Leitsatz (amtlich)

Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nicht nur dann vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Sie kommt angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Mitarbeit insbesondere der die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter in der Geschäftsführung zu gestalten, auch dann in Betracht, wenn im Falle eines mitarbeitenden Gesellschafters nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt werden soll oder wenn nicht einer klaren Vereinbarung gemäß verfahren wird. Dies gilt grundsätzlich auch für Aktiengesellschaften.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2; AktG § 87 Abs. 1-2; FGO § 127

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, ist am 29. Februar 1968 gegründet worden. Von dem 100 000 DM betragenden Grundkapital haben das spätere Vorstandsmitglied K und der spätere Aufsichtsratsvorsitzende je die Hälfte in Aktien übernommen. K ist seit 1. September 1969 Alleinaktionär. Am 1. März 1968 ist - so hat das FG festgestellt - zwischen der Klägerin und K ein Anstellungsvertrag abgeschlossen worden. In § 3 des Vertrages war für K ein nachträglich zahlbares Bruttogehalt in Höhe von monatlich 5 000 DM vereinbart; ferner sollte er eine nach Maßgabe des § 87 AktG vom Aufsichtsrat festzustellende jährliche Tantieme erhalten. In § 8 Abs. 2 des Vertrages ist erklärt, daß Vereinbarungen über das Anstellungsverhältnis außerhalb dieser Vertragsurkunde nicht bestehen; durch Abs. 3 war für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages Schriftform vereinbart.

Zur Tantieme hat die Klägerin unter Hinweis auf eine Bestätigung ihres Aufsichtsratsvorsitzenden vom 12. März 1971 vorgetragen, K habe einen Rechtsanspruch auf eine Tantieme von jährlich 60 000 DM gehabt. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe am 1. März 1968 die Gehaltsforderung des K in Höhe von jährlich 120 000 DM in der Weise angenommen, daß 60 000 DM als Festgehalt und die restlichen 60 000 DM als Jahrestantieme gezahlt werden sollten. Mit Rücksicht auf die Lage während der ersten Jahre des Bestehens der Klägerin habe K für 1968 ganz und für 1969 auf 10 000 DM der Tantieme verzichtet. Dem stehe der Anstellungsvertrag vom 1. März nicht entgegen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und K hätten sich seit Jahren gekannt und einander volles Vertrauen geschenkt. Aus diesem Grund habe kein Anlaß bestanden, den nach einem Formularbuch vorbereiteten schriftlichen Vertragstext zu ändern. Die Vertragsparteien hätten sich bewußt über § 8 Abs. 3 des Vertrages hinweggesetzt.

Für das Rumpfwirtschaftsjahr 1968 hat die Klägerin einen Handelsbilanzverlust von 9 211 DM und für das Wirtschaftsjahr 1969 einen Handelsbilanzgewinn von 19 411 DM ausgewiesen; bei der Ermittlung des Gewinnes für 1969 ist eine vom Aufsichtsrat am 6. Mai 1970 beschlossene Tantieme in Höhe von 50 000 DM berücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat die Tantiemerückstellung bei der Körperschaftsteuer-Veranlagung 1969 nicht einkommensmindernd berücksichtigt; es fehle an einer im voraus getroffenen klaren und nachweisbaren Vereinbarung.

Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Mit der Revision bringt die Klägerin vor, K sei kein beherrschender Gesellschafter gewesen. Zu der Zeit, als über seine Bezüge verhandelt worden sei, habe er nur die Hälfte der Aktien gehalten; die andere Hälfte habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden gehört. Im Streitfall sei nicht eine umsatz- oder gewinnabhängige Tantieme vereinbart gewesen, sondern eine der Höhe nach von vornherein bestimmte Vergütung in Höhe von jährlich 60 000 DM. Ebenso wie hier ein von einer subalternen Hilfskraft anhand eines Formularbuches vorbereiteter Anstellungsvertrag unterzeichnet und lediglich mündlich ergänzt worden sei, sei es später auf ähnliche Art und Weise unterblieben, das FA bei Vorlage des Vertrages (22. Mai 1968) auf das Bestehen einer Nebenabrede hinzuweisen. Es sei aber weder deutlich, welcher Schaden dem FA aus der damaligen Unkenntnis der Zusatzvereinbarung hätte entstehen können, noch sei ersichtlich, welche Drittinteressen sonst verletzt worden seien.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den Körperschaftsteuer-Bescheid 1969 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigt. Die Klägerin hat beantragt, den Berichtigungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Sie erklärte übereinstimmend mit dem FA, daß durch die Berichtigung die anhängige Streitfrage nicht berührt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Einkommen der Klägerin darf um die umstrittene Rückstellung nicht gemindert werden. Gemäß § 7 Satz 1 KStG ist es für die Ermittlung des Einkommens ohne Belang, ob das Einkommen verteilt wird oder nicht. Diese gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG für die Ermittlung des Einkommens maßgebende Vorschrift wird durch § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG dahin gehend ergänzt, daß auch verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, d. h. hinzuzurechnen sind (Urteil des BFH vom 19. Juni 1974 I R 94/71, BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586).

