Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

überträgt ein Vater als Gesellschafter einer Personengesellschaft zur vorweggenommenen Regelung der künftigen Erbschaft einen Teil des Betriebsgrundstücks auf seinen Sohn als Mitgesellschafter, so liegt darin keine Entnahme des übertragenen Grundstücksteils mit der Folge, daß der Vater die in dem übertragenen Grundstücksteil enthaltenen stillen Reserven alsbald als Entnahmegewinn versteuern muß. Voraussetzung ist, daß der Sohn den Buchwert des übernommenen Grundstücksteils fortführt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 4; EStDV § 5

 

Tatbestand

Am Gewinn der Bfin., einer OHG, waren im Streitjahr 1953 Vater und Sohn als Gesellschafter mit je 50 v. H. beteiligt. Eigentümer des Betriebsgrundstücks war der Vater. In einem notariellen Vertrag übertrug er im Jahre 1953 das Miteigentum an dem Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbschaft unentgeltlich zur Hälfte auf den Sohn, der dann auch als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Das Grundstück wurde vor und nach dieser übertragung ausschließlich für den Betrieb der Bfin. genutzt.

Das Finanzamt behandelte die übertragung der Grundstückshälfte als Entnahme des Vaters aus dem Betrieb und nahm in Höhe der Hälfte des Unterschieds zwischen dem Teilwert und dem Buchwert des Grundstücks eine Gewinnverwirklichung beim Vater an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht gab im Streitpunkt der Berufung nicht statt und führte aus: Handelsrechtlich könne eine OHG selbständig Trägerin von Rechten und Pflichten sein; sie könne daher unter ihrer Firma auch dingliche Rechte erwerben und als Eigentümerin eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen werden. Einkommensteuerlich sei dagegen eine Personengesellschaft kein selbständiges Steuersubjekt; vielmehr würden die Mitunternehmer mit den auf sie entfallenden Gewinnanteilen zur Einkommensteuer herangezogen. Jeder Gesellschafter habe als Mitunternehmer einen eigenen Gewerbebetrieb; die Steuerbilanz der Personengesellschaft fasse nur die Bilanzen der Mitunternehmer zusammen (sogenannte Bilanzbündeltheorie). Hier hätten also der Vater und der Sohn als Gesellschafter der Bfin. jeder einen eigenen Gewerbebetrieb gehabt. Der Miteigentumsanteil an dem Grundstück sei dem Sohn in der Weise übertragen worden, daß der Vater die Grundstückshälfte in sein Privatvermögen überführt, also "entnommen", und außerhalb des Betriebsvermögens dem Sohn geschenkt habe, der sie dann wiederum aus seinem Privatvermögen in sein "Mitunternehmen" eingelegt habe. Diese Entnahme des Vaters sei gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 mit dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts zu berechnen. In Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Grundstückshälfte und ihrem Teilwert habe der Vater einen Gewinn verwirklicht.

Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Rechtsanwendung und führt aus, die Grundstückshälfte sei nicht zu betriebsfremden Zwecken entnommen, sondern sei vor und nach der übertragung ihr notwendiges Betriebsvermögen gewesen. Die übertragung der Grundstückshälfte sei darum steuerlich ohne Bedeutung. Der Bundesfinanzhof lehne überspannungen der Bilanzbündeltheorie ab und betone in Grenzfällen das handelsrechtliche Wesen der Personengesellschaft als gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen, z. B. im Urteil I 117/60 S vom 29. November 1960 (BStBl 1961 III S. 183, Slg. Bd. 72 S. 500). Im übrigen beruft sich die Bfin. für ihre Auffassung auf die rechtskräftigen Urteile des Finanzgerichts Münster Ia 135-136/55 vom 5. Januar 1956 (Entscheidung der Finanzgerichte - EFG - 1956 S. 77) und des Finanzgerichts Düsseldorf, Kammern in Köln, VII 130/60 F vom 26. Mai 1961 (EFG 1962 S. 53) sowie auf Theis ("Betrieb" 1957 S. 728).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Werden von einem Unternehmer unentgeltlich Wirtschaftsgüter seines Betriebs auf eine andere Person übertragen, so tritt dabei eine Gewinnverwirklichung ein, wenn durch die übertragung der Gegenstand gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 aus dem Betrieb "entnommen" wird. Die "Entnahme" ist ein Vorgang, durch den ein Wirtschaftsgut, das bisher dem Betrieb gewidmet war, aus dieser Bindung gelöst und in den außerbetrieblichen Vermögensbereich des Unternehmers überführt wird. Entnahme bedeutet also Entfernung aus dem Betriebsvermögen zu betriebsfremden Zwecken.

Hier war der Vater bis zur übertragung der Grundstückshälfte Alleineigentümer; nach der übertragung sind der Vater und der Sohn je zur Hälfte Eigentümer. Daß eine änderung der Eigentumsverhältnisse vor sich gegangen ist, liegt also offen.

