Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verfahrensaussetzung wegen geplanter Gesetzesänderung mit Rückwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beträgt die positive oder die negative Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, jeweils mehr als 800 DM (410 €), ist eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG von Amts wegen durchzuführen.

2. Eine künftige mit Rückwirkung versehene Gesetzesänderung ist kein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 17. Mai 1984 IV R 75/80, juris).

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 07.12.2005; Aktenzeichen 1 K 2020/04; EFG 2006, 896)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1997) am 10. November 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 58 836 DM erklärte er negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 44 432 DM. Daneben machte er einen Verlustabzug gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) lt. Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1996 in Höhe von 213 664 DM geltend.

Das FA lehnte die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid vom 10. Dezember 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2004 aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihn für den Veranlagungszeitraum 1997 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der Kläger zur Einkommensteuer zu veranlagen.

1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Veranlagung von Amts wegen gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nur dann durchzuführen, wenn die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren (Nebeneinkünfte), den Betrag von 800 DM (410 €) übersteigt, sondern auch dann, wenn die negative Summe der betreffenden Nebeneinkünfte diesen Betrag übersteigt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. September 2006 VI R 52/04, BFH/NV 2006, 2359, und VI R 47/05, BFH/NV 2006, 2364).

2. Danach hat das Finanzgericht (FG) das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu Unrecht verneint. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG erzielte der Kläger die Freigrenze von 800 DM übersteigende negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

3. Der Senat hat erwogen, das Verfahren im Hinblick auf die geplante Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch den Entwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 auszusetzen. In Reaktion auf den Gerichtsbescheid des Senats vom 22. Mai 2006 VI R 47/05 und weitere beim erkennenden Senat anhängige Revisionen hatte der Finanzausschuss beim Bundesrat am 29. September 2006 zum JStG 2007 die Empfehlung ausgesprochen, § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG insoweit zu ändern, als bei der Prüfung der Einkünftegrenze von 410 € (800 DM) "allein positive Einkünfte entscheidend und negative Einkünfte nicht zu berücksichtigen seien" (BRDrucks 622/1/06). Der Finanzausschuss des Bundestags hat diese Empfehlung in seinen Beschluss vom 19. Oktober 2006 aufgenommen (BTDrucks 16/3036, 25). Unter den besonderen Umständen des Streitfalls kommt eine Aussetzung des Verfahrens jedoch nicht in Betracht. Nach Auffassung des Senats würde sich die prozessuale Lage des Klägers durch eine Verfahrensaussetzung wesentlich verschlechtern und das Gericht würde seine Verpflichtung zur Neutralität gegenüber allen Beteiligten verletzen. Im Übrigen ist die Möglichkeit einer Rechtsänderung kein Rechtsverhältnis i.S. des § 74 FGO, dessen Bestehen oder Nichtbestehen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (BFH-Urteil vom 17. Mai 1984 IV R 75/80, juris, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1642959

BFH/NV 2007, 349

BStBl II 2007, 129

BFHE 2008, 167

BFHE 216, 167

BB 2007, 82

DB 2007, 31

DStR 2007, 22

DStRE 2007, 132

HFR 2007, 248

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