Leitsatz (amtlich)

Zuwendungen, die Eltern einer heiratenden Tochter anläßlich der Eheschließung als Aussteuer machen, sind grundsätzlich nicht zwangsläufig i. S. von § 33 EStG, wenn die Eltern der Tochter durch den Besuch einer Handelsschule eine Berufsausbildung haben zuteil werden lassen. Das gilt auch dann, wenn die Tochter infolge ungenügender Leistungen die Handelsschule kurz vor dem Abschluß verläßt.

 

Normenkette

EStG 1969 § 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau haben zwei Töchter. Die ältere von ihnen hat nach dem Besuch der Volksschule und der Handelsschule eine Lehre als Dienstanfängerin bei einer öffentlichen Verwaltung absolviert und mit einer Abschlußprüfung beendet; bei ihrer Eheschließung im Jahre 1963 hat sie vom Kläger eine Aussteuer erhalten. Die jüngere Tochter, die im Jahre 1948 geboren ist, hat bis Ostern 1959 die Volksschule und dann die Mittelschule besucht. Im Anschluß daran ging sie zwei Jahre auf eine Handelsschule. Als im März 1966 feststand, daß sie in den Fächern Kurzschrift und Maschinenschreiben die Note mangelhaft bekommen werde, nahm sie der Kläger auf Anraten des Schuldirektors vor Ablegung der Abschlußprüfung aus der Schule. Vom 1. April 1966 bis zum 30. September 1968 war sie bei einer Sparkasse beschäftigt, wo sie in der Giroabteilung mit Sortier- und Tipparbeiten sowie mit der Verbuchung der anfallenden Geschäftsvorfälle auf den Kundenkonten betraut war. Von Oktober 1968 bis zu ihrer Eheschließung im Juni 1969 war sie bei einer Behörde als Angestellte der Vergütungsgruppe BAT IXb bzw. VIII tätig. Der Kläger und seine Ehefrau, die außer einem halben Anteil an einem Einfamilienhaus mit einem Einheitswert von 13 200 DM kein Vermögen besitzen, gaben ihrer Tochter im Juni 1969 aus Anlaß der Eheschließung eine Aussteuer von 7 660,45 DM. Der Kläger begehrte für diesen Betrag eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) entsprach diesem Antrag nicht; auch der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage des Klägers statt. Zur Begründung führte das FG insbesondere aus, für die Gewährung der Aussteuer habe zwar im Streitjahr keine rechtliche Verpflichtung für den Kläger bestanden. Die Aussteueraufwendungen seien ihm aber zwangsläufig erwachsen, da er sich ihnen aus sittlichen Gründen nicht habe entziehen können. Der Kläger sei nach § 1610 Abs. 2 BGB im Rahmen seiner Unterhaltspflicht rechtlich verpflichtet gewesen, seine Tochter für einen Beruf ausbilden zu lassen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Nach § 1 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl I 1969, 1112) müsse die Berufsausbildung in einer weitangelegten Grundbildung bestehen, die die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang vermittle. Der Besuch der Mittelschule und einer Handelsschule diene lediglich der Vorbereitung für eine solche Berufsausbildung; denn er vermittle lediglich ein Grundwissen, auf dem dann eine spezifische Fachausbildung hätte aufgebaut werden müssen. Daß die Tochter nach dem Abgang von der Handelsschule bei der Sparkasse und später bei einer Behörde eine bezahlte Bürotätigkeit habe verrichten können, sei ohne Bedeutung; denn in beiden Fällen sei sie als ungelernte Hilfskraft und nicht einmal in einem Anlernverhältnis beschäftigt gewesen. Es sei schon zweifelhaft, ob sie mit dem Verdienst für diese Tätigkeit in der Lage gewesen sei, ihren Lebensunterhalt selbständig zu verdienen. Auf jeden Fall wäre sie aber mangels einer ordnungsmäßigen Berufsausbildung für die Zukunft auf die Verdienstmöglichkeiten einer ungelernten Kraft beschränkt geblieben, was nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers nach dem Berufsbildungsgesetz entsprochen hätte.

