Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Natur von Wertausgleichschulden bei Erbauseinandersetzungen und ihre Novation

 

Leitsatz (NV)

1. Wertausgleichschulden von Miterben gegenüber anderen Miterben, die bei der Erbauseinandersetzung begründet wurden, sind in vollem Umfang private Schulden, auch wenn die Erbauseinandersetzung Gewerbebetriebe betrifft.

2. Eine solche durch Erbauseinandersetzung entstandene private Schuld kann durch Novation zu einer betrieblichen Schuld werden, z. B. aus Darlehen oder stiller Beteiligung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; BewG 1965 § 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der im Januar 1966 verstorbene C. wurde zu je 1/3 von seinen beiden Söhnen H. und O. und seiner Tochter N. beerbt. Zum Nachlaß gehörte u. a. eine Beteiligung an der Firma X & Y, einer OHG (im folgenden Firma X & Y), und Beteiligungen an Partenreedereien. Der Erblasser hatte Vermächtnisse ausgeworfen und eine Teilungsanordnung getroffen. Diese sah u. a. vor, daß den beiden Söhnen die Beteiligung des Erblassers an der Firma X & Y und - in Anrechnung auf ihren Erbteil - die Beteiligungen des Erblassers an den erwähnten Partenreedereien zufallen und die Schwester dafür einen Wertausgleich erhält. Außerdem war Testamentsvollstreckung angeordnet, u. a. mit der Maßgabe, daß der Erbanteil der Tochter N. zu ihren Lebzeiten stets unter Verwaltung der Testamentsvollstrecker verbleibt und der Tochter in erster Linie der Ertrag ihres Erbanteils zur freien Verfügung überlassen werden soll. Zu Testamentsvollstreckern waren die beiden Brüder und der Notar Dr. AR. bestellt. Die Testamentsvollstrecker waren von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit.

Der erbrechtliche Wertausgleichsanspruch der Schwester N. gegen ihre beiden Brüder belief sich - unstreitig - auf . . . DM. Nach Auflösung der erwähnten Partenreedereien durch Schiffsverkauf zahlten die Testamentsvollstrecker in 1973 an N. . . . DM aus; die Restforderung von . . . DM wurde mit 8 % jährlich verzinst.

Ende 1966 hatten die Brüder zunächst zum Bau des TMS ,,Zet" und sodann zum Betrieb der Seeschiffahrt mit diesem Schiff die Partenreederei TMS ,,Zet", die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), gegründet. Mitreeder waren die Brüder H. und O. zu je 1/3. Korrespondentreeder war die Firma X & Y, an der die Brüder ebenfalls zu je 1/3 beteiligt waren. Die Herstellungskosten des 1968 in Dienst gestellten TMS ,,Zet" beliefen sich auf ca. . . . DM. Zur Finanzierung erhielt die Klägerin von ihrem Korrespondentreeder, der Firma X & Y, einen Kredit von . . . DM zur Verfügung gestellt.

Ende 1973 bewilligte die Klägerin die erstrangige Eintragung einer ab 1. Januar 1974 mit 8 % jährlich zu verzinsenden Schiffshypothek in Höhe von . . . DM zugunsten von Frau N. Dazu trägt die Klägerin vor, die Hypothekenvaluta habe der Ablösung der Darlehensschuld der Klägerin gegenüber der Firma X & Y und der Tilgung weiterer kurzfristiger Verbindlichkeiten, insbesondere gegenüber dieser Firma, gedient.

Am 8. Juli 1974 wurde das TMS ,,Zet" ins Ausland verkauft. Seitdem befindet sich die Klägerin in Liquidation.

Der Mitreeder O. ist 1974 verstorben. Er wurde von den Beigeladenen zu 1 und 2 beerbt.

Bei der Ermittlung ihres Gewinns für das Streitjahr 1974 behandelte die Klägerin die für die Zeit vom 1. Januar bis 8. Juli 1974 an Frau N. gezahlten Hypothekenzinsen von . . . DM als Betriebsausgaben.

