Leitsatz (amtlich)

1. § 1 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof bejaht mit der sachlichen Zuständigkeit auch die Zulässigkeit des Rechtswegs an den Bundesfinanzhof.

2. Die Zweckgebundenheit der Weinabgabe widerstreitet nicht ihrer Rechtsnatur als einer Steuer.

3. Durch die Zweckgebundenheit einer Steuer wird der Grundsatz der Steuergleichheit nicht berührt.

4. Der erkennende Senat tritt dem Urteil III 274/51 S vom 4. Juli 1952 (BStBl. III S. 207) bei, wonach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof dahin auszulegen ist, daß auf den Bundesfinanzhof mit der Abgabe an ihn die Entscheidung ohne Rücksicht darauf übergegangen ist, in welchem Stadium des Verfahrens sich die Sache im Zeitpunkt der Abgabe befand. Über eine Zurückverweisung an die untere Instanz ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu befinden.

5. Der erkennende Senat tritt der in den Urteilen III 81/50 S vom 19. Juni 1951 (BStBl. 1952 III S. 25) und III 117/50 S vom 16. November 1950 (BStBl. 1951 III S. 5) vertretenen Auffassung bei, daß ein allgemeines Verbot der Rückwirkung von Steuergesetzen nicht besteht. Dieser Grundsatz gilt auch für Steuern mit verbrauchsteuerartigem Charakter.

6. Aus der Rückwirkung von Steuergesetzen ergibt sich nicht, daß eine Zuwiderhandlung vor Verkündung des die Heilung bewirkenden Gesetzes auch strafbar ist.

7. Für die Frage, wie sich Verkehrsteuern und Verbrauchsteuern unterscheiden, ist in erster Linie der Tatbestand maßgebend, an den das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld knüpft.

 

Normenkette

Weinabgabegesetzgebung des Landes Rheinland-Pfalz; AO § 1 Abs. 2; Gesetz über den Bundesfinanzhof §§ 1-2, 5; Verfassung von Rheinland-Pfalz Art. 113

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat am 27. Juli 1949 Klage im Verwaltungsstreitverfahren gegen das Finanzamt erhoben, mit der sie Freistellung von der Verpflichtung zur Abführung der im Lande Rheinland-Pfalz zur Erhebung kommenden Weinabgabe und Rückzahlung der von ihr auf diese Abgabe bereits abgeführten Beträge verlangt.

Die Weinabgabe hat ihren Ursprung in Anordnungen des Reichsnährstandes und beruht im einzelnen auf den folgenden gesetzlichen Bestimmungen: Am 30. April 1943 war eine Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Wein- und Trinkbranntweinwirtschaft (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- 1943 I S. 273) ergangen, gemäß deren § 4 und gemäß § 6 der Satzung der Hauptvereinigung der deutschen Wein- und Trinkbranntweinwirtschaft (Verkündungsblatt des Reichsnährstandes S. 211) durch den Vorsitzenden dieser Hauptvereinigung mit Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, des Reichskommissars für die Preisbildung und des Reichsbauernführers durch die Anordnung Nr. 55 betreffend Beseitigung von Notständen im deutschen Weinbau vom 21. Juni 1943 (Verkündungsblatt des Reichsnährstandes S. 248), ein als Abgabe bezeichneter Beitrag erhoben wurde, der für die abführungspflichtigen Betriebe (§ 4) 0,20 RM je Liter betrug (§ 2). Diese Anordnung galt bis zum 30. Juni 1945 (§ 7 a. a. O.). Durch Anordnungen des Oberregierungspräsidiums von Mittelrhein-Saar vom 30. Juni und 10. Juli 1945 wurde die Anordnung Nr. 55 zeitlich bis auf weiteres verlängert mit der Maßgabe, daß nun eine Abgabe im Rechtssinne zugunsten des Landes geschaffen wurde, die in doppelter Höhe unter der Bezeichnung "Weinabgabe" an das Finanzamt abzuführen war. Die Anordnung des Oberpräsidenten sollte mit Wirkung ab 1. Juli 1945 gelten. Sie wurde, da ein amtliches Verordnungsblatt zu dieser Zeit noch nicht bestand, den nachgeordneten Dienststellen bekanntgegeben, die sie weisungsgemäß in den örtlichen Bekanntmachungsblättern der Regierungspräsidenten, Landräte und Gemeinden veröffentlichten und von der auch die beteiligten Wirtschaftskreise unterrichtet wurden (vgl. z. B. Mainzer Nachrichten Nr. 15 vom 3. August 1945 auf S. 4).

a) Der Landtag von Rheinland-Pfalz beschloß in seiner Sitzung vom 3. Dezember 1947 ein Gesetz folgenden Inhalts:

§ 1

Die Landesregierung wird ermächtigt, die in den Gebietsteilen Pfalz und Rheinhessen seit dem 1. Juli 1945 erhobene Weinabgabe mit dem Abgabesatz von 0,40 RM je Liter auch in den übrigen Gebietsteilen des Landes einzuführen.

§ 2

Das Aufkommen aus der Weinabgabe ist ausschließlich für Zwecke der Landwirtschaft, insbesondere zur Bekämpfung der Schädlinge der Nutzpflanzen (Reblaus, Peronospora, Kartoffelkäfer) zu verwenden.

§ 3

Das Gesetz tritt am 1. Januar 1948 in Kraft. Es ist befristet bis zum 31. Dezember 1948.

Koblenz, 3. März 1948 Der Ministerpräsident.

Die damals erforderliche Genehmigung der französischen Militärregierung ging bei der Regierung von Rheinland-Pfalz am 1. März 1948 ein, das Gesetz wurde am 3. März 1948 ausgefertigt, aber erst am 28. Juni 1948 im Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.) des Landes Rheinland-Pfalz Teil I Nr. 18 auf S. 246 verkündet.

b) Der Minister der Finanzen erließ am 3. März 1948 eine Landesverfügung zur Durchführung dieses Gesetzes, die in Anlehnung an die oben angeführte Anordnung Nr. 55 u. a. nähere Bestimmungen über Verwendung und Höhe der Abgabe, Befreiungsvorschriften sowie Bestimmungen über den Abgabepflichtigen und die Entstehung der Abgabeschuld enthielt. Diese Landesverfügung wurde am 21. August 1948 im GVBl. der Landesregierung von Rheinland-Pfalz (Nr. 25 S. 302) veröffentlicht.

c) Am 15. Dezember 1948 beschloß der Landtag ein Gesetz folgenden Inhalts:

§ 1

Die Gültigkeitsdauer des Gesetzes über die Erhebung einer Weinabgabe vom 3. März 1948 (GVBl. S. 246) wird bis zum 30. Juni 1949 mit der Maßgabe verlängert, daß der Minister der Finanzen ermächtigt wird, mit Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, insbesondere die Veräußerung von frischem Most aus Weintrauben an Abnehmer außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz der Abgabepflicht nach diesem Gesetz zu unterwerfen und das Gesetz außer Kraft zu setzen, wenn die Entwicklung der Weinpreise und der Absatzmöglichkeiten die Erhebung der Weinabgabe wirtschaftlich nicht mehr tragbar erscheinen lassen.

§ 2

Der § 2 des Gesetzes über die Erhebung einer Weinabgabe vom 3. März 1948 (GVBl. S. 246) erhält folgende Fassung:

"§ 2

Das Aufkommen aus der Weinabgabe ist vorzugsweise für Zwecke der Förderung der Landwirtschaft, insbesondere zur Bekämpfung der Schädlinge der Nutzpflanzen (Reblaus, Peronospora, Kartoffelkäfer) zu verwenden."

§ 3

Das Gesetz tritt am 1. Januar 1949 in Kraft.

Koblenz, den 10. Januar 1949 Der Ministerpräsident.