Eine andere Frage ist aber, ob diese änderung der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse auch notwendig als "Entnahme" des Vaters und "Wiedereinlage" des Sohnes gewürdigt werden muß, wie es das Finanzgericht getan hat. Betrachtet man das Ergebnis des Finanzgerichts nicht juristisch-konstruktiv, sondern mehr vom wirtschaftlichen Erfolg her, so ist der Bfin. zuzugeben, daß das ganze Grundstück vorher und nachher ausschließlich ihrem Betrieb gedient hat. Die Vorstellung, daß in einem gedachten Augenblick der Vater die Grundstückshälfte zu betriebsfremden Zwecken aus seinem Betriebsvermögen entnommen, außerhalb des Betriebs dem Sohn übertragen und dieser dann die Hälfte wieder in sein Betriebsvermögen eingelegt habe, ist, wie Theis a. a. O. zutreffend bemerkt, bei einer wirtschaftlich orientierten Auslegung des EStG nur schwer nachzuvollziehen.

Das Finanzgericht beruft sich auf die sogenannte Bilanzbündeltheorie, die die Grundlage für die einkommensteuerliche Behandlung der Personengesellschaften bildet und die, wie dem Finanzgericht zuzugeben ist, bei folgerichtiger rechtstheoretischer Anwendung zu der Konstruktion und dem Ergebnis des Finanzgerichts führen kann. Der Bundesfinanzhof hat indessen, wie die Bfin. zutreffend bemerkt, schon bisher mehrfach, z. B. in den Entscheidungen I 159/57 U vom 14. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 193) und I 117/60 S (a. a. O.) darauf hingewiesen, daß die Bilanzbündeltheorie zwar grundsätzlich richtig ist, daß sie aber nicht durch eine zu starre Handhabung zu konstruktiven überspitzungen führen darf. Sofern steuerrechtliche Besonderheiten es nicht zwingend gebieten, muß angestrebt werden, das Steuerrecht mit dem bürgerlichen Recht in Einklang zu halten. Handelsrechtlich ist aber nicht zu bezweifeln, daß der Vater nicht die Hälfte des Betriebsgrundstücks "zu betriebsfremden Zwecken" entnommen hat.

Wenn man den Begriff "Gewinnverwirklichung" in Betracht zieht, kann man das Ergebnis des Finanzgerichts kaum als wirtschaftlich überzeugend bezeichnen. Die Rechtsprechung hat wiederholt betont, daß der Begriff "Gewinnverwirklichung" ein wirtschaftlicher Begriff sei und für eine Abgrenzung daher wirtschaftliche überlegungen im Vordergrund stehen müßten. Die Entnahme führt zu einer Gewinnverwirklichung, weil mit der Entnahme das Wirtschaftsgut den Kreis des steuerbaren Betriebsvermögens verläßt und die in ihm ruhenden stillen Reserven in diesem Augenblick erfaßt werden müssen, weil es später innerhalb des Privatvermögens nicht mehr geschehen kann. Diese Folge tritt hier indessen nicht ein. Das Grundstück ist notwendiges Betriebsvermögen der Bfin. und hat diese Eigenschaft in keinem Augenblick verloren. Die in ihm vorhandenen stillen Reserven werden später einmal in Erscheinung treten, sie es bei der Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs der Bfin. im ganzen oder der Gesellschaftsanteile der Gesellschafter (ß 16 EStG), bei der Veräußerung des Grundstücks oder bei seiner Entnahme zu betriebsfremden Zwecken. Wenn man den Sohn für die übernommene Grundstückshälfte an den Grundstückswert des Vaters bindet - wie es die Beteiligten selbst wollen -, so entgeht also der Besteuerung endgültig nichts; vielmehr wird nur die Besteuerung der stillen Reserven herausgeschoben.

Diese Auffassung führt in mehrfacher Hinsicht zu einem wirtschaftlich vernünftigen Ergebnis. Nach der Konstruktion des Finanzgerichts müßte der Vater alsbald einen Gewinn versteuern, der nicht einmal nach den §§ 16 und 34 EStG steuerlich begünstigt wäre, obwohl ihm aus der streitigen Transaktion keine Mittel zugeflossen sind, aus denen er die Einkommensteuer bezahlen könnte. Dazu kommt, daß hier der Vater dem Sohn die Grundstückshälfte zur vorweggenommenen Regelung der künftigen Erbschaft übertragen hat. Als Erbe könnte und müßte aber der Sohn die Werte des ererbten Betriebs, mithin auch den Buchwert des Betriebsgrundstücks, nach § 5 Abs. 1 EStDV 1953 fortführen (vgl. Urteil des Senats VI 49/61 S vom 22. Juni 1962, BStBl 1962 III S. 386, Slg. Bd. 75 S. 328). Es gibt aber keinen einleuchtenden Grund, eine vorweggenommene Erbregelung in diesem Punkt anders zu behandeln als die Erbschaft selbst. Schließlich könnte die Auffassung des Finanzgerichts einer vernünftigen Erbregelung bei Lebzeiten des Erblassers, die oft im Interesse aller Beteiligten liegt, aus rein steuerlichen überlegungen erschwerend im Wege stehen.

Aus allen diesen Gründen folgt der Senat den aus der Bilanzbündeltheorie abgeleiteten konstruktiven Erwägungen des Finanzgerichts nicht und verneint eine Gewinnverwirklichung durch Entnahme der Grundstückshälfte. Die Vorentscheidung und daher die Einspruchsentscheidung waren deshalb aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, damit es die einheitliche Gewinnfeststellung 1953 nach den Grundsätzen dieser Entscheidung ändert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411133

BStBl III 1964, 240

BFHE 1964, 19

BFHE 79, 19

BB 1964, 500

DB 1964, 643

DStR 1964, 264

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