Im Rahmen der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1974 zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs setzte die Klägerin die Hypothekenschuld gegenüber Frau N. als Betriebsschuld an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der Gewinnfeststellung für 1974 und der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1974 die Auffassung, die Verbindlichkeiten gegenüber Frau N. seien keine Betriebsschuld der Klägerin, sondern eine Privatschuld der Brüder gegenüber ihrer Schwester; demgemäß seien auch die Zinsen keine Betriebsausgaben (Gewinnfeststellungsbescheid vom 2. Januar 1978; Einheitswertbescheid vom 14. August 1978; Einspruchsentscheidung vom 8. April 1980).

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1974 und den Einheitswertbescheid zum 1. Januar 1974 zu ändern, und zwar dahin, daß die gezahlten Zinsen von . . . DM als Betriebsausgaben und die Schuld gegenüber Frau N. als Betriebsschuld berücksichtigt werden. Die Klägerin rügt Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Das Finanzamt beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die von der Klägerin an Frau N. gezahlten Hypothekenzinsen von . . . DM bei der Gewinnermittlung für die Klägerin nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können und daß die durch eine Schiffshypothek gesicherte Schuld gegenüber Frau N. bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1974 nicht als Betriebsschuld abgesetzt werden kann.

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß Wertausgleichsschulden eines oder mehrerer Miterben gegenüber einem oder mehreren anderen Miterben, die im Rahmen einer noch dem Erbfall zuzurechnenden, weil zeitlich mit diesem eng verflochtenen Erbauseinandersetzung begründet werden - in gleicher Weise wie Erbfallschulden z. B. Vermächtnis- oder Pflichtteilsschulden - in vollem Umfang Privatschulden sind, auch wenn Gegenstand der Erbauseinandersetzung u. a. ein gewerbliches Einzelunternehmen oder ein Anteil an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist (z. B. Urteil vom 7. Februar 1980 IV R 178/76, BFHE 130, 42, 45, BStBl II 1980, 383, m.w.N.). Der Senat hat jedoch andererseits mit Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 138/79 (BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380) entschieden, daß ein Kredit, den ein Miterbe beim Erwerb eines Kommanditanteils im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zur Finanzierung der an die anderen Miterben zu leistenden Ausgleichszahlung aufgenommen hat, eine Betriebsschuld ist und die dafür gezahlten Zinsen als (Sonder-)Betriebsausgaben abzugsfähig sind. In diesem Zusammenhang hat der Senat unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14. Februar 1973 I R 131/70 (BFHE 108, 527, BStBl II 1973, 395) auch erwogen, daß eine Schuld, die durch Erbfall (oder Erbauseinandersetzung) entstanden und demgemäß privater Natur sei, sogar bei voller Identität von Gläubiger und Schuldner durch Novation zu einer betrieblichen Schuld, z. B. aus Darlehen oder stiller Beteiligung, werden könne. Im Streitfall kann der Senat offenlassen, ob, wenn eine im Rahmen einer Erbauseinandersetzung begründete Wertausgleichsschuld eines Miterben gegenüber einem anderen Miterben durch Vereinbarung zwischen den als Gläubiger und Schuldner beteiligten Personen zivilrechtlich in eine Darlehensschuld (§§ 607 f. BGB) umgewandelt worden ist, diese einkommensteuerrechtlich ohne weiteres als Betriebsschuld zu beurteilen ist. Voraussetzung hierfür wäre zumindest in jedem Falle,

a) daß ein Darlehensvertrag rechtswirksam zustande gekommen ist und dieser, sofern die Beteiligten nahe Angehörige sind, seinem Inhalt nach dem entspricht, was zwischen Fremden üblicherweise vereinbart wird, und