Dieses Gesetz wurde am 10. Januar 1949 vom Ministerpräsidenten unterzeichnet und am 19. Januar 1949 im GVBl. verkündet (GVBl. 1949 Nr. 2 S. 9).

d) Zu diesem Gesetz erging eine Landesverordnung vom 15. Januar 1949 (GVBl. S. 59). Sie enthielt, wie die Landesverfügung vom 3. März 1948 (oben zu b), nähere Bestimmungen zur Durchführung des Gesetzes und bestimmte im § 8, daß auf die Weinabgabe die Vorschriften der Reichsabgabenordnung über Verbrauchsteuern sinngemäß anzuwenden seien. Nach § 9 a. a. O. trat die Landesverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 1949 in Kraft.

e) Weiterhin erging ein Landesgesetz vom 21. April 1949 (GVBl. S. 105) zur Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Erhebung einer Weinabgabe und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen. Dieses Gesetz faßte in 15 Paragraphen die Bestimmungen über Gegenstand und Umfang der Abgabe, über Abgabepflicht, Zeitpunkt der Entstehung der Weinabgabeschuld, Anmeldung und Abführung der Abgabe und anderes neu und bestimmte in seinem § 15 folgendes:

(1) Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft

a) das Landesgesetz über die Erhebung einer Weinabgabe vom 3. März 1948 (GVBl. S. 246),

b) das Landesgesetz zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes über die Erhebung einer Weinabgabe vom 10. Januar 1949 (GVBl. S. 9),

c) die Weinabgabe-Durchführungsverordnung vom 15. Januar 1949 (GVBl. S. 59).

(3) Weinabgabebeträge, die auf Grund der in Abs. 2 bezeichneten Vorschriften entrichtet worden sind, werden nicht erstattet. Eine Aufrechnung gegen solche Beträge ist unzulässig.

f) Schließlich erging wiederum ein Landesgesetz über die Aufhebung des Landesgesetzes zur Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Erhebung einer Weinabgabe und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen vom 21. April 1949 (GVBl. S. 105), vom 6. April 1950 (GVBl. I 1950 Nr. 21 S. 113), das folgenden Wortlaut hat:

§ 1

Das Landesgesetz zur Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Erhebung einer Weinabgabe und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen vom 21. April 1949 (GVBl. S. 105) wird mit Wirkung vom 1. April 1950 aufgehoben.

§ 2

(1) Die in den Gebietsteilen Pfalz und Rheinhessen seit dem 1. Juli 1945 erhobene Weinabgabe mit dem Abgabesatz von 0,40 RM je Liter wird mit Wirkung vom 1. Januar bis 31. Dezember 1948 und 24. Februar bis zum 21. April 1949 auch in den übrigen Gebietsteilen des Landes erhoben.

(2) Der Minister der Finanzen wird ermächtigt, die hierzu erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.

§ 3

§ 1 dieses Gesetzes tritt mit Verkündung dieses Gesetzes, § 2 mit Wirkung vom 1. Januar 1948 in Kraft.

Koblenz, 6. April 1950 Der Ministerpräsident.

In der gegen das Finanzamt gerichteten Klage der Bfin. im eingangs erwähnten Verwaltungsstreitverfahren wird im wesentlichen geltend gemacht, daß die aufgeführten landesrechtlichen Bestimmungen zum Teil ungesetzlich, zum Teil sogar mit der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz unvereinbar und somit verfassungswidrig seien. Das erstinstanzliche Gericht dieses Verwaltungsstreitverfahrens, das Bezirksverwaltungsgericht, hat mit Zwischenurteil vom 21. November 1949 die von der beklagten Behörde erhobenen Einreden der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs und der sachlichen Unzuständigkeit des Bezirksverwaltungsgerichts verworfen und hat die Sache gemäß Art. 130 Abs. 3 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz (GVBl. 1947 S. 209 f) mit Beschluß vom gleichen Tage dem Landesverwaltungsgericht Koblenz zur weiteren Beschlußfassung über die gerügte Verfassungswidrigkeit vorgelegt. Das Landesverwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz hat durch Urteil vom 26. Oktober 1950 das Zwischenurteil und den Beschluß des Bezirksverwaltungsgerichts vom 21. November 1949 aufgehoben und hat die Sache -- entsprechend dem Antrag der Klägerin -- zur weiteren Veranlassung nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Gesetz über den Bundesfinanzhof) an das Bezirksverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung hat das Landesverwaltungsgericht dem Bundesfinanzhof vorbehalten. Das Bezirksverwaltungsgericht hat dann gemäß dieser Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts die Streitsache unter dem 7. November 1950 an den Bundesfinanzhof abgegeben.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof hat die Bfin. in erster Linie Entscheidung durch den Bundesfinanzhof begehrt und unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen vor den Verwaltungsgerichten folgenden Antrag gestellt:

1. Die Klägerin wird von der Pflicht zur Abführung der Weinabgabe freigestellt

a) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1948 auf Grund des Landesgesetzes über die Erhebung einer Weinabgabe vom 3. März 1948 (GVBl. S. 246) und der Landesverfügung vom 3. März 1948 (GVBl. S. 302),

b) für die Zeit vom 1. Januar bis 24. Februar 1949,

c) für die Zeit vom 24. Februar bis 22. April 1949 auf Grund des Landesgesetzes zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes über die Erhebung einer Weinabgabe vom 10. Januar 1949 (GVBl. S. 9) und der Weinabgabedurchführungsverordnung vom 15. Januar 1949 (GVBl. S. 59).

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18 488,80 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. April 1949 zurückzuzahlen.

In der vorliegenden Streitsache muß zuvor geprüft werden, ob der Rechtsweg an den Bundesfinanzhof eröffnet, d. h. die im Lande Rheinland-Pfalz zur Erhebung kommende Weinabgabe als eine der in § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof bezeichneten Abgaben anzusehen ist.

§ 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof regelt -- in Verbindung mit § 2 a. a. O. -- trotz der Verwendung des Wortes "zuständig" nicht nur die sachliche Zuständigkeit, sondern auch die Zulässigkeit des Rechtswegs an den Bundesfinanzhof, wie sich schon aus der Verwendung des Wortes "Streitfragen" ergibt. Die Frage nach dem Vorliegen der genannten Verfahrensvoraussetzung, also nach der grundsätzlichen Eröffnung des Rechtwegs an den Bundesfinanzhof, ist zu bejahen.

Aus den vom Land Rheinland-Pfalz über die Erhebung einer Weinabgabe erlassenen Gesetzen und Verordnungen ergibt sich zunächst, daß die im § 1 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) für Steuern gegebene Begriffsbestimmung auch für die Weinabgabe zutrifft. Nach den hier einschlägigen Bestimmungen der Landesgesetze und ihrer Durchführungsbestimmungen wird die Abgabe auf Grund von Rechtsnormen gefordert, die den Anspruch des Gläubigers erst begründen. Es handelt sich bei der Abgabe entsprechend der Begriffsbestimmung der Reichsabgabenordnung um laufende Geldleistungen, die vom Lande zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, ohne daß sie eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (vgl. § 1 des Landesgesetzes vom 3. März 1948, §§ 1, 2 und 4 der Landesverfügung vom 3. März 1948, § 1 des Landesgesetzes vom 10. Januar 1949 u. a. ). Der Kreis der Abgabepflichtigen ist in den Erzeuger- und Weinhandelsbetrieben allgemein genug und klar abgegrenzt umrissen (vgl. § 4 der Landesverfügung vom 3. März 1948, § 5 der Landesverordnung vom 15. Januar 1949). Es ist in den eingangs angeführten Vorschriften keine Bestimmung enthalten, deren Inhalt den Charakter der Weinabgabe als einer Steuer im Sinne des § 1 AO zweifelhaft erscheinen lassen könnte. Auch die durch § 2 des Landesgesetzes vom 3. März 1948, § 1 der Landesverfügung vom 3. März 1948 sowie § 12 des Landesgesetzes vom 21. April 1949 vorgeschriebene Zweckgebundenheit der Abgabe (Verwendung zur Beseitigung von Notständen in der Landwirtschaft und im Weinbau, bzw. zur Förderung der Landwirtschaft und insbesondere des Weinbaues) widerstreitet nicht der Rechtsnatur der Weinabgabe als einer Steuer (vgl. Riewald-Becker, AO § 1 Anm. 4b am Ende S. 197 und Reichsfinanzhof Slg. Bd. 33, 18).

