine Eigenschaft als Vermieter; alleinige Eigentümerin des Grundstücks ist die Trägerin der von ihm verwaltete Vermögensmasse nicht. Gemäß § 556 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, nach der Beendigung des Mietverhältnisses die gemietete Sache zurückzugeben.

a) Dieser vertragliche Anspruch reicht weiter als derHerausgabeanspruch des Eigentümers: Nach § 985 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer grundsätzlich nur den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden. Dagegen erstreckt sich die Herausgabepflicht des rechtsgrundlosen Besitzers nicht auf die Wegnahme von Einrichtungen oder die Beseitigung von Veränderungen (MünchKomm-BGB/Medicus, 3. Aufl. § 985 Rn. 18).

Mit diesem begrenzten Umfang begründet auch der Herausgabeanspruch des Vermieters ein Aussonderungsrecht, dessen Erfüllung durch den Konkursverwalter zu Masseschulden führen kann (s.u. III).

b) Davon ist die mietvertraglicheRäumungspflicht zu unterscheiden. Sie hat grundsätzlich zum Inhalt, daß der Mieter bei Vertragsende die Mietsache im vertragsgemäß geschuldeten Zustand zurückzugeben, ihn also notfalls herzustellen hat. Diese weitergehende Pflicht des Mieters beruht allein auf dem von ihm abgeschlossenen Vertrag. Sie kann nur unter den hierfür allgemein geltenden Regeln – § 13 Nr. 1 GesO, § 59 KO oder § 55 InsO – zur Masseverbindlichkeit werden. Dies gilt insbesondere für die Wegnahme von Einrichtungen des Mieters sowie die Beseitigung der von ihm vorgenommenen Veränderungen, die zur Räumung im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB gehören. Anderenfalls würde die durch § 13 Nr. 1 GesO (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KO, § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO) bezweckte Begrenzung von Masseschulden unterlaufen (ebenso BGHZ 72, 263, 267). Dem steht das Urteil BGHZ 86, 204 ff nicht entgegen; in diesem Falle hatte das Mietverhältnis die Konkurseröffnung überdauert, und dem Konkursverwalter oblagen daraus begrenzte nachvertragliche Obhutspflichten zur Vermeidung weiterer Verschlechterungen. Darum geht es im vorliegenden Falle nicht (s.u. 2 a).

Zwar ändert die Eröffnung des Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht den Inhalt des Räumungsanspruchs selbst. Diese Folge besagt aber umgekehrt auch nichts darüber, in welchem Umfange die dafür entstehenden Kosten Masseschulden oder nur Gesamtvollstreckungsforderungen begründen. Insoweit sind die Anspruchsfolgen teilbar (BGHZ 125, 270, 275 ff; Schulz InVo 1999, 161, 164 f; vgl. §§ 105, 108 Abs. 2 InsO). An der Teilbarkeit ändert auch der Umstand nichts, daß der reineHerausgabeanspruch ein Aussonderungsrecht begründen kann (s.u. III). Diese Verstärkung des vertraglichen Anspruchs des Vermieters soll nur verhindern, daß die Aussonderungsbefugnis allein von der Eigentümerstellung abhängt. Der Vermieter, der selbst nicht Eigentümer ist, soll alsonicht schlechter gestellt werden als der vermietende Eigentümer.Keinesfalls soll er aberbesser gestellt werden als dieser: Die Aussonderung beschränkt sich auch dann ihrem Umfang nach stets auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes am Grundstück. Nur Kosten, die in diesem Umfang anfallen, können die Gesamtvollstreckungsmasse als solche belasten. Soweit der Mieter hingegen wegen der Verschlechterung der Mietsache Schadensersatz schulden mag, begründet dies lediglich eine Gesamtvollstreckungsforderung.

An dieser Abgrenzung ist der erkennende Senat nicht durch entgegenstehende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gehindert. Zwar hat der XII. Zivilsenat ausgesprochen, daß der mietvertragliche Rückgabeanspruch auch insoweit vom Konkursverwalter zu Lasten der Masse zu erfüllen sei, als er die Entfernung zurückgelassener Sachen umfasse (BGHZ 127, 156, 165 ff). Der XII. Zivilsenat hat jedoch auf Anfrage erklärt, daß er in diesem Punkt nicht an der im genannten Urteil vertretenen Auffassung festhalte.

