Entscheidungsstichwort (Thema)

(Degressive Gebäude-AfA nur für Neubauten - fehlende Prozeßvollmacht bei Erlaß des FG-Urteils)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, wonach die AfA nach § 7 Abs.5 EStG nur für Neubauten in Anspruch genommen werden können (Anschluß an BFH-Urteil vom 28.Juni 1977 VIII R 115/73, BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725). Ein Neubau liegt nicht allein schon dann vor, wenn sich durch die Umgestaltung die Zweckbestimmung des Gebäudes ändert; entscheidend ist, ob das Gebäude in bautechnischer Hinsicht neu ist.

 

Orientierungssatz

War bei Erlaß des vorinstanzlichen Urteils die Prozeßvollmacht noch nicht ausgestellt worden, so kann dieser Mangel auch nicht durch die Einreichung der schriftlichen Vollmacht während des Revisionsverfahrens behoben werden (vgl. Literatur).

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 5; FGO § 62 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb 1983 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung ein Grundstück, auf dem sich ein 1954 für den Betrieb einer Mühle errichtetes Gebäude mit einem 1958 angebauten eingeschossigen Lager- und Werkstattgebäude befand. Die anteiligen Anschaffungskosten für das Gebäude einschließlich des Nebengebäudes betrugen 235 150 DM.

Der vorherige Eigentümer hatte bereits damit begonnen, das Gebäude in ein Wohnhaus umzugestalten. Nach der 1980 erteilten Baugenehmigung handelte es sich bei dem Bauvorhaben um den "Umbau einer Mühle zu einem Wohnhaus". Der Kläger führte die Baumaßnahme bis zum März 1984 zu Ende; seine eigenen Aufwendungen betrugen 48 876 DM. Durch die Umgestaltung wurde eine 148,53 qm große Wohnung geschaffen. Seit April 1984 ist die Wohnung vermietet.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1984) machten die Kläger bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs.5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte auch im Einspruchsverfahren lediglich eine AfA nach § 7 Abs.4 EStG von 2 v.H. von Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von insgesamt 282 026 DM.

Die Klage blieb erfolglos.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts (§ 7 Abs.5 EStG) stützen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die angefochtene Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1984 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 8 461 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich der Höhe der Grundfreibeträge vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, in dem der erhöhte Kinderfreibetrag nach Art.1 Nr.18 des Steueränderungsgesetzes 1991 (StÄndG 1991) berücksichtigt ist. Diesen Bescheid haben die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision der Klägerin ist bereits deshalb unbegründet, weil die Klage insoweit wegen Fehlens der Vollmacht nach § 62 Abs.3 FGO unzulässig war. Dieser Mangel ist auch nicht durch die Einreichung der schriftlichen Vollmacht während des Revisionsverfahrens behoben worden; denn die Prozeßvollmacht der Klägerin vom 3.April 1987 war bei Erlaß des vorinstanzlichen Urteils noch nicht ausgestellt worden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.Aufl., § 62 Anm.85 m.w.N.).

2. Die Revision des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Zu Recht hat das FG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs.5 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung verneint.

a) Die AfA nach § 7 Abs.5 EStG können nur für Neubauten in Anspruch genommen werden. Die bauliche Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes kann jedoch grundsätzlich nicht als Herstellung eines neuen Gebäudes angesehen werden, solange das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz nicht beeinträchtigt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Juni 1977 VIII R 115/73, BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725), so z.B. dann, wenn die Außenmauern zum überwiegenden Teil weiter benutzt werden und mit dem Umbau lediglich eine Umgestaltung des durch die Außenmauern umbauten Raumes vorgenommen wird (BFH- Urteil vom 13.Januar 1972 IV R 180/67, BFHE 104, 489, BStBl II 1972, 331, zu § 16 des Berlinhilfegesetzes 1962 --BHG--). Nach Wortlaut und Zweck des § 7 Abs.5 EStG, die Erneuerung des Gebäudebestandes zu fördern (vgl. Clausen in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 EStG Anm.463 m.w.N.), ist es nämlich erforderlich, daß das hergestellte Gebäude in bautechnischer Hinsicht neu ist.

Der grundlegende Umbau eines Gebäudes steht nur dann einem Neubau gleich, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken und die Dachkonstruktion (vgl. Senatsentscheidung vom 19.März 1991 IX R 131/86, BFH/NV 1991, 670 zu § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--).

Die Voraussetzungen des § 7 Abs.5 EStG sind nicht allein schon dann erfüllt, wenn das Gebäude durch die Umgestaltung eine Funktions- oder Nutzungsänderung erfährt (a. A. Werndl in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Rdnr.F 12). Eine Änderung der Zweckbestimmung kann zwar zur Herstellung eines neuen Vermögensgegenstandes i.S. des § 255 Abs.2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) führen (vgl. Pankow/Schmidt-Wendt in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2.Aufl. 1990, § 255 Anm.378). Damit ist aber nur entschieden, daß es sich bei den hierfür aufgewendeten Kosten nicht um sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand, sondern um Herstellungsaufwand handelt. Dies bedeutet aber nicht, daß die Zweckänderung dem Gebäude notwendigerweise stets auch ein anderes bautechnisches Gepräge im oben genannten Sinne verleiht.

b) Ob eine Baumaßnahme als Neubau oder als Umbau des vorhandenen Gebäudes anzusehen ist, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles ab. Die Würdigung des Sachverhalts, die dem FG insoweit neben der Anwendung materiellen Rechts obliegt, ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar. Der Nachprüfung entzogen sind Feststellungen, zu denen das FG kommen konnte, wenn es auch nicht zu ihnen kommen mußte (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Senatsentscheidung vom 19.Juni 1991 IX R 1/87, BFHE 165, 355, 358, BStBl II 1992, 73 m.w.N.).

c) Im Streitfall konnte das FG zu dem Schluß kommen, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Neubaus seien nicht gegeben. Soweit es darüber hinaus materielles Recht angewandt hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs.2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG wurden zwar die Fenster zum Teil geändert oder geschlossen. Das gesamte Gebäude erhielt eine neue, 11,5 cm starke Verblendschale aus Ziegelsteinen und eine Isolierung aus 4 cm starken Luftschichtdämmatten auf dem bisherigen Mauerwerk. Der Dachstuhl wurde mit Tonfalzziegeln neu eingedeckt. Die vorhandenen Holzbalkendecken des Keller- und Erdgeschosses wurden durch Stahlbetondecken ersetzt. Im Erd- und Obergeschoß wurden zahlreiche Zwischenwände eingezogen. Das Gebäude erhielt neue Sanitär- und Elektroinstallationen, neue Fenster und Türen. Bei der baulichen Umgestaltung blieben jedoch die Fundamente, die tragenden Elemente des Gebäudes, Außenwände und die Dachkonstruktion erhalten.

Daraus konnte das FG trotz der umfangreichen Veränderungen noch den Schluß ziehen, daß kein wesentlicher Eingriff in die Gebäudesubstanz vorliege, weil die übernommenen Bauteile für die Statik und damit für die Lebensdauer des Gebäudes nach wie vor von wesentlicher Bedeutung gewesen seien.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64140

BFH/NV 1992, 59

BStBl II 1992, 808

BFHE 168, 109

BFHE 1993, 109

BB 1992, 1533

BB 1992, 1533-1534 (LT)

DB 1992, 1656 (LT)

DStR 1992, 1091 (KT)

HFR 1992, 527 (LT)

StE 1992, 439 (K)

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