Danach kam es für die Rechtsnatur der Weinabgabe als einer Steuer nicht mehr entscheidend darauf an, daß nach § 8 der Weinabgabedurchführungsverordnung vom 15. Januar 1949 und nach § 13 des Änderungsgesetzes vom 21. April 1949 auf die Weinabgabe die Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die Verbrauchsteuern, bzw. nach §§ 3, 4, 6, 7 und 10 des Landesgesetzes vom 21. April 1949 Begriffe des Umsatzsteuerrechts anzuwenden sind; denn schon nach den eingangs angeführten Bestimmungen steht außer Zweifel, daß die Weinabgabe eine Steuer im Sinne des § 1 AO und damit auch eine Abgabe im Sinne des § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof ist. Da schließlich die Verwaltung der Weinabgabe (Entgegennahme der steuerlichen Meldungen und der Zahlungen) durch § 4 Abs. 3 der Landesverfügung vom 3. März 1948, bzw. § 5 Abs. 3 der Landesverordnung vom 15. Januar 1949 und § 7 Abs. 1 des Landesgesetzes vom 21. April 1949 den Finanzämtern übertragen ist, sind Streitfragen über die Weinabgabe nach § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof in Verbindung mit § 2 a. a. O. in letzter Instanz vor dem Bundesfinanzhof zu entscheiden.

Ist hiernach § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof auf die Weinabgabe anzuwenden, so ist damit neben der Zulässigkeit des Rechtswegs an den Bundesfinanzhof zugleich auch dessen sachliche Zuständigkeit bejaht. Einer vorgängigen Antragsstellung durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz gemäß § 52 Abs. 4 Satz 2 AO bedarf es nicht mehr, da -- entsprechend Art. 99 Halbsatz 2 des Grundgesetzes (GG) -- § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof die sich früher aus § 52 Abs. 1 und 4 Satz 2 AO ergebende grundsätzlich unterschiedliche Regelung für Reichsteuern und Landessteuern nicht mehr kennt, sondern dem Bundesfinanzhof auch die letztinstanzliche Zuständigkeit in Streitfragen über Landessteuern zuweist, sofern diese nur von den Finanzämtern verwaltet werden (vgl. hierzu Abs. 3 der Begründung zu § 1 des Entwurfs des Gesetzes über den Bundesfinanzhof, Bundestagsdrucksache Nr. 630 der ersten Wahlperiode 1949).

Mit der hier bejahten Zulässigkeit des Rechtswegs an den Bundesfinanzhof und dessen sachlicher Zuständigkeit für Streitfragen der vorliegenden Art ist jedoch noch nicht die Frage der sogenannten funktionellen (instanzlichen) Zuständigkeit entschieden, von der das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Oktober 1950 ausgeht. § 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof erklärt u. a. die Vorschriften der Reichsabgabenordnung betreffend die Einlegung von Rechtsmitteln an den ehemaligen Reichsfinanzhof für anwendbar. Daraus folgt, daß der Bundesfinanzhof grundsätzlich nur dann zur Entscheidung berufen ist, wenn zuvor entweder eine Berufungsentscheidung eines Finanzgerichts oder eine Anfechtungsentscheidung einer Oberfinanzdirektion ergangen ist (vgl. §§ 229, 230 AO). Ist eine solche Entscheidung nicht ergangen, dann konnte nach der Reichsabgabenordnung der frühere Reichsfinanzhof grundsätzlich nicht entscheiden, weil ihm unter diesen Umständen nicht die Funktion einer Rechtsbeschwerdeinstanz zukommt. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof, der sich mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs beschäftigt, hat insoweit eine Änderung gebracht. Nach dieser Vorschrift sind die bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Bundesfinanzhof anhängigen oder später anhängig gewordenen Klagen und Rechtsmittel an den Bundesfinanzhof abzugeben. Wie der Bundesfinanzhof durch Urteil III 274/51 S vom 4. Juli 1952 (BStBl. III S. 207) bereits entschieden hat, läßt der Wortlaut des § 5 Abs. 2 nicht erkennen, ob der Bundesfinanzhof in allen an ihn abgegebenen Streitsachen zur Entscheidung berufen oder ggf. zur Weiterleitung an eine untere Instanz berechtigt oder verpflichtet ist. Auch der erkennende Senat legt die Vorschrift dahin aus, daß dem Bundesfinanzhof mit der Abgabe an ihn die Entscheidung ohne Rücksicht darauf übertragen ist, in welchem Stadium des Verfahrens sich die Sache im Zeitpunkt der Abgabe befand. Es ist also hier nach pflichtmäßigem Ermessen zu befinden, ob eine Zurückverweisung an die untere Instanz zu erfolgen oder ob eine endgültige Sachentscheidung zu ergehen hat. Es handelt sich im Streitfalle nur um die Beurteilung von Rechtsfragen, die einer weiteren Sachaufklärung nicht bedürfen. Es sind auch sonst keine Gründe ersichtlich, die eine Zurückverweisung zweckdienlicher erscheinen ließen. Der Oberfinanzdirektion Koblenz als der am Streit beteiligten Landesbehörde ist ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Bfin. hat ausdrücklich Entscheidung durch den Bundesfinanzhof begehrt; sie kann sich also durch den Verlust einer Instanz nicht benachteiligt fühlen. Da die Sache somit spruchreif ist, scheidet die an sich gegebene Möglichkeit aus, die Sache mit Weisungen an die untere Instanz zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Hiernach ist der erkennende Senat berechtigt, über das sachliche Vorbringen der Rechtsbeschwerde (Rb.) zu befinden. Er hält die Rb. nicht für begründet.

In dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof wird die Rechtsgültigkeit des Gesetzes vom 3. März 1948 (oben zu a) in erster Linie mit der Begründung angegriffen, daß dieses Gesetz entgegen der Bestimmung des Art. 113 der Verfassung von Rheinland-Pfalz nicht rechtzeitig ausgefertigt und binnen Monatsfrist im GVBl. verkündet worden sei; da die Landesverfügung vom gleichen Tage (oben zu b) ihre Ermächtigung aus einem aus diesem Grunde verfassungswidrigen und damit nichtigen, nicht einmal zur Entstehung gelangten Gesetz ableite und ihrerseits selbst verspätet verkündet worden sei, sei sie gleichfalls nichtig und als nicht bestehend zu behandeln. Der Senat hatte sich deshalb mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist erfolgende Verkündung die Nichtigkeit des Gesetzes nach sich zieht.