b) zusätzlich, sofern die Umwandlung der Ausgleichsschuld in eine Darlehensschuld im Wege von Insichgeschäften (vgl. § 181 BGB) getroffen wird, daß der Vertragsabschluß und der Inhalt des Vertrags nach außen deutlich erkennbar werden, z. B. in der Form einer rechtzeitig schriftlich niedergelegten Vereinbarung (vgl. die BFH-Rechtsprechung zu Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter; z. B. Urteile vom 20. September 1967 I R 97/64, BFHE 90, 212, BStBl II 1968, 49; vom 21. Juli 1976 I R 178/75, BFHE 119, 457, BStBl II 1976, 761; vgl. ferner z. B. zu den zivilrechtlichen Anforderungen an den Nachweis eines Insichgeschäfts des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Einmann-GmbH Urteil des Oberlandesgerichts München vom 21. Juni 1983, 19 U 1328/83, GmbH-Rundschau 1984, 98).

2. Im Streitfall will die Klägerin offenbar geltend machen, daß Ende 1973 durch Insichgeschäfte zwischen einerseits H. und O. und Notar Dr. AR. als gemeinschaftlicher Testamentsvollstrecker (vgl. § 2224 BGB) entweder im eigenen Namen, aber für Rechnung des Nachlaßanteils der Frau N. oder in deren Namen aufgrund einer von dieser zusätzlich mündlich erteilten Vollmacht und andererseits H. und O. als geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter der Firma X & Y, diese wiederum handelnd als Korrespondentreederin der Klägerin, sowie H. und O. persönlich Verträge zustande gekommen sind, wonach die Klägerin die Ausgleichsschuld der Brüder gegenüber ihrer Schwester im Verrechnungswege übernimmt und diese Ausgleichsschuld gleichzeitig in eine Darlehensschuld umgewandelt wird. Dieses Vorbringen kann jedoch auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht zu dem von der Revision erstrebten Ergebnis führen.

Schriftliche Vereinbarungen über die geltend gemachten Insichgeschäfte, aus denen sich Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse und Inhalt der Verträge ergeben, liegen nicht vor. Es ist auch nicht auf andere Weise nach außen klar und deutlich erkennbar geworden, daß derartige Verträge durch Insichgeschäfte zustande gekommen sind und welchen Inhalt diese Verträge im einzelnen haben. Zwar hat die Klägerin Ende 1973 bewilligt, daß auf ihrem Schiff eine mit 8 % jährlich zu verzinsende Schiffshypothek erstrangig zugunsten von Frau N. eingetragen wird. Das reicht aber für eine nach außen erkennbare Dokumentation der in Frage stehenden Insichgeschäfte schon deshalb nicht aus, weil auch eine private Ausgleichsschuld der Brüder aufgrund einer Erbauseinandersetzung durch die Belastung des der Klägerin gehörigen Schiffes mit einer Hypothek gesichert werden kann, die grundpfandrechtlich gesicherte Forderung also nicht notwendig eine betriebliche Darlehensschuld der Klägerin sein muß, und weil überdies aus der grundbuchrechtlichen Bewilligung der Hypothekeneintragung keine Einzelheiten über den Inhalt der geltend gemachten Darlehensvereinbarung ersichtlich sind - abgesehen von einem Zinssatz von 8 % -. Selbst insoweit stimmt aber das, was nach außen erkennbar geworden ist (Zinssatz von 8 %), nicht mit dem überein, was nach Darstellung der Klägerin vereinbart worden sein soll, nämlich ein Zinssatz von 8 % ,,mit Anpassung nach Marktlage".

Damit fehlt es im Streitfall an den Voraussetzungen, die in jedem Falle vorliegen müssen, wenn davon ausgegangen werden soll, daß eine private Wertausgleichsschuld durch Vereinbarungen in eine betriebliche Darlehensschuld umgewandelt worden ist. Es kann unter diesen Umständen auf sich beruhen, ob, wie das FG angenommen hat, für die Qualifizierung der Darlehensschuld als Betriebsschuld zusätzlich erforderlich ist, daß die Darlehensnehmerin Kapitalbedarf hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413766

BFH/NV 1986, 16

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