Leitsatz (amtlich)

1. Die Steuerfreiheit der Berufs- und Wirtschaftsverbände beruht auf der gesetzespolitischen Anerkennung ihres Wirkens für die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder als eines Wirkens im Interesse der Allgemeinheit.

2. Die Steuerfreiheit geht verloren, wenn neben die Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder oder an ihre Stelle die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen der Mitglieder oder eine verbandsfremde, wirtschaftliche Betätigung in nicht ganz untergeordnetem Ausmaße tritt.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 8

 

Tatbestand

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache gemäß § 286 Abs. 1 AO a. F. zugelassen hat, begehrt der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) seine Anerkennung als Berufsverband und damit seine Freistellung von der Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG.

Der Steuerpflichtige ist ein Rabattsparverein im Sinne von § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25. November 1933 (RGBl I 1933, 1011). Er verfolgt nach § 1 seiner Satzung den Zweck, "der Allgemeinheit durch Erweckung und Förderung des Spartriebes zu dienen, die Interessen des rabattgebenden mittelständischen Einzelhandels in gemeinnütziger Weise zu vertreten und die Entwicklung des Barverkehrs und gesunder Preisbildung zu fördern". Mitglied des Vereins kann nach § 2 der Satzung mit Ausnahme der in § 6 des Rabattgesetzes erwähnten Unternehmungen jede natürliche oder juristische Person werden, die ihre gewerbliche Niederlassung im Tätigkeitsbereich des Vereins hat und in einem offenen Verkaufsladen Waren weitervertreibt, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung veräußert werden.

Wie das FG in tatsächlicher Hinsicht unbestritten festgestellt hat, geben die Mitglieder des Steuerpflichtigen in ihren Geschäften einheitliche Sparmarken aus, die eingelöst werden, sobald ein bestimmter Kaufwert angespart ist. Der Steuerpflichtige liefert den angeschlossenen Einzelhandelsgeschäften diese Sparmarken in Blocks sowie die dazugehörigen Sammelbücher. Der Gegenwert für jeden erhaltenen Block muß beim Steuerpflichtigen als Depotgeld hinterlegt werden. Außerdem muß jedes Mitglied bei der Entnahme eines Markenblocks 2 DM zahlen. Davon werden 1,50 DM einer Markensicherungseinlage zugeführt, die zur Sicherung des neu entstehenden Markenumlaufs bestimmt ist. Die restlichen 0,50 DM stellen den zu leistenden Vereinsbeitrag dar, der zur Anschaffung von Sparmarken und Sammelbüchern sowie zur Deckung der allgemeinen Unkosten verwendet wird. Der Steuerpflichtige löst die ihm von den Einzelhändlern (Regelfall) oder Rabattsparern (Ausnahmefall) vorgelegten vollgeklebten Sammelbücher ein. Er haftet ferner für die jederzeitige Einlösung der Rabattmarken. Er besitzt Grund- und Kapitalvermögen, das als Deckungskapital für den Markenumlauf dient.

Der Revisionsbeklagte (das FA) hat den Steuerpflichtigen für das Streitjahr 1962 zu einer Körperschaftsteuer von 0 DM herangezogen, weil der Steuerpflichtige für den Veranlagungszeitraum ein negatives Einkommen zu verzeichnen gehabt hatte. Die gegen diesen Bescheid wegen der grundsätzlichen Bejahung der Steuerpflicht (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F.) betriebene Sprungberufung (§ 261 AO a. F.) blieb ohne Erfolg. Das FG begründet seine Entscheidung wie folgt:

Der Steuerpflichtige sei kein steuerbefreiter Berufsverband im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei. Nach seiner Satzung habe er zwar die Aufgabe, die allgemeinen berufsständischen Interessen seiner Mitglieder auf dem Gebiete des Preisnachlasses, des Wettbewerbs und des Borgunwesens wahrzunehmen. Nach seinem tatsächlichen Geschäftsgebaren beschränke er sich jedoch im wesentlichen darauf, die Rabattgewährung seiner Mitglieder zu organisieren. Er nehme damit überwiegend solche Aufgaben wahr, die zur regelmäßigen Tätigkeit seiner Mitglieder als gewerblicher Unternehmer gehörten (Urteil des BFH I 265/61 vom 17. März 1964, HFR 1964, 301). Für die steuerrechtliche Einordnung als körperschaftsteuerbefreiter Berufsverband komme es indes nicht auf die Satzung, sondern auf das abweichende tatsächliche Geschäftsgebaren an (BFH-Urteile I 44/52 U vom 22. Juli 1952, BFH 56, 572, BStBl III 1952, 221, und I 67/54 U vom 22. November 1955, BFH 62, 76, BStBl III 1956, 29).