Mit der Rb. ist davon auszugehen, daß die Verkündung ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens ist, und daß ohne ordnungsmäßige Verkündung ein verfassungsmäßiges Gesetz nicht in Kraft treten kann. Richtig ist auch, daß Art. 113 zwingendes, geltendes Recht ist, das dem mit der Verkündung beauftragten Organ die Innehaltung der Verkündungsfrist zur Pflicht macht. Mehr besagen aber auch die in der Rb. angeführten Verfassungsurkunden und Literaturnachweise nicht. Süsterhenn-Schäfer (Kommentar der Verfassung Rheinland-Pfalz zu Art. 113 Bem. 4 S. 410) gehen im Gegenteil davon aus, daß die Frist des Art. 113 seit Inkrafttreten der Verfassung von Rheinland-Pfalz infolge des Erfordernisses der Genehmigung der Besatzungsmacht in der Regel nicht eingehalten werden konnte, ohne daraus den Schluß zu ziehen, daß die verspätet verkündeten Gesetze nichtig seien. Eine solche Feststellung ist nicht nur in dem Falle, daß vorrangiges Besatzungsrecht Ursache der Verspätung ist, unberechtigt; sie würde auch dem dem Staatsoberhaupt, hier dem Ministerpräsidenten, zustehenden materiellen Prüfungsrecht bei der Ausfertigung des Gesetzes widerstreiten. Das Recht des Staatsoberhauptes, die Gesetze nicht nur auf ihre formelle Verfassungsmäßigkeit, sondern auch auf ihre inhaltliche Übereinstimmung mit der Verfassung zu prüfen, hat die herrschende Lehre schon für das Anwendungsgebiet der Weimarer Verfassung bejaht (vgl. z. B. Anschütz, Kommentar 14. Aufl. zu Art. 70 S. 367; Thoma, Archiv öffentliches Recht 1943 S. 278; Giese, Grundgesetz S. 142; von Mangoldt, Grundgesetz S. 442). Es ist bei der inhaltlichen Übereinstimmung von Art. 113 der Verfassung von Rheinland-Pfalz mit Art. 70 der Weimarer Verfassung auch für jene Verfassung zu bejahen (vgl. Süsterhenn-Schäfer a. a. O. Art. 113 Bem. 3 S. 409). Es können sich also Verzögerungen der Verkündung aus verfassungsmäßigen Gründen schon durch die Ausübung dieses Prüfungsrechts vor der Ausfertigung ergeben (vgl. auch Bonner Kommentar Erläut. zu Art. 57 II 2a). Erfolgt die Verkündung, wie im Streitfalle, aus anderen Gründen verspätet, wobei hier jedenfalls keine Willkür obwaltete, so kann, ohne daß es hier eines Eingehens auf diese Gründe im einzelnen bedarf, diese Frage wohl die Verantwortlichkeit des Ministerpräsidenten berühren, auf die Wirksamkeit des Gesetzes hat sie keinen Einfluß (so für die Weimarer Verfassung Anschütz a. a. O. Art. 70 Bem. 9 S. 378). Bei dieser Auffassung würde auch nicht, wie die Rb. meint, die Legislative zur willkürlichen Verfügung der Exekutive stehen; denn die dem Ministerpräsidenten durch die Verfassung übertragene Aufgabe, die vom Landtag beschlossenen Gesetze auszufertigen und zu verkünden, ist kein Akt der Exekutive, sondern erfolgt, wie schon die Einordnung des Art. 113 in den Abschn. III der Verfassung: "Die Gesetzgebung" zeigt, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. Süsterhenn-Schäfer a. a. O. Art. 113 Bem. 2 und für das Bonner Grundgesetz von Mangoldt, Vorbem. vor Art. 70 f. Bem. 3 Abs. 3 S. 373), unbeschadet der Möglichkeiten, die Art. 131 der Landesverfassung bei schuldhafter Verletzung der Verfassung durch ein Regierungsmitglied eröffnet. Schließlich würde die von der Rb. vertretene Auffassung gerade dazu führen, dem Ministerpräsidenten, der die Verkündung eines Gesetzes absichtlich hinauszögert, die Möglichkeit einzuräumen, ein vom Landtag beschlossenes Gesetz zu Fall zu bringen und diesen zur erneuten Beschlußfassung zu nötigen. Die Verkündungspflicht des Ministerpräsidenten würde hierdurch die Bedeutung eines Veto-Rechts erlangen. Dies ist jedoch verfassungsmäßig in keiner Weise beabsichtigt oder gerechtfertigt.

Die Nichtigkeit des Verlängerungsgesetzes vom 10. Januar 1949 (oben zu c) und der Weinabgabedurchführungsverordnung (oben zu d) folgert die Rb. lediglich aus der Nichtigkeit des eingangs erörterten Gesetzes vom 3. März 1948. Nach dem Gesagten brauchte hierauf nicht mehr eingegangen zu werden, da die Rb. mit dem nunmehr von ihr in den Vordergrund gestellten Einwand der verspäteten Verkündung nicht zum Ziele gelangen kann, wenn Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes vom 3. März 1948 und der Landesverfügung vom gleichen Tage (oben zu b) nicht auch aus anderen Erwägungen erhoben werden könnten. Im Verwaltungsstreitverfahren hat die Bfin. vor allem im § 1 des Gesetzes vom 3. März 1948 einen Verstoß gegen die Art. 77 und 107 der Landesverfassung insofern erblickt, als § 1 a. a. O. verfassungsrechtlich unzulässig die gesetzgebende Gewalt des Landtags an ein zur Gesetzgebung nicht berufenes Organ, die Landesregierung, übertragen habe. Diese Auffassung hat sich der Beschluß des Bezirksverwaltungsgerichts vom 21. November 1949 zu eigen gemacht, in dem ausgeführt ist, daß eine solche Übertragung dem Landtag nicht gestattet sei; Wortlaut und Sinn des § 1 würden die Entscheidung, ob die Rechtsnorm gelten solle oder nicht, in die Hand der Landesregierung legen. Nun kann es schon zweifelhaft sein, ob diese Auffassung angesichts der Tatsache, daß in einzelnen Landesteilen die Weinabgabe auf Grund bekanntgemachter Verwaltungsanordnungen im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bereits erhoben wurde und der Landesgesetzgeber deshalb nicht mit der "Ermächtigung" im Sinne eines Auftrags allein den Zweck verfolgte, die Weinabgabe im ganzen Landesgebiet einzuführen, zwingend ist. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an; denn der hier gerügte Mangel -- wie auch die sonst von der Rb. aufgegriffenen Verstöße bei Zustandekommen dieses Gesetzes und der Landesverfügung -- und die mindestens ungewöhnliche Fassung dieser Bestimmungen können durch spätere Gesetzgebungsakte geheilt sein, so daß im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof auf diese Mängel nicht mehr eingegangen zu werden braucht, nachdem der erkennende Senat der Auffassung der Rb., ein verspätet verkündetes Gesetz sei gar nicht existent, nicht zu folgen vermochte. Es bedarf deshalb einer Prüfung der später erlassenen Landesgesetze und Durchführungsverordnungen auf ihre Gültigkeit.

Mit dem Änderungsgesetz vom 21. April 1949 (oben zu e) ist jedenfalls die Ermächtigung nicht überschritten worden. Seine Ungültigkeit wird von der Rb. -- abgesehen von der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch § 15 a. a. O., auf den noch einzugehen sein wird -- lediglich aus der Nichtigkeit der vorangegangenen Vorschriften abgeleitet. Andererseits wurden durch dieses Gesetz die vorerwähnten Bestimmungen in materieller Hinsicht geändert und in den ersten 14 Paragraphen neu zusammengefaßt, wobei, wie auch von der Rb. nicht bestritten wird, alle für die Gültigkeit eines Steuergesetzes notwendigen formalen und materiellen Erfordernisse gegeben sind. Dieses Gesetz trat gemäß § 15 mit seiner Verkündung in Kraft; gleichzeitig traten die Gesetze vom 3. März 1948 (oben zu a), das Verlängerungsgesetz vom 10. Januar 1949 (oben zu c) und die Weinabgabedurchführungsverordnung vom 15. Januar 1949 (oben zu d) außer Kraft. Die hier zu entscheidende Frage beschränkt sich deshalb zunächst darauf, ob das Gesetz vom 21. April 1949 mit rückwirkender Kraft etwaige Mängel der vorangegangenen Gesetzgebung heilen und sich selbst rückwirkende Kraft beilegen konnte.

