Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei längerem Leerstand eines Ferienhauses

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Feststellung des Bestehens oder der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden, wie z.B. der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung, die Dauer der Renovierung zur Vorbereitung einer Vermietung wie auch die (fehlende) Absehbarkeit, ob und ggf. wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung sind auch spätere Tatsachen und Ereignisse zu berücksichtigen.

2. Nach der BFH-Rechtsprechung ist bei einer vorangehenden auf Dauer angelegten Vermietung davon auszugehen, dass das betreffende Haus selbst während Leerstandszeiten der Erzielung von Vermietungseinkünften dient, zumal wenn das Objekt in dieser Zeit betriebsbereit gemacht und anschließend tatsächlich vermietet wird.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 24.11.2004; Aktenzeichen 10 K 10348/01)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erzielten als Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Kläger ist aufgrund einer Schenkung seit 1990 Eigentümer eines mit einem kleinen Holzhaus bebauten Grundstücks in X (Mecklenburg-Vorpommern) und im Wege der Erbfolge nach seinen Eltern seit 1999 Eigentümer eines mit einem Fertighaus (EFH) bebauten Grundstücks in Y (Niedersachsen). Im Zeitpunkt der Schenkung war das Holzhaus aufgrund eines Mietvertrages dauerhaft vermietet bis Mai 1997. Aus dieser Vermietung resultierten seit 1990 Werbungskostenüberschüsse, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) steuermindernd berücksichtigte.

In der Einkommensteuererklärung für 1999 (Streitjahr) machten die Kläger Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung i.H. von … DM (X) und erstmalig für Y i.H. von … DM geltend; Einnahmen wurden mangels Vermietung nicht erklärt. Die Werbungskostenüberschüsse ergaben sich hauptsächlich aus der Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen in Form von Material- und Reisekosten. Beide Objekte sollten --so die Kläger-- nach Beendigung dieser Arbeiten an wechselnde Feriengäste vermietet werden. Mit Vertrag vom März 2000 verpachtete der Kläger das Grundstück in X zum Zwecke der Ferienwohnungsvermietung an die Klägerin; sie vereinbarten den Ausschluss der Selbstnutzung durch den Verpächter und einen Pachtzins von 80 % der aus der Beherbergung erzielten Umsätze. Die Kläger erklärten, im Streitjahr 14 Fahrten (zu insgesamt 81 Tagen) nach X und 5 Fahrten (zu insgesamt 24 Tagen) nach Y durchgeführt zu haben, um die notwendigen Arbeiten in Eigenleistung selbst auszuführen.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ließ das FA die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse mangels tatsächlicher Vermietung und nicht ausschließbarer Eigennutzung unberücksichtigt. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab; es fehle jedenfalls für das Streitjahr der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und einer Einkünfteerzielung in Bezug auf künftige Einnahmen aus einer Vermietung, zumal eine Selbstnutzung nicht ausgeschlossen und auch eine Veräußerung der Objekte denkbar sei. Eine Vermietungsabsicht sei angesichts nur vager Angaben dazu nicht nachgewiesen, ernsthafte Vermietungsbemühungen nicht belegt.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1, § 21 des Einkommensteuergesetzes --EStG--,

§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger habe von Beginn an mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Beide Gebäude seien durch Instandsetzung und Renovierung erst in einen vermietungsbereiten Zustand versetzt worden; aus Kostengründen seien die Arbeiten anlässlich der Aufenthaltstage in Eigenleistung erbracht worden; eine private Selbstnutzung könne daraus nicht abgeleitet werden. Im Übrigen habe das FG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten i.H. von … DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt unter Verweis auf das FG-Urteil,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat mit allein nicht hinreichenden Erwägungen den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten abgelehnt; seine Gesamtbeurteilung hält daher einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Sätze 1, 2 EStG) sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) alle Aufwendungen, die durch diese Einkunftsart veranlasst sind.

a) Sie können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart beisteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 2. a). Dieser ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat und nicht wieder aufgegeben hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Mai 2003 XI R 8/02, BFH/NV 2003, 1315, unter II. A. 2. a; vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit im Fall eines Leerstandes des Gebäudes; der Entschluss zur Einkünfteerzielung darf nicht im Zusammenhang mit dem Leerstand aufgegeben worden sein (vgl. BFH-Urteile vom 19. September 1990 IX R 5/86, BFHE 161, 479, BStBl II 1990, 1030; vom 6. September 2006 IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406, unter II. 1. b; BFH-Beschluss vom 21. September 2006 IX B 79/06, BFH/NV 2007, 50, m.w.N.). Die Absicht der Einkünfteerzielung fehlt hingegen, wenn der Steuerpflichtige sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück selbst nutzen, langfristig vermieten oder kurzfristig verkaufen will (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 2003 IX R 21/99, BFH/NV 2003, 1168; vom 18. Januar 2006 IX R 18/04, BFH/NV 2006, 1078).

b) Für die Feststellung des Bestehens oder der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden (vgl. BFH-Urteile vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554; in BFH/NV 2007, 406; BFH-Beschluss vom 19. August 2002 IX B 190/01, BFH/NV 2003, 147), wie z.B. der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung, die Dauer der Renovierung zur Vorbereitung einer Vermietung wie auch, ob absehbar ist, wann die Räume ggf. im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1990 IX R 63/86, BFH/NV 1991, 303; in BFHE 161, 479, BStBl II 1990, 1030). Dabei sind --entgegen der Ansicht des FG-- auch spätere Tatsachen und Ereignisse zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1999 IX S 10/98, BFH/NV 1999, 925; BFH-Urteile vom 22. April 1997 IX R 17/96, BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650; vom 8. März 2006 IX R 19/04, BFH/NV 2006, 1637, unter II. 2., a.E.).