2. Der Räumungsanspruch des Klägers begründet nach dessen eigenem Vorbringen hier keine Masseschuld (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO), sondern allenfalls eine Gesamtvollstreckungsforderung. Deren Erfüllung kann er nicht vom Beklagten als Gesamtvollstreckungsverwalter verlangen; statt dessen steht ihm nur die Möglichkeit offen, den Erfüllungs- oder einen aus der Nichterfüllung folgenden Schadensersatzanspruch zum Vermögensverzeichnis (§ 11 GesO) anzumelden.

a) Der Beklagte schuldete die vertragliche Rückgewähr im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB nicht als Masseverbindlichkeit.

Für Veränderungen der Mietsache, eingetretene Verschmutzungen oder das Ansammeln störender Gegenstände hätte die vom Beklagten verwaltete Masse gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO nur einzustehen, wenn der Beklagte persönlich oder durch ihm selbst zuzurechnende Handlungen (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) den vertragswidrigen Zustand verursacht hätte. Anderenfalls haftet die Gesamtvollstreckungsmasse jedenfalls dann nicht für den nachteiligen Zustand einer Mietsache, den der Gesamtvollstreckungsschuldner vor Verfahrenseröffnung herbeigeführt hat, wenn der zugrundeliegende Mietvertrag vorher beendet wurde.

Die Kosten, die bei der vertragsgemäßen Herstellung eines vor Konkurseröffnung beendeten Mietverhältnisses im Sinne von § 556 Abs. 1 BGB anfallen, begründen reine Konkursforderungen (BGHZ 72, 263, 265 f; OLG Dresden DZWIR 1999, 388 f). Insbesondere für die Verunreinigung eines Pachtgrundstücks hat der erkennende Senat entschieden, daß der vertragliche Wiederherstellungsanspruch des Verpächters nur eine Vergleichsforderung gemäß § 36 Abs. 2 VerglO – also entsprechend der Konkursforderung – begründet, soweit die nachteilige Veränderung der Pachtsache bei der Eröffnung des Vergleichsverfahrens bereits vorhanden war. Für den Fall, daß danach der Vergleichsverwalter den Pachtvertrag fortsetzt, ist die vertragliche Herstellungspflicht bei Ende des Pachtvertrages aufzuteilen; dem Verpächter – der einen ungekürzten Wiederherstellungsanspruch geltend macht – obliegt hierbei die Beweislast dafür, daß die nachteiligen Veränderungen erst nach der Eröffnung des Vergleichsverfahrens eingetreten sind (BGHZ 125, 270, 272 ff). Dieser Ansatz, den Rechtszustand für die Zeit vor und nach Konkurseröffnung zu trennen, entspricht zugleich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG ZIP 1991, 1295, 1298 f) und des Bundesfinanzhofs (BFH ZIP 1986, 316, 317). Die Teilbarkeit des Vertrages heben die §§ 108 Abs. 2, 105 InsO gerade auch für Miet- und Pachtverhältnisse besonders hervor.

b) Diese Rechtslage ändert sich nicht deswegen, weil der Beklagte hier das Vermögen einer juristischen Person als Handelsgesellschaft verwaltet. Der Senat hat schon früher der Auffassung (insbesondere von K. Schmidt, zuletzt in ZIP 2000, 1913, 1916 f) widersprochen, daß es dem Konkursverwalter selbständig obliege, eine juristische Person zu liquidieren. Vielmehr hat der Verwalter vorrangig die Interessen der Gläubiger zu wahren (Senatsurt. v. 28. März 1996 – IX ZR 77/95, ZIP 1996, 842, 844). Auch die Insolvenzordnung geht von dieser Sicht aus. Gemäß § 1 Satz 1 InsO dient das Insolvenzverfahren in erster Linie dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Der in § 1 Abs. 2 Satz 3 des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung vorgesehene weitere Zweck, für die Abwicklung juristischer Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeiten zu sorgen, ist nicht Gesetz geworden. Zur Begründung hat der Rechtsausschuß des Bundestages ausgeführt, die Vorschrift sei redaktionell gestrafft „und dadurch auf ihre wesentlichen Elemente zurückgeführt worden” (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Bundestags-Drucksache 12/7302 S. 155 zu § 1). Unabhängig davon, welche Rückschlüsse im einzelnen aus der Gesetzgebungsgeschichte zu ziehen sind, wäre eine Abwicklung der juristischen Person jedenfalls dem als „wesentlich” hervorgehobenen gesetzlichen Hauptzweck des Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens untergeordnet: Würde sie die Gläubigerbefriedigung verkürzen, hat diese uneingeschränkt Vorrang.