1. Das Wesen einer verdeckten oder verschleierten Gewinnausschüttung besteht darin, daß den Gesellschaftern oder ihnen nahestehenden Personen (dazu BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 I R 28/69, BFHE 104, 353, BStBl II 1972, 320) von der Gesellschaft Gewinn in einer Form zugeführt wird, in der er nicht als Gewinn erscheint, sondern unter anderen Bezeichnungen verborgen ist (Urteil des RFH vom 9. Juli 1935 I A 37/34, RStBl 1935, 1128). Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt in der Regel vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (Urteil des BFH I R 28/69 mit Nachweisen). Unabhängig hiervon kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Mitarbeit insbesondere der die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter in der Geschäftsführung zu gestalten, auch dann in Betracht, wenn im Falle eines mitarbeitenden Gesellschafters nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt werden soll oder wenn nicht einer klaren Vereinbarung gemäß verfahren wird (vgl. Urteile des BFH vom 22. März 1972 I R 117/70, BFHE 105, 143, BStBl II 1972, 501, und vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585). In solchen Fällen kommt es darauf an, ob der betreffende Gesellschafter im Zeitpunkt der Vereinbarung oder der Zuwendung einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft ausüben konnte (Urteil des BFH vom 3. April 1974 I R 241/71, BFHE 112, 178, BStBl II 1974, 497).

2. Im Streitfall ist es nicht wesentlich, ob K zum Zeitpunkt der von der Klägerin behaupteten mündlichen Vereinbarung vom 1. März 1968 zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und ihm die Klägerin als Gesellschafter beherrschte (vgl. dazu Urteil des BFH vom 8. Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347). Entscheidend ist im vorliegenden Fall der Zeitpunkt, in dem die Tantieme gewährt worden ist. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist K seit dem 1. September 1969 Alleinaktionär; am 6. Mai 1970 hat der Aufsichtsrat über die K zu gewährende Tantieme beschlossen.

a) Die Rechtsauffassung des FG, hinsichtlich der Höhe der Tantieme habe eine klare und im voraus getroffene Vereinbarung gefehlt, kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Zu der Zeit, zu der K alleiniger Aktionär der Klägerin geworden war (vgl. dazu Urteil des BFH I R 241/71, BFHE 112, 181 f.), fehlte es an einer klaren Vereinbarung über die Höhe der zu gewährenden Tantieme (vgl. Urteile des BFH vom 6. März 1968 I 135/65, BFHE 92, 205, BStBl II 1968, 482, und vom 8. Januar 1969 I R 26/67, BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268). Schriftliche Grundlage für die Gewährung der Tantieme war § 3 des Anstellungsvertrages, nach dem K ein Monatsgehalt von 5 000 DM und eine jährliche, nach Maßgabe des § 87 AktG vom Aufsichtsrat festzusetzende Tantieme erhalten sollte. Die Klägerin meint zu Unrecht, die Unbestimmtheit dieser Vereinbarung im Hinblick auf die Höhe der zu gewährenden Tantieme sei deshalb unerheblich, weil der Aufsichtsratsvorsitzende bei Abschluß des Anstellungsvertrages mündlich eine Tantieme in Höhe von 60 000 DM zugesagt habe. Das FG weist mit Recht darauf hin, daß der Inhalt der schriftlichen Erklärung des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden vom 12. März 1971 mit dem Inhalt des Anstellungsvertrages unvereinbar ist. Nach dieser Erklärung will der frühere Aufsichtsratsvorsitzende für die Klägerin am 1. März 1968 - dem Tag, an dem auch der schriftliche Anstellungsvertrag abgeschlossen worden ist - der Forderung des K zugestimmt haben, ihm jährlich 60 000 DM Festgehalt und 60 000 DM als Jahrestantieme zu gewähren. In dem am gleichen Tage von dem Aufsichtsratsvorsitzer und K unterzeichneten Anstellungsvertrag war nicht nur die Höhe der Tantieme nicht bestimmt, sondern auch ausdrücklich festgestellt, daß Vereinbarungen über das Anstellungsverhältnis außerhalb der Vertragsurkunde nicht bestehen; zusätzlich war vereinbart, daß Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedurften. Die Unklarheit wird noch verstärkt dadurch, daß nach der angeblich mündlichen Vereinbarung K spätestens zum 31. Dezember 1969 einen Rechtsanspruch auf 60 000 DM Tantieme gehabt hätte, es also zur Gewährung der Tantieme des Aufsichtsratsbeschlusses vom 6. Mai 1970 gar nicht bedurft hätte. Da der Aufsichtsrat - wenn man der Darstellung der Klägerin folgt - allenfalls unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 AktG eine bereits festgesetzte Tantieme hätte herabsetzen können, ist es nicht verständlich, weshalb die Klägerin einen Aufsichtsratsbeschluß über die Gewährung einer Tantieme an K für erforderlich gehalten hat.