Ob im Einzelfall Indizien für oder gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der Feststellung und Würdigung, die das FG als Tatsacheninstanz nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu beantworten hat.

2. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Gesamtwürdigung des FG ist rechtsfehlerhaft unvollständig; denn es hat nicht alle maßgeblichen Tatsachen und Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen.

a) Das FG hat mit nur auf das Streitjahr bezogenen Erwägungen den Werbungskostenabzug versagt. Zudem steht allein die angenommene Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der späteren Selbstnutzung oder Veräußerung der Objekte durch die Kläger einem Werbungskostenabzug nicht zwingend entgegen. Zu Unrecht hat das FG spätere Ereignisse entgegen der vorstehenden Rechtsprechung (s. unter 1. b) nicht für einen möglichen Rückschluss auf das Streitjahr berücksichtigt. Dies gilt auch, wenn sich in Fällen des renovierungsbedingten Leerstandes nicht absehen lässt, ob und ggf. wann die Räume für eine Vermietung genutzt werden. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des FG, sondern allein Sache des Steuerpflichtigen, darüber zu befinden, ob und inwieweit Renovierungsarbeiten aus Zeit- und/ oder Geldgründen langsamer oder schneller und insbesondere diese Arbeiten in Eigenleistung selbst oder durch Fremdfirmen durchgeführt werden.

b) Hinsichtlich des Objekts in X hat das FG einerseits nicht bzw. nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieses in der Zeit bis Mai 1997 dauerhaft vermietet war und bereits ab Juni 2000 (Folgestreitjahr) regelmäßig an Feriengäste --mit bis 2002 steigender Tendenz-- vermietet wurde. Nach der BFH-Rechtsprechung ist bei einer vorangehenden auf Dauer angelegten Vermietung davon auszugehen, dass das betreffende Haus selbst während Leerstandszeiten der Erzielung von Vermietungs-Einkünften diente (vgl. BFH-Urteile vom 6. Mai 2003 IX R 89/00, BFH/NV 2004, 1381; vom 5. April 2005 IX R 48/04, BFH/NV 2005, 1299), zumal das Objekt in dieser Zeit betriebsbereit gemacht wurde. Dass der Kläger seinen Entschluss zur Einkünfteerzielung mit Beginn des renovierungsbedingten Leerstandes aufgegeben hätte, ist nicht festgestellt; dagegen sprechende Anhaltspunkte (wie eine spätere Selbstnutzung oder Veräußerung) sind aus den Akten nicht ersichtlich.

Andererseits ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Selbstnutzung des Objekts in X nicht ausgeschlossen war. Der mit der Klägerin geschlossene Pachtvertrag sah zwar einen Ausschluss der Selbstnutzung durch den Kläger als Verpächter, nicht aber durch die Klägerin als Pächterin vor. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit das Objekt tatsächlich selbst genutzt oder eine Selbstnutzung vorbehalten wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. März 2004 IX B 140/03, BFH/NV 2004, 957; vom 9. März 2006 IX B 143/05, BFH/NV 2006, 1281). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BFH-Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, und IX R 38/98, BFH/NV 2002, 770) sind zwar kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung anlässlich eines Mieterwechsels oder zur Erhaltung der Mietsache keine schädliche Selbstnutzung; die Aufenthalte in X haben aber nach Aktenlage nicht nur an einzelnen Tagen oder Wochenenden, sondern zum Teil auch über mehrere Tage und Wochen stattgefunden, was auf eine schädliche private Selbstnutzung schließen lässt. Das FG wird daher den Umfang der Arbeiten an den Aufenthaltstagen im Einzelnen aufklären müssen; insoweit obliegt den Klägern die Feststellungslast. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem das Ferienhaus ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten wird, kann ohne Weiteres, also ohne Durchführung einer Totalgewinnprognose vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden.

c) Hinsichtlich des Objekts in Y gelten die gleichen Maßstäbe. Danach ist --neben den allgemeinen, beide Objekte betreffenden Aussagen-- nicht hinreichend klar, aufgrund welcher konkreten Umstände und Beweisanzeichen das FG zum Ergebnis der Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen gelangt ist. Hier indiziert der unentgeltliche Erwerb mangels vorangehender Dauer-Vermietung keine wie auch immer geartete spätere Nutzung. Daher wird das FG festzustellen haben, ob der Kläger die Absicht hatte, langfristig Vermietungs-Einkünfte zu erzielen. Es wird unter Berücksichtigung weiterer tatsächlicher Feststellungen zum Zustand des Hauses, zum tatsächlichen Arbeits- und Renovierungsumfang zur Herstellung der Betriebsbereitschaft, zur möglichen Selbstnutzung und zu eventuellen Vermietungsbemühungen erneut in eine Gesamtwürdigung eintreten; dabei wird es auch den Arbeitsaufwand und Renovierungsumfang in X einerseits und andererseits die tatsächliche (dauerhafte) Vermietung ab November 2004 mitberücksichtigen müssen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Dieses wird die notwendigen Feststellungen und die danach erforderliche Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nachholen. Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1841406

BFH/NV 2008, 202

HFR 2008, 169

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