Dem steht § 199 Satz 2 InsO nicht entgegen. Diese Vorschrift setzt voraus,daß bei der Schlußverteilung ein Überschuß bleibt, und regelt nur dessen Verteilung. Sie besagt hingegen nichts darüber, ob und gegebenenfalls wie ein solcher Überschuß zustande kommt. Insbesondere regelt sie nicht, wie und in welchem Umfang vorrangige Masseverbindlichkeiten begründet werden.

c) Der erkennende Senat weicht mit diesem Ausspruch nicht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Soweit dieses durch Urteil vom 22. Oktober 1998 (WM 1999, 339, 341 f) entschieden hat, daß die Kosten einer Ersatzvornahme als Masseschuld zu befriedigen sind, wenn den Konkursverwalter die Beseitigungspflicht als eigene trifft, ging es um die Haftung des Insolvenzverwalters alsBetreiber einer Anlage, nicht allein um einen störenden Zustand des konkursbefangenen Vermögens.

Hiermit befaßt sich allerdings ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1999 (WM 1999, 818, 819 f; a.M. AG Essen ZIP 2001, 756, 757; einschränkend auch VGH Kassel NZI 2000, 47, 48). Es hat angenommen, daß die an einen Gesamtvollstreckungsverwalter gerichtete Anordnung zur Beseitigung einer Störung, die von Massegegenständen ausgeht, unabhängig vom Entstehungszeitpunkt dieser Störung wie eine Masseverbindlichkeit zu behandeln sei. Dabei hat es sich allerdings nicht inhaltlich mit einer Abgrenzung des § 13 Abs. 1 – gegenüber § 17 – GesO befaßt; die erstgenannte Vorschrift ist in dem Urteil nicht einmal erwähnt. Zudem setzt sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit den zuvor aufgeführten Urteilen des Bundesgerichtshofs auseinander, die zum Konkursrecht von einer anderen Abgrenzung ausgehen (s.o. 1 b, 2 b). Der erkennende Senat sieht danach den tragenden Grund dieser verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in den Ausführungen speziell zur öffentlich-rechtlichen Ordnungspflicht. Diese soll sich „weder in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht auf eine frühere Verpflichtung der Gesamtschuldnerin vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens” beziehen, sondern „ausschließlich an den aktuellen Zustand des zur Masse gehörenden Betriebsgeländes” anknüpfen. „Für eine solche, von Massegegenständen ausgehende (Zustands-)Störung [sei] der Gesamtvollstreckungsverwalter wegen seines im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin ausschließlichen Besitzrechts verantwortlich; denn ihm obliege aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Stellung die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die sich auf Gegenstände der Konkursmasse beziehen”. Vor allem der abschließende Satz, die Befugnis zum Erlaß der Beseitigungsverfügung unterliege „nicht den für Gesamtvollstreckungsforderungen geltenden Anforderungen der Gesamtvollstreckungsordnung”, zeigt, daß das Ordnungsrecht – dem bezeichneten Urteil zufolge – von den allgemeinen Schranken des Gesamtsvollstreckungs-(Insolvenz-)Rechts freigestellt sein soll. Darum geht es im vorliegenden Falle nicht. Auf die gewichtigen Bedenken insbesondere von Henckel (in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, herausgegeben vom Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen, Köln 2000, S. 92, 108 ff) gegen eine solche Sonderstellung kommt es danach nicht entscheidend an.