Das FA rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 33 EStG; denn der Kläger sei seiner Tochter gegenüber nicht zur Gewährung einer Aussteuer sittlich verpflichtet gewesen, wie dies für die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung erforderlich sei. Das FG habe den Begriff der Berufsausbildung verkannt, wenn es angenommen habe, daß der Kläger seine Tochter nicht für einen Beruf habe ausbilden lassen. Unter einer Berufsausbildung sei nicht eine vollständige kaufmännische oder handwerkliche Lehre zu verstehen. Die Tochter des Klägers sei durch den Besuch der Mittelschule und der Handelsschule auch ohne eine Abschlußprüfung in die Lage versetzt worden, einen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Eine steuerlich bedeutsame Verpflichtung zur Gewährung einer Aussteuer sei für den Kläger schließlich auch nicht dadurch entstanden, daß die andere Tochter des Klägers eine Berufsausbildung bzw. eine Aussteuer erhalten habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Wie der Senat in den Grundsatzurteilen vom 7. August 1959 VI 7/69 S und VI 141/59 S (BFHE 69, 324 und 330, BStBl III 1959, 383 und 385) ausgeführt hat, wird eine Aussteuer an eine heiratende Tochter in der Regel aus dem Vermögen geleistet. Aussteuern gehören daher im allgemeinen in den Vermögensbereich der Eltern und berühren ihr Einkommen nicht. Sie belasten demnach grundsätzlich nicht das Einkommen und können daher im allgemeinen schon deshalb nicht zu einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG führen. Haben die Eltern kein entsprechendes Vermögen und wird die Zuwendung deshalb aus ihrem Einkommen bestritten, so kann eine nach § 33 EStG berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung vorliegen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Aussteuergewährung zwangsläufig i. S. des § 33 EStG ist. Nachdem durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl I 1957, 609) § 1620 BGB, der bis dahin die Aussteuerregelung enthalten hat, gestrichen und damit der Rechtsanspruch von Töchtern auf eine Aussteuer gegenüber ihren Eltern aufgehoben wurde, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Gewährung einer Aussteuer für die Eltern nur dann noch zwangsläufig sein, wenn sie zu dieser Zuwendung sittlich verpflichtet sind. Eine solche sittliche Verpflichtung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht vor, wenn die Eltern ihrer Tochter eine Berufsausbildung haben zuteil werden lassen. Dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (Abschn. 188 Abs. 1 EStR 1969). Da der Kläger und seine Ehefrau unstreitig kein Vermögen besitzen, aus dem sie die Aussteuer an ihre Tochter hätten leisten können, hängt die steuerliche Berücksichtigung der Aussteuer im Streitjahr davon ab, ob der Kläger der ihm nach § 1610 Abs. 2 BGB obliegenden Unterhaltspflicht, zu der auch die Ausbildung für einen Beruf zu rechnen ist, in ausreichender Weise nachgekommen ist. Das FG hat dies unter Hinweis auf das Berufsbildungsgesetz verneint.

Der Senat folgt dieser Beurteilung nicht. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule ist zwar nicht als Berufsausbildung anzusehen. Eltern, die ihre Tochter aber eine Handelsschule besuchen lassen, wenden ihr damit eine Ausbildung zu, die es der Tochter ermöglicht, unmittelbar im Anschluß an diese Schule einen Beruf auszuüben. Daß viele Absolventen einer Handelsschule nach dem Besuch dieser Schule noch eine Lehre oder andere Spezialausbildung erhalten, ändert nichts an der Tatsache, daß das Wissen, das durch Handelsschulen vermittelt wird, es ermöglicht, den Beruf einer Stenotypistin, Sekretärin oder einen ähnlichen Beruf auszuüben. Auf die Höhe der Entlohnung, die durch Ausübung dieser Berufe zu erreichen ist, kommt es für die im Streitfall zu entscheidende Frage nicht an; denn die Höhe des Gehalts hängt weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit und Begabung ab. Die Verdienstmöglichkeit muß daher für die im Rahmen des § 33 EStG erforderliche Entscheidung, ob die Eltern ihrer Verpflichtung zur beruflichen Ausbildung einer Tochter ausreichend nachgekommen sind, ebenso außer Betracht bleiben wie die Frage, ob die Eltern einer Tochter die ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten am besten entsprechende Ausbildung haben zuteil werden lassen. Das Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969 (a. a. O.), das vom FG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen wurde und das übrigens erst während des Streitjahres am 1. September 1969 in Kraft getreten ist, stellt in § 1 Abs. 2 lediglich allgemeine Grundsätze für eine Berufsausbildung auf. Es enthält aber keine Vorschriften, welche die auf § 1610 Abs. 2 BGB beruhende Pflicht der Eltern zur Berufsausbildung ihrer Kinder näher festlegt.

Im Streitfall hat die Tochter des Klägers zwar kurz vor dem Abschluß wegen der zu erwartenden schlechten Noten in den für den Handelsschulabschluß wichtigen Fächern Kurzschrift und Maschinenschreiben auf Anraten des Direktors der Schule diese vorzeitig verlassen. Dieser Umstand ändert nichts daran, daß der Kläger der elterlichen Pflicht, seine Tochter für einen Beruf auszubilden, erfüllt hat. Er hat während des Schulbesuchs seine Tochter unterhalten und ihr durch den Besuch der Handelsschule die Möglichkeit geboten, sich das für die Ausübung eines Berufs erforderliche Wissen anzueignen. Wenn dieses Ziel infolge ungenügender Leistungen der Tochter nicht in dem vom Kläger gewollten Maß erreicht wurde, ändert dies nichts daran, daß der Kläger seinerseits alles zur beruflichen Ausbildung seiner Tochter Erforderliche getan hat. Er hat damit seine Verpflichtung zur Berufsausbildung seiner Tochter erfüllt. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, daß er nicht ausreichend für die Berufsausbildung seiner Tochter gesorgt hätte und deshalb für ihn die sittliche Verpflichtung bestand, ihr anläßlich der Eheschließung eine Aussteuer zu geben. Ebensowenig ist eine Verpflichtung dazu aus dem Umstand abzuleiten, daß er seiner älteren Tochter einige Jahre vorher nach deren abgeschlossener Berufsausbildung bei der Eheschließung eine Aussteuer gegeben hat. Wenn der Kläger der jüngeren Tochter eine Aussteuer gegeben hat, so ist das anerkennenswert. Zwangsläufig i. S. von § 33 EStG war die Gewährung der Aussteuer nach Lage der Verhältnisse jedoch nicht.

Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Beurteilung beruht, war deshalb aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die vom Kläger begehrte Steuerermäßigung nach § 33 EStG zutreffend abgelehnt hat, war die Klage gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71351

BStBl II 1975, 440

BFHE 1975, 213

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