b) In den Urteilen vom 15. Dezember 1971 I R 5/69 und I R 76/68 (BFHE 104, 524 und 530, BStBl II 1972, 438 und 436) hat der Senat erkannt, daß die der Rechtsprechung des BFH zugrunde liegende Rechtsauffassung zu Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung und sie beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nicht ohne weiteres auf Rechtsbeziehungen zwischen Aktiengesellschaften und solchen Vorstandsmitgliedern übertragen werden kann, die zugleich als Aktionäre die AG beherrschen oder aus anderen Gründen einem herrschenden Gesellschafter gleichzustellen sind. Diese Auffassung hat der Senat aus den Strukturverschiedenheiten abgeleitet, die im Hinblick auf die Regelung der Rechtsbeziehungen der Organe der Gesellschaften mit beschränkter Haftung einerseits und der Aktiengesellschaften andererseits bestehen. Jedoch ist in beiden Entscheidungen zum Ausdruck gebracht worden, daß die Strukturverschiedenheiten zwischen beiden Gesellschaftsarten nicht die Möglichkeit ausschließen, daß der Mehrheitsaktionär, der Vorstandsmitglied ist, die ihm gegebenen Einflußmöglichkeiten bei der Regelung von Rechtsverhältnissen zwischen ihm und der Gesellschaft in erster Linie einseitig in seinem Interesse ausnutzt. Da im Streitfall K zur Zeit der Zubilligung einer Tantieme für das Geschäftsjahr 1969 alleiniger Aktionär war, bestand für ihn die Möglichkeit, die Regelung seines Dienstverhältnisses mit der AG maßgeblich zu beeinflussen, wenn nicht sogar zu bestimmen. Im Streitfall sind daher keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen würden, im Hinblick auf die Regelung des Dienstverhältnisses des alleinigen Aktionärs K als Vorstandsvorsitzer andere Maßstäbe anzulegen als in Fällen des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH. Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, daß für die nachträgliche Bestimmung der Höhe der Tantieme an K nicht die Machtstellung als alleiniger Aktionär maßgebend gewesen ist, sind nicht ersichtlich.

II. Obwohl die Revision im Streitfall keinen Erfolg hat, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden. Auf Grund Antrages der Klägerin ist der auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Berichtigungsbescheid vom 20. Januar 1975 Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (§§ 68, 123 Satz 2 FGO). Auch wenn, wie die Beteiligten übereinstimmend erklärt haben, das Revisionsbegehren durch den Berichtigungsbescheid sachlich nicht berührt wird, so muß die Sache gleichwohl zurückverwiesen werden (§ 127 FGO). Infolge des Antrages der Klägerin ist der Gegenstand des Verfahrens ein anderer geworden; hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstandes fehlen die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des FG - § 118 Abs. 2 FGO - (vgl. Urteile des BFH vom 30. Januar 1968 II 113/65, BFHE 91, 27, BStBl II 1968, 210, und vom 30. April 1968 I 194/65, BFHE 93, 49, BStBl II 1968, 729). Eine Ausnahme im Sinne der Urteile II 113/65 und vom 2. Februar 1973 III R 27/72 (BFHE 108, 297, BStBl II 1973, 501), die es rechtfertigen könnte, von der Zurückverweisung abzusehen, liegt im Streitfall nicht vor (vgl. auch Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 9/70, BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219, Abschnitt B II 4 b, bb).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71690

BStBl II 1976, 74

BFHE 1976, 36

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