d) Der Kläger behauptet selbst nicht, daß der Beklagte auf den Zustand des Mietgrundstücks eingewirkt hätte. Sein Vortrag geht nur dahin, der Beklagte habe nicht den vertragsgerechten Zustand hergestellt. Dazu war und ist er jedoch, wie ausgeführt, nicht mit Mitteln der Gesamtvollstreckungsmasse verpflichtet. Das schließt auch seinen persönlichen Einsatz aus, der aus Mitteln der Gesamtvollstreckungsmasse zu vergüten wäre. Damit kann zugleich seine – rechtmäßige – Unterlassung nicht die Masse verpflichten. Der gegen sie gerichtete Räumungsanspruch ist deshalb unbegründet.

III.

Herausgabeanspruch

Der aus § 556 Abs. 1 BGB folgende Herausgabeanspruch kann – soweit sich sein Inhalt mit § 985 BGB deckt – grundsätzlich die Gesamtvollstreckungsmasse verpflichten (s.o. II 1 a). Das setzt jedoch voraus, daß ihr Verwalter für sie den Besitz innehält. Das ist hier nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht der Fall.

1. Danach ist es schon zweifelhaft, ob der Beklagte als Gesamtvollstreckungsverwalter überhaupt Besitz an den Betriebsgrundstückenergriffen hat (§ 854 Abs. 1 BGB). Denn das durch § 117 Abs. 1 KO gebotene Bestreben des Konkursverwalters (Gesamtvollstreckungsverwalters), die im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen zunächst – auch für den jeweiligen Eigentümer – sicher aufzubewahren, begründet noch keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen die Konkursmasse (zur Abgrenzung vgl. BGHZ 130, 38, 48 f). Ein solcher Gewahrsam kann auch fremdnützig sein.

2. Sogar wenn der Beklagte die Betriebsgrundstücke im Verhältnis zum Kläger in Besitz genommen hätte, hat er diesen nach dem unstreitigen Sachverhalt zurückübertragen.

Dazu genügte, wie unter II 1 ausgeführt, das Ermöglichen der Wegnahme, d.h. der Besitzergreifung durch den Kläger. Dieser behauptet selbst nicht, daß das Gelände für ihn verschlossen sei oder der Beklagte ihn davon fernhalte. Deshalb reichte nach § 854 Abs. 2 BGB die Einigung zur Besitzübertragung aus.

Auf das Räumungsverlangen des Klägers hat ihm der Beklagte durch Schreiben vom 30. März 1998 mitgeteilt, „Herr S. [sei] ermächtigt …, die Übergabe vorzunehmen”; ferner wurde der Kläger aufgefordert, einen Termin dazu abzustimmen. Er hat dieses Angebot nur deshalb nicht angenommen, weil er rechtsirrig meinte, zusätzlich die Räumung des Grundstücks durch den Beklagten verlangen zu können. Den Hinderungsgrund sieht er allein in den Verfüllungen mit Bauschutt, Müll und ähnlichem. Dieser steht aber der Herausgabe im Rechtssinne nicht entgegen. Unstreitig werden wenigstens Teile des Grundstücks – insbesondere der Gebäude – von anderen Unternehmen wenigstens mit Duldung des Klägers genutzt. Sein eigener Vortrag ergibt nicht, daß seine Herrschaftsgewalt sich nicht auf jeden Teil des Grundstücks erstreckt. Damit ist die Aussonderung vollzogen.

 

Unterschriften

Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 05.07.2001 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 252

DB 2001, 2343

DStR 2003, 38

NJW 2001, 2966

BGHR 2001, 758

DWW 2001, 333

EWiR 2002, 395

IBR 2001, 702

KTS 2001, 494

NZM 2001, 856

Nachschlagewerk BGH

WuB 2002, 79

ZAP 2001, 1385

ZIP 2001, 1469

ZMR 2001, 792

ZfIR 2001, 728

DZWir 2002, 199

InVo 2001, 368

JuS 2002, 83

MDR 2002, 54

NJ 2002, 95

NZI 2001, 531

NZI 2002, 14

Rpfleger 2001, 612

ZInsO 2001, 751

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