Die umstrittene Frage, ob es zulässig sei, ein Steuergesetz mit rückwirkender Kraft zu erlassen, ist von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs stets bejaht worden (vgl. Slg. Bd. 9 S. 162, Bd. 18 S. 286). In jüngerer Zeit hat der Oberste Finanzgerichtshof in den Urteilen I 1/48 S vom 29. Oktober 1948 (Steuerrechtskartei AO § 124 Rechtsspruch 1, Amtsblatt des Finanzministeriums Württemberg-Baden 1949 S. 77, -- Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen -- Bay.FMBl. -- 1948 S. 348) und III 39/49 S vom 19. Dezember 1949 (Steuerrechtskartei Vermögensteuerveranlagungsgesetz 1948/1949 § 17 Rechtsspruch 1 a -- b, Amtsblatt des Finanzministeriums Württemberg-Baden 1950 S. 83,Bay.FMBl. 1950 S. 60) diese Frage bejaht. Schließlich hat der Bundesfinanzhof in den Urteilen III 117/50 S vom 16. November 1950 (BStBl. III 1951 S. 5) und III 81/50 S vom 19. Juni 1951 (BStBl. III 1952 S. 25) hierzu im gleichen Sinne Stellung genommen. Der erkennende Senat verkennt nicht die Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten, die die Rückwirkung von Steuergesetzen in der Regel nach sich zieht; aber auch die Verfasser, die im Schrifttum gegen die Anerkennung der steuerlichen Rückwirkung schwerwiegende Bedenken erhoben haben (vgl. besonders Friedrich, Steuer und Wirtschaft 1951 Sp. 81 f.), wollen ihre Zulässigkeit nicht völlig verneinen, wenn, wie imStreitfall, die Rückwirkung und ihr Umfang ausdrücklich im Gesetz bestimmt sind (vgl. Friedrich a. a. O. Sp. 119 und Klein in Heft 19 des Instituts für Finanzen und Steuern S. 15 und S. 61 f.). Der Senat konnte auch bei der Prüfung der hier seiner Entscheidung unterbreiteten Sach- und Rechtslage nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß es das deutlich erkennbare Bestreben des Landtags angesichts der in der Öffentlichkeit erhobenen Angriffe gegen die Verfassungsmäßigkeit der Weinabgabegesetze und der hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen war, die im wesentlichen formalen Verstöße, die seinen ersten Gesetzgebungsakten bei Regelung dieses Rechtsgebiets innewohnten, durch seine spätere Gesetzgebung zu beheben, ohne in den entscheidenden Zeitpunkten einen Zweifel an seinem Willen zu lassen, daß er an der Rechtsgültigkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einmal eingeführten und auch in der Praxis verwirklichten Weinabgabe festhalte. Hält nun die angeführte Rechtsprechung die Rückwirkung von Steuergesetzen schlechthin für zulässig, so unterliegt der Grundsatz, daß auch rechtsungültige Gesetze und Verordnungen nachträglich mit rückwirkender Kraft sanktioniert werden können, sicherlich geringeren Bedenken; denn wird im ersten Falle der Staatsbürger nachträglich vor die Tatsache gestellt, daß ein von der Gesetzgebung bisher als rechtsunerheblich erachteter Tatbestand nunmehr eine Steuerschuld auslöst, so wird im anderen Falle eine Rechtsnorm, die bereits in einen allen Beteiligten bekannten, wenn auch umstrittenen Gesetzesbefehl gekleidet und zur Durchführung gelangt war, nunmehr mit rückwirkender Kraft sanktioniert.

So aber liegt es hier. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, die in dem oben angeführten Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 39/49 S vom 19. Dezember 1949 entwickelten Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Das hat zur Folge, daß eine Auseinandersetzung über die Rechtsgültigkeit der dem Gesetz vom 21. April 1949 vorangegangenen Gesetze und Durchführungsbestimmungen, jedenfalls soweit die gerügten Mängel in der Überschreitung der Ermächtigung bestehen sollen, nicht erforderlich ist, und daß jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof die auf Grund jener Bestimmungen geleisteten Zahlungen als rechtmäßig anzusehen sind.

Nun hat sich auch die Rb. mit der Anwendbarkeit dieses Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs auseinandergesetzt; sie verneint sie mit der Begründung, daß Verbrauchsteuern ihrer Natur nach nicht rückwirkend eingeführt oder bestätigt werden könnten, und daß das Weinabgabegesetz Strafbestimmungen enthalte, weshalb sich die Rückwirkung auch nach der angeführten Entscheidung verbiete. Beide Gründe treffen nicht zu. Auch wenn man mit der Rb. die Weinabgabe als eine Verbrauchsteuer auffaßt, ist eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt; denn die Weinabgabe ist mindestens ab 21. August 1948 generell in allen Landesteilen erhoben worden. Soweit sie vor diesem Zeitpunkt erhoben wurde, hatte es damit sein Bewenden. Die in einem hier nicht zu beurteilenden Erlaß des Finanzministers von Rheinland-Pfalz vom 1. Juni 1948 V 9300 -- II/V -- 511/48 M und einer Rundverfügung des Landesfinanzamts vom 20. September 1948 mit Rücksicht auf die verspätete Verkündung der Landesverfügung vom 3. März 1948 aus Billigkeitsgründen getroffene Regelung, von der Nacherhebung der Weinabgabe abzusehen, galt nur für die Regierungsbezirke Koblenz, Trier und Montabaur, nicht aber für die Regierungsbezirke Pfalz und Rheinhessen; denn in diesen größeren Weinbaugebieten des Landes wurde die Weinabgabe auf Grund der eingangs erwähnten Anordnung des Oberregierungspräsidiums Mittelrhein-Saar ab 1. Juli 1945 weiter erhoben. Die Weinabgabe fußt nun auf dem Grundsatz der offenen Überwälzung auf den Letztverbraucher als den eigentlichen Steuerträger. Es ist augenscheinlich, daß die abgabepflichtigen Betriebe die von ihnen erhobene Weinabgabe auch tatsächlich ihren Abnehmern in Rechnung gestellt haben. Der von der Rb. erstrebte Erfolg würde also gar nicht dem letztlich mit der Weinabgabe belasteten Verbraucher, der im Einzelfalle nicht mehr zu ermitteln ist, zugute kommen. Es ist deshalb nicht einzusehen, daß gerade eine Steuer mit verbrauchsteuerartigem Charakter der hier als zulässig erachteten Möglichkeit, Gesetze und Verordnungen mit rückwirkender Kraft zu heilen, nicht unterworfen sein sollte.

Die Rb. irrt auch, wenn sie den Weinabgabegesetzen strafrechtlichen Charakter beimißt; offenbar wird dies aus den Bestimmungen (vgl. § 7 der Landesverfügung vom 3. März 1948 -- oben zu b) --, § 8 der Landesverordnung vom 15. Januar 1949 -- oben zu d) --, § 13 des Änderungsgesetzes vom 21. April 1949 -- oben zu e) --) gefolgert, die die Anwendbarkeit der Reichsabgabenordnung vorschreiben. Wenn sich nun das hier erörterte Änderungsgesetz vom 21. April 1949 rückwirkende Kraft beimißt, so kann das nur gelten, soweit die Entstehung der Abgabeschuld und die steuerlichen Vorschriften des Gesetzes in Betracht kommen, die auch allein seinen Inhalt ausmachen. Die Verweisung auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften der Reichsabgabenordnung ergab sich zwangsläufig dadurch, daß die Verwaltung der Weinabgabe den Finanzämtern übertragen wurde (vgl. §§ 6 bis 8a AO). Daraus ergibt sich aber nicht, daß eine vor Verkündung der jeweils in Betracht kommenden Weinabgabebestimmungen begangene Zuwiderhandlung auch strafbar ist. Das hat zur Folge, daß in der Verweisung auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Reichsabgabenordnung kein Verstoß gegen § 2 des Strafgesetzbuches, Art. 103 Bonner GG oder Art. 6 der Landesverfassung zu erblicken und somit der materiellrechtliche Teil der Weinabgabebestimmungen nicht ungültig ist. Würde man mit der Rb. den Grundsatz der Einheit von Steuergesetz und strafrechtlicher Sanktion in den Vordergrund stellen, so würde die Rückwirkung aller Steuergesetze, auf die die Strafbestimmungen der Reichsabgabenordnung anzuwenden sind, schon an deren Begriffsbestimmung eines Steuervergehens (§ 392) scheitern.

