Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Nutzungswerts der eigenen Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Nutzungswert der Wohnung kann dem Eigentümer nicht nach § 21 Abs.2 Alternative 1 EStG zugerechnet werden, wenn gegen seinen Willen ein anderer die Wohnung nutzt und diese dadurch dem Eigentümer nicht jederzeit zur Verfügung steht.

 

Normenkette

EStG 1977 § 21 Abs. 2 Alt. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im Jahre 1969 von ihrer Schwiegermutter ein unbebautes Grundstück mit Mitteln ihres damaligen Ehemannes. Das Grundstück wurde auf dessen Kosten mit einem Zweifamilienhaus bebaut. Die Eheleute bewohnten bis zum Auszug der Klägerin im Jahre 1976 das Zweifamilienhaus gemeinsam. Danach nutzten allein der frühere Ehemann und seine Mutter das Gebäude. Die Klägerin forderte beide im Streitjahr vergeblich auf, an sie eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Die Ehe der Klägerin wurde am 15.November 1978 geschieden.

Der geschiedene Ehemann der Klägerin erhob im Jahre 1980 gegen sie beim Landgericht Klage mit dem Begehren, das Zweifamilienhausgrundstück an ihn zu übertragen und aufzulassen. Er trug vor, er habe das Grundstück nur "pro forma" im Namen der Klägerin erworben. Er verlange es wegen groben Undanks nach § 531 Abs.2 i.V.m. § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heraus.

Das Landgericht gab seiner Klage teilweise statt. Es verurteilte die Klägerin, an ihren früheren Ehemann einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu übertragen und aufzulassen. Im übrigen wies es die Klage ab.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) rechnete den geschätzten Nutzungswert des Zweifamilienhauses für das Streitjahr 1978 der Klägerin zu.

Ihrer hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin ihrem geschiedenen Ehemann und dessen Mutter das Zweifamilienhaus entgeltlich oder unentgeltlich überlassen habe. Denn in keinem Falle habe die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Zweifamilienhaus erzielt. Nehme man eine entgeltliche Überlassung durch die Klägerin an, so scheitere eine Einkommensteuerpflicht daran, daß sie von ihrem geschiedenen Ehemann keinen Mietzins erhalten habe. Im Falle einer unentgeltlichen Überlassung hingegen müsse der Nutzungswert ihrem geschiedenen Ehemann nach § 21 Abs.2 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugerechnet werden. Er habe das Zweifamilienhaus aufgrund einer gesicherten Rechtsposition genutzt, die sich aus einer Leihe ergebe.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision, das FG habe rechtsfehlerhaft eine gesicherte Rechtsposition des früheren Ehemannes bejaht. Es habe dabei verkannt, daß eine gesicherte Rechtsposition nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.Oktober 1984 IX R 71/84 (BFHE 142, 443, BStBl II 1985, 154, eine vertragliche Rechtsgrundlage voraussetze. Eine bloße Inbesitznahme des Grundstücks durch den früheren Ehemann reiche hingegen nicht aus.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr im Ergebnis zutreffend verneint.

Die Klägerin bezog von ihrem früheren Ehemann keine Mieteinnahmen i.S. von § 21 Abs.1 EStG. Ein Mietverhältnis war zwischen den früheren Eheleuten nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG nicht zustande gekommen. Der geschiedene Ehemann war der Aufforderung der Klägerin vom 20.September 1978, ihr eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, nicht gefolgt.

Der Klägerin kann auch nicht der Nutzungswert des Zweifamilienhauses nach § 21 Abs.2 Alternative 1 EStG zugerechnet werden. Nach § 21 Abs.2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Hause (Alternative 1) oder der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung (Alternative 2).

Eine Wohnung im eigenen Hause wird i.S. der Alternative 1 in erster Linie durch ein eigenes Wohnen mit den Familienangehörigen genutzt. Der Eigentümer kann seine Wohnung nach der Alternative 1 aber auch in der Weise nutzen, daß er sie einem anderen unentgeltlich überläßt, ohne ihm eine gesicherte Rechtsposition bezüglich der Wohnung einzuräumen. Er besitzt unter diesen Umständen nach wie vor die Herrschaft über die Wohnung, da er sie dem Nutzenden jederzeit wieder entziehen kann (BFH-Urteile vom 29.November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366; vom 21.Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456). Bei einer derartigen Überlassung ist es gerechtfertigt, den Nutzungswert dem Eigentümer nach der Alternative 1 zuzurechnen, weil er die Wohnung zwar nicht selbst nutzt, diese ihm aber jederzeit zur Nutzung zur Verfügung steht.

Ein Eigentümer überläßt seine Wohnung einem anderen hingegen nicht i.S. von § 21 Abs.2 Alternative 1 EStG, wenn der andere die Wohnung gegen den Willen des Eigentümers nutzt. In einem solchen Falle ist es nicht gerechtfertigt, daß der Eigentümer den Nutzungswert der Wohnung versteuert. Ihm kann der Nutzungswert nicht zugerechnet werden, da er die Nutzung der Wohnung nicht jederzeit einschränken oder überhaupt beenden kann. Bei einer Nutzung gegen seinen Willen wird er die Wohnung insbesondere nicht ohne die Hilfe der Gerichte zurückerlangen können. Bis dahin kann er aus der Wohnung keine Nutzungen ziehen.

Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Zurechnung des Nutzungswerts des Zweifamilienhauses bei der Klägerin aus, weil sie das Haus weder selbst nutzte noch jederzeit nutzen konnte. Nach den bindenden Feststellungen des FG bewohnte der frühere Ehemann zusammen mit seiner Mutter das Haus gegen den Willen der Klägerin. Ihrer Aufforderung, an sie eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, kam er nicht nach, da er für sich ein Recht auf Übereignung des Zweifamilienhausgrundstücks beanspruchte. Er erhob gegen sie im Jahre 1980 Klage auf Übertragung und Auflassung des Grundstücks. Nach seiner Auffassung war die Geschäftsgrundlage für ihre Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch mit dem Scheitern der Ehe entfallen.

Die Frage, ob der Nutzungswert des Zweifamilienhauses dem früheren Ehemann der Klägerin zuzurechnen war, brauchte der erkennende Senat im Streit um die Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Klägerin nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63259

BFH/NV 1991, 15

BStBl II 1991, 142

BFHE 162, 429

BFHE 1991, 429

BB 1991, 529

BB 1991, 529 (LT)

DB 1991, 369 (LT)

DStR 1991, 213 (KT)

HFR 1991, 344 (LT)

StE 1991, 58 (K)

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