Der Grundsatz der rückwirkenden Heilung durch nachfolgende Gesetzesakte führt dazu, daß vor allem durch das Aufhebungsgesetz vom 6. April 1950 (oben zu f) etwaige Mängel der vorangegangenen Gesetzgebung als geheilt angesehen werden müssen. Im § 2 a. a. O. hat der Landtag unmißverständlich erneut zum Ausdruck gebracht, daß er die Weinabgabegesetze vom 3. März 1948 und vom 10. Januar 1949 auf eine auch im Formalen sichere Rechtsgrundlage gestellt wissen wollte, und hat dieser Bestimmung durch § 3 a. a. O. zulässigerweise rückwirkende Kraft verliehen. Daß ein solches Gesetz, wie die Rb. meint, seine Verfassungsmäßigkeit ausdrücklich feststellen müßte, ist ein dem Rechtsleben unbekanntes Erfordernis. Da sonach mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die hier erörterten, von der Rb. behaupteten Mängel der vorangegangenen Gesetzgebung in jedem Falle behoben sind, erübrigt es sich, hier noch näher auf die Gültigkeit des im besonderen angegriffenen § 15 Abs. 3 des Gesetzes vom 21. April 1949 einzugehen.

Es bleibt aber auch, abgesehen von § 15 a. a. O., zu prüfen, was es mit der Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Bonner GG, Art. 17 der Landesverfassung) auf sich hat. Ein solcher schwerwiegender Mangel würde allerdings auch dem letztgenannten Gesetz vom 6. April 1950 innewohnen und ist deshalb unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zu untersuchen. Die Rb. erblickt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in folgendem:

1. Die Weinabgabe sei nach § 2 des Gesetzes vom 3. März 1948 (oben zu a) ausschließlich für Zwecke der Landwirtschaft, insbesondere zur Bekämpfung der Schädlinge der Nutzpflanzen (Reblaus, Peronospora, Kartoffelkäfer) zu verwenden. Da eine Beseitigung von Notständen im Weinbau seit über einem Jahrzehnt nicht notwendig gewesen sei, und die Abgabe daher zur Behebung von Notständen in der allgemeinen Landwirtschaft diene, belaste sie die Winzer und den Weinhandel einseitig zugunsten der Landwirtschaft; dies bedeute eine willkürliche Belastung dieser Berufsgruppen.

2. Die Weinabgabe belaste den Weinhandel in Rheinland-Pfalz einseitig und willkürlich zugunsten der gleichen Personengruppen in den anderen Besatzungszonen.

Zu 1. Ein Steuergesetz entspricht dann dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wenn gleichartige Tatbestände auch gleich besteuert werden. Die hier angegriffene Verwendung des Steueraufkommens hat mit dem Grundsatz der Steuergleichheit nichts zu tun. Das Gesetz hätte, wie auch sonst üblich, überhaupt auf jede Bestimmung über die Verwendung verzichten können, ohne daß deshalb seine Verfassungsmäßigkeit angezweifelt werden könnte.

Zu 2. Die unterschiedliche Behandlung hat allein ihren Grund in dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik, der den Ländern in weitem Umfang die Gesetzgebungsbefugnis beläßt. Da insoweit nicht ersichtlich ist, daß die Weinabgabegesetze des Landes Rheinland-Pfalz innerhalb der Landesgrenzen gleiche Tatbestände steuerlich ungleich behandeln, vielmehr die Landesgesetzgebung in ihrem zeitlichen Ablauf deutlich das Bestreben zeigt, bestehende Ungleichheiten auszuräumen (vgl. § 1 des Gesetzes vom 3. März 1948 -- oben zu a) --, § 5 der Weinabgabedurchführungsverordnung -- oben zu d) --, § 2 des Gesetzes vom 6. April 1950 -- oben zu f) --), so ist der hier gerügte Verstoß als zwangsläufige Folge der Gesetzeshoheit der Länder rechtsunerheblich.

Es bleibt daher die von der Rb. aufgeworfene Frage zu untersuchen, ob beim Erlaß des Gesetzes vom 6. April 1950 (oben zu f.) dem Lande nach dem Bonner Grundgesetz noch die Gesetzgebungsbefugnis zugestanden hat.

Das in den Weinabgabebestimmungen des Landes geregelte Rechtsgebiet unterliegt, da die Voraussetzungen der Art. 73 und 105 Abs. 1 GG nicht gegeben sind, gemäß Art. 105 Abs. 2 Ziff. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und der Länder betrifft, wird gemäß Art. 125 GG nur dann Bundesrecht,

1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt,

2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht abgeändert worden ist.

Die erste Voraussetzung ist offensichtlich nicht gegeben, aber auch die zweite Voraussetzung liegt nicht vor. Mag man mit der Rb. auch noch in der Anordnung Nr. 55 der Hauptvereinigung Reichsrecht im Sinne des Art. 125 GG erblicken, so ist dieses Reichsrecht jedenfalls spätestens am 30. Juni 1945 außer Kraft getreten (vgl. § 7 Satz 1 der Anordnung Nr. 55). Für eine "Abänderung" früheren Reichsrechts nach dem 8. Mai 1945 im Sinne der Ziff. 2 des Art. 125 GG ist aber nur dann Raum, wenn das frühere Recht über diesen Termin hinaus in Kraft geblieben war und nicht schon vor der in Betracht kommenden Abänderung seine Geltung verloren hatte (vgl. Bonner Kommentar Bem. 8 e S. 21 zu Art. 125). Das erste Weinabgabegesetz des Landes vom 3. März 1948 ist aber gemäß § 3 a. a. O. erst am 1. Januar 1948 in Kraft getreten. Einen früheren Zeitpunkt des Inkrafttretens sehen auch die späteren Landesgesetze nicht vor. Das Land hat also ungeachtet der Anlehnung an die Bestimmungen der Anordnung Nr. 55, von der übrigens in den späteren Gesetzen und Durchführungsbestimmungen mehr und mehr abgewichen worden ist, neues Landesrecht geschaffen, das auch Landesrecht geblieben ist. Als Reichsrecht erloschenes Recht konnte auch nicht, wie Rb. meint, durch eine Anordnung des Oberregierungspräsidiums, die sich schließlich auf die Grenzen einer Landesprovinz beschränkte, wieder zum Leben erweckt werden. Die Frage der Kontinuität des Rechts wird also im gegebenen Falle gar nicht akut. Das Gesetz vom 3. März 1948 nahm vielmehr, abgesehen vom Wechsel des Abgabeberechtigten, in seinem § 1 nur zur Bestimmung des Inhalts seiner Ermächtigung auf die im Gebietsteil Pfalz und Rheinhessen noch erhobene Weinabgabe Bezug, wobei es für die hier zu entscheidende Frage unerheblich ist, inwieweit die Anordnungen des Oberregierungspräsidiums rechtsverbindlich waren. Somit steht Art. 125 GG der Gesetzgebungsbefugnis des Landes hier nicht entgegen.

Die Frage jedoch, ob das Gesetz vom 6. April 1950 (oben zu f) gegen die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes verstößt, hängt von der Vorfrage ab, ob die Weinabgabe eine Verbrauchsteuer oder eine Verkehrsteuer ist.

Ist die Weinabgabe eine Verbrauchsteuer, dann steht die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nicht entgegen, da der Wein als Verbrauchsteuer vom Bund zur Zeit nicht besteuert wird. Letztmalig bestand eine Versteuerung durch das Reichsweinsteuergesetz vom 10. August 1925 (RGBl. I S. 248). Ist die Weinabgabe eine Verkehrsteuer, dann tritt sie in Konkurrenz mit der Umsatzsteuer, die vom Bund erhoben wird (vgl. auch Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, Tübingen 1950 S. 27).

Für die Frage, wie sich Verbrauchsteuern und Verkehrsteuern unterscheiden, ist in erster Linie der Tatbestand maßgebend, an den das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld knüpft.

Bei den Verbrauchsteuern ist ein bestimmter Gegenstand, bzw. dessen Übertritt aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen Verkehr für die Entstehung der Steuerschuld maßgebend, bei den Verkehrsteuern ist es ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Akt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 135/20 vom 30. Juni 1920, Slg. Bd. 3 S. 161). Bei den Verkehrsteuern und jedenfalls bei der Umsatzsteuer gehören, wenn man von dem Sonderfalle des Eigenverbrauchs absieht, immer zwei Personen dazu, um die Steuerschuld zur Entstehung zu bringen, wenn auch nur einer von den beiden als Steuerschuldner in Betracht kommt. Bei den Verbrauchsteuern genügt eine Person, unter Umständen genügt sogar der Übergang des verbrauchsteuerbaren Gegenstandes aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr ohne menschliches Zutun. Es können für ein und denselben Gegenstand sowohl eine Verbrauchsteuer wie eine Verkehrsteuer in Betracht kommen, z. B. Biersteuer und Umsatzsteuer bei der Entfernung von Bier aus einer Brauerei. Liegt der Entfernung des Bieres keine Lieferung zugrunde, dann greift immer noch die Biersteuer Platz.

Die hier einschlägige Landesgesetzgebung hat die Weinabgabe als Verkehrsteuer, und zwar als Sonderumsatzsteuer gestaltet. Das zeigen insbesondere die folgenden Bestimmungen:

a) Landesverfügung vom 3. März 1948 (oben zu b) § 2: "Verkauf",

b) Gesetz vom 10. Januar 1949 (oben zu c) § 1: "Veräußerung",

c) Landesverordnung vom 15. Januar 1949 (oben zu d) §§ 1 und 4: "Veräußerung",

d) Gesetz vom 21. April 1949 (oben zu e) §§ 1 und 3, 4 Abs. 1: "Lieferung".

Auch der Oberfinanzpräsident Koblenz spricht im Gegensatz zur Bfin. von einer Sonderumsatzsteuer. Daran, daß es sich hiernach bei der Weinabgabe um eine Verkehrsteuer (Umsatzsteuer) handelt, kann der Umstand nichts ändern, daß die sinngemäße oder entsprechende Anwendung der Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die Verbrauchsteuern angeordnet ist (Landesverordnung vom 15. Januar 1949: § 8, Gesetz vom 21. April 1949: § 13). Das Wesen dieser Steuer als einer Verkehrsteuer wird hierdurch nicht berührt. Dies hätte schon durch eine unzweideutige Bestimmung geschehen müssen, wie nach § 8 des Weinsteuergesetzes vom 10. August 1925, die lautet:

"Die Weinsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Reichsabgabenordnung" (vgl. hierzu Machatius, Weinsteuergesetz, Anmerkungen zu § 8 und 4 zu § 1). Daß die Weinabgabe in Rheinland-Pfalz trotz der Anwendung von Vorschriften über die Verbrauchsteuern ihrem Wesen nach Verkehrsteuer geblieben ist, kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß sie -- wenn man schon verwaltungsorganisatorische Gesichtspunkte für die Unterscheidung von Verbrauch- und Verkehrsteuern gelten lassen will (vgl. Becker AO § 1 Anmerkung 10) -- nicht von den Hauptzollämtern, sondern von den Finanzämtern verwaltet wurde, daß in zweiter Instanz nicht die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung, sondern die Steuerabteilung der Oberfinanzdirektion zuständig ist, und daß die Veranlagung und Erhebung der Steuer in den für die Umsatzsteuer üblichen Formen erfolgt.

Ist sonach die Weinabgabe eine Verkehrsteuer, und zwar eine Umsatzsteuer, so war zur Gesetzgebung das Land mit Inkrafttreten des Grundgesetzes (24. Mai 1949) nicht mehr befugt, vorher ergangene Gesetze, wie das Gesetz vom 21. April 1949, verloren mit diesem Zeitpunkt ihre Wirksamkeit, es sei denn, daß die Weinabgabe als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis anzusehen ist, wie die Beschwerdegegnerin annimmt. Es kann jedoch der etwaige örtlich bedingte Wirkungskreis der Weinabgabe dahingestellt bleiben, da das Gesetz vom 6. April 1950, soweit es sich mit der Sanktionierung der früheren Weinabgabevorschriften befaßt, aus anderen Erwägungen gegenüber der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes Bestand hat. Denn dieses Gesetz befaßt sich mit Steuertatbeständen, die -- wenigstens bis zum 24. Mai 1949 -- vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes lagen; jedenfalls verlangt die Bfin. Steuererstattung nur für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1948 (nach dem Gesetz vom 3. März 1948) und vom 1. Januar 1949 bis 21. April 1949 (nach dem Gesetz vom 10. Januar 1949), und nicht für eine darüber hinaus liegende Zeit. Für die in die Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes fallenden Tatbestände muß die Landesgesetzgebung auch noch nach diesem Zeitpunkt als berechtigt angesehen werden, Vorschriften zu erlassen.

Nach alledem greifen die von der Rb. gegen die Landesgesetzgebung erhobenen Vorwürfe nicht durch. Es ergibt sich somit aus dem Gesagten, daß im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof die Zahlungen und Anforderungen nach den Weinabgabegesetzen rechtmäßig waren und Erstattungen nicht gefordert werden können. Spätestens mit Verkündung des letztgenannten Gesetzes kann sich niemand auf die Ungültigkeit der Weinabgabebestimmungen und der auf diesen beruhenden Verwaltungsakte berufen. Damit fehlt es aber an der entscheidenden Voraussetzung für die Anerkennung der von der Rb. gestellten Anträge.

Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen die Ausführungen vorgebracht, die aus ihren Schriftsätzen vom 22. und 25. April 1953 ersichtlich sind. Die gestellten Anträge hat sie dahin erweitert, daß

3. die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin den Betrag von 8558,59 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. April 1950 zurückzuzahlen.

In erster Linie hat sie angeregt, das Verfahren auszusetzen und für die Zeit vom 24. Mai 1949 bis 1. April 1950 die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und für die Zeit vom 26. August 1948 bis 23. Mai 1949 die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Rheinland-Pfalz einzuholen.

Die Bfin. hat neuerdings die von Amts wegen zu berücksichtigende Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs unter Hinweis auf Art. 99 des Grundgesetzes (GG) bestritten. Demgegenüber ist der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die Ausführungen über die Begründung seiner Zuständigkeit im Bescheid vom 4. Dezember 1952 der Auffassung, daß Art. 99 GG hier nicht zur Anwendung kommt. Bereits nach § 6 der Reichsabgabenordnung (AO) ergab sich die Zuständigkeit des Reichsfinanzhofs, jetzt des Bundesfinanzhofs, auch für Steuern der Länder, soweit sie von den Finanzämtern erhoben und beigetrieben wurden. Die Reichsabgabenordnung ist gemäß Art. 125 GG Bundesrecht geworden. § 1 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof steht mithin im Einklang mit dem Grundgesetz, so daß Art. 99 GG jedenfalls nicht auf solche Landessteuern anzuwenden ist, die von den Finanzämtern verwaltet werden. Wenn die Bfin. zur sachlichen Berechtigung ihres Antrags auf Aussetzung des Verfahrens darauf hinweist, daß der Bundesfinanzhof in erster Linie mit der Auslegung in ihrer Gültigkeit unbestrittener Steuergesetze befaßt sei, so sei darauf hingewiesen, daß die Anwendung und Auslegung des Steuergesetzes stets die Prüfung seiner Gültigkeit voraussetzt.

Die Bfin. greift ferner die im Bescheid getroffene Ermessensentscheidung über die instanzliche Zuständigkeit mit der Behauptung an, daß nicht nur über reine Rechtsfragen zu entscheiden sei, es sei vielmehr weitere Sachaufklärung erforderlich, weil entgegen den Ausführungen im Bescheid ein erheblicher Teil ihrer Abnehmer sich geweigert habe, die in Rechnung gestellte Weinabgabe zu entrichten. Die gleiche Tatsache habe auch dafür Bedeutung, daß bei Verbrauchsteuergesetzen die Zulässigkeit ihrer Rückwirkung zu verneinen sei. Es kann hierauf jedoch nicht ankommen. Denn für die getroffene Entscheidung ist allein maßgeblich, daß die Weinabgabegesetzgebung auf dem Grundsatz der Abwälzbarkeit dieser Steuer beruht. Dieser Grundsatz wird nicht dadurch berührt, daß Steuerpflichtige und Abnehmer die Gesetzgebungs- und Verwaltungsakte, mögen sie auch mit Fehlern behaftet gewesen sein, nicht anerkannten.

Wenn die Bfin. darauf hinweist, daß auch das Gesetz vom 6. April 1950 mit seiner nicht dem Art. 80 GG entsprechenden Ermächtigungsklausel im § 2 Abs. 2 verfassungswidrig sei, so sei darauf hingewiesen, daß eine etwaige Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 2 nicht die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes berührt, auf die es die Entscheidung allein abstellt. Übrigens hat der Minister der Finanzen von der Ermächtigung des § 2 Abs. 2 unstreitig nie Gebrauch gemacht; sie diente nach der Darstellung des Beschwerdegegners (Bg.) nur dazu, die vorangegangenen Verordnungen zu sanktionieren und damit die Lücke zu schließen, die durch die früheren Gesetzgebungsakte für die Zeit vom 1. Januar bis 24. Februar 1949 entstanden war.

Im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde (Rb.) war das Land auch auf dem konkurrierenden Gebiete der Verkehrsteuergesetzgebung insoweit noch zur Gesetzgebung befugt, als es sich nur um die Sanktionierung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes liegender Tatbestände handelt, weil die Weinabgabegesetzgebung des Landes Rheinland-Pfalz nicht nach Art. 125 GG Bundesrecht geworden war. Denn das Oberregierungspräsidium Mittelrhein-Saar war, wie in der mündlichen Verhandlung auch von der Rb. nicht mehr bestritten wird, zu jeder Zeit seines kurzen Bestehens Gesetzgeber nur für einzelne Landesteile und jedenfalls nicht befugt, früheres Reichsrecht, das spätestens am 30. Juni 1945 außer Kraft gesetzt war, abzuändern.

Die weiteren Ausführungen der Rb. können den mit Bescheid vom 4. Dezember 1952 eingenommenen Standpunkt nicht ändern.

Schließlich ist noch zu dem erstmals mit Schriftsatz vom 22. April 1953 gestellten Klageantrag Stellung zu nehmen. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß dieser Antrag nicht zulässig ist. Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof sind die Klagen und Rechtsmittel an den Bundesfinanzhof abzugeben, soweit eine Klage oder ein Rechtsmittel bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bei einem anderen Gericht anhängig war. Der Bundesfinanzhof übernimmt daher den Rechtsstreit einmal, wie im Bescheid ausgeführt, in dem jeweiligen Stadium des Verfahrens, zum anderen aber nur in dem sachlichen Umfang, in dem ein Rechtsstreit bei einem anderen Gericht anhängig geworden ist. Es können mithin nicht neue Ansprüche, die in anderen gesetzlichen Bestimmungen ihre Grundlage haben, also auf einem neuen Klagegrund beruhen, unmittelbar letztinstanzlich beim Bundesfinanzhof anhängig gemacht werden. Diese Auffassung ergibt sich eindeutig aus Sinn und Zweck der im § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof getroffenen Übergangsregelung, weil für neue Klagen gar kein Bedürfnis zu einer derartigen Regelung bestand und, wollte man den neuen Antrag zulassen, das durch keinerlei sachliche Erwägung gerechtfertigte Ergebnis einträte, die Rechtsbeschwerdeinstanz für erstmalig geltend gemachte Ansprüche unmittelbar zuständig zu machen.

Es sei dabei darauf hingewiesen, daß der neue Antrag auch nicht begründet wäre. Die Weinabgabe war vom Steuerschuldner nach einem bestimmten Vordruck anzumelden und selbst zu errechnen. Der nach dieser Erklärung errechnete Steuerbetrag war an die Kasse des Finanzamts zu entrichten. Hierzu trat später die Jahresanmeldung. In der Entgegennahme dieser Erklärungen durch das Finanzamt ist nach herrschender Meinung und der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Becker, AO, 7. Aufl. Bem. 1 Abs. 2 und 3, und die dort angeführte Rechtsprechung, insbesondere Urteil des Reichsfinanzhofs I A 54/27 vom 6. Dezember 1927, Slg. Bd. 22 S. 231), der der erkennende Senat beitritt, ein formloser Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO zu erblicken, den die Bfin. bei jeder einzelnen Versteuerung mit den damals zulässigen Rechtsmitteln der Reichsabgabenordnung anzufechten die Möglichkeit gehabt hat. Nach den unbestritten gebliebenen Behauptungen des Bg. hat es die Bfin. aber ausdrücklich abgelehnt, entweder Einspruch beim Finanzamt oder, wenn sie die Weinabgabe als Verbrauchsteuer auffaßte, Anfechtung beim Oberfinanzpräsidenten einzulegen. Es muß aber von einem Steuerpflichtigen, auch wenn er, im vorliegenden Falle irrigerweise, die Gesetzgebungsakte und die darauf beruhenden Vertungsakte als fehlerhaft ansah, erwartet werden, daß er zunächst die hierfür vorgesehenen und zulässigen Rechtsmittel einlegt, um die Rechtskraft der Steuerbescheide zu verhindern. Da dies unterblieben ist, sind die Steuerbescheide rechtskräftig geworden. Bei formlosen Steuerbescheiden hindert das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung nicht den Lauf der Rechtsmittelfrist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI a A 90/22 vom 26. September 1922 in Steuer und Wirtschaft -- StuW -- 1922 Nr. 1073), da nur für schriftlich zu erteilende Steuerbescheide gemäß § 211 Abs. 2 AO eine Rechtsmittelbelehrung als Sollbestimmung vorgeschrieben ist. Bei der von der Bfin. vertretenen Meinung, nur mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht ihr Ziel erreichen zu können, hätte übrigens auch eine Rechtsmittelbelehrung das gleiche Ergebnis der Rechtskraft der Bescheide gezeitigt.

Der Grundsatz, daß ein abgeschlossener Streit um den Steueranspruch nicht mit dem Vorbringen, es sei zu Unrecht gezahlt worden, in unzulässiger Weise auf dem Wege eines Erstattungsanspruchs neu aufgerollt werden kann, widerstreitet auch nicht etwa rechtsstaatlichem Denken. Die Frage der Erstattung zu Unrecht gezahlter Forderungen ist im Steuerrecht besonders und abschließend geregelt (vgl. §§ 150 ff. AO; vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO § 150 Anm. 2). Es hätte deshalb das von der Bfin. erstrebte Ziel der Erstattung auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erreicht werden können. Denn es wäre ein befremdendes Ergebnis, wenn ein Steuerpflichtiger, der vielleicht jahrelang eine Abgabe widerspruchslos bezahlt hat, hinterher in einem hierfür gar nicht vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Erstattung rechtskräftig festgesetzter Steuern verlangen könnte. Die Rechtskraftwirkung eines Bescheides, wie jedes Verwaltungsaktes, beruht auf dem Gedanken der Rechtssicherheit und dem Vertrauen, die alle Verwaltungsakte des Staates genießen und genießen müssen, weshalb auch Akte, die auf Grund später für nichtig erklärter Gesetze erlassen worden sind, nicht schlechthin nichtig, sondern nur anfechtbar sind. (Vgl. schon Preußisches Oberverwaltungsgericht vom 16. November 1900, Preußisches Verwaltungsblatt Bd. 22 S. 214, und vom 14. Juni 1901, Preußisches Verwaltungsblatt Bd. 23 S. 138.)

Da im Streitfall die Steuerbescheide Rechtskraft erlangt haben, auch die für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen vorgesehenen Fristen der Reichsabgabenordnung verstrichen sind, hätten die jetzt geltend gemachten Erstattungsansprüche auch sachlich keine Erfolgsaussicht.

Die Rb. ist somit unter Hinweis auf die Ausführungen des Bescheids vom 4. Dezember 1952 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407658

BStBl III 1953, 183

BFHE 1954, 491

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