Durch die Rabattgewährung bei Barzahlung fördere der Kaufmann in erster Linie seine eigenen geschäftlichen Interessen. Die Barzahlung sichere ihm die Gegenleistung für seine Ware und ermögliche ihm, mit dem eingenommenen Geld sofort weiterzuarbeiten. Wenn der Steuerpflichtige einen Teil der aus der Rabattgewährung entstehenden Aufgaben einer größeren Zahl von Kaufleuten übernehme, so liege dies ausschließlich im besonderen geschäftlichen Interesse der einzelnen Kaufleute. Die Anschaffungskosten für Sparmarken und Sammelbücher würden gesenkt, dem Kunden darüber hinaus ein Kaufanreiz dadurch geboten, daß sie bei Einzelhandelskaufleuten der verschiedensten Branchen die gleichen Sparmarken erhielten und überall einlösen könnten. Darin liege der Hauptzweck der organisierten Rabattgewährung.

Gleichzeitig wolle der Einzelhandel durch die Rabattgewährung im Wettbewerb mit den Konsumgenossenschaften und Warenhäusern seinen Absatz steigern. Auch die Steigerung des Absatzes und die Festigung der Wettbewerbsfähigkeit liege im eigenen geschäftlichen Interesse des einzelnen Kaufmanns. Durch die zusätzliche Haftung des Steuerpflichtigen für die Einlösung der Sparmarken werde dem Kunden eine größere Sicherheit geboten; andererseits nehme der Steuerpflichtige jedoch dadurch die besonderen geschäftlichen Interessen jedes einzelnen ihm angeschlossenen Kaufmanns wahr. Denn diese zusätzliche Sicherung biete den Kunden einen weiteren Anreiz, bei seinen Einkäufen dem Einzelhandel gegenüber den Konsumgenossenschaften und Warenhäusern den Vorzug zu geben.

Da der Steuerpflichtige als Rabattsparverein somit überwiegend die besonderen geschäftlichen Interessen seiner Mitglieder wahrnehme, sei es steuerlich ohne Bedeutung, daß er daneben u. U. auch Probleme von allgemeinem Interesse bearbeite. Die Steuerbefreiung eines Berufsverbandes sei volkswirtschaftlich nur deshalb gerechtfertigt, weil er durch die Wahrung der allgemeinen, allen Angehörigen des Berufs- oder Wirtschaftszweiges eigentümlichen Interessen im öffentlichen Interesse schlechthin tätig werde. Die Wahrnehmung dieser Interessen müsse indes im Vordergrund seiner Tätigkeit stehen. Die daneben erfolgende Förderung der wirtschaftlichen Interessen seiner einzelnen Mitglieder dürfe dabei höchstens von ganz untergeordneter Bedeutung sein (so BFH-Gutachten I D 1/52 S vom 17. Mai 1952, BFH 56, 591, BStBl III 1952, 228; BFH-Urteile I 44/52 U, a. a. O.; I 110/53 U vom 26. April 1954, BFH 58, 766, BStBl III 1954, 204).

Demgegenüber läßt der Steuerpflichtige zur Begründung seiner Revision vortragen:

Die Rabattgewährung als die hier in Betracht kommende Tätigkeit des einzelnen Kaufmannes bestehe in der Einräumung eines Preisnachlasses bei jedem einzelnen Verkauf und der Aushändigung der Sparmarke an Zahlungs Statt. Mit alledem habe der Steuerpflichtige selbst nichts zu tun. Seine Aufgabe sei vielmehr die allgemeine Regelung der Rabattgewährung, die sich in der für alle Mitglieder verbindlichen Festlegung der Höhe des Rabattsatzes, in der Gewährleistung seiner Gleichmäßigkeit und der Einlösung der ausgegebenen Rabattmarken niederschlage. Seine Tätigkeit sei somit der eines Arbeitgeberverbandes vergleichbar, der mit verbindlicher Wirkung für seine Mitglieder die Höhe der zu zahlenden Löhne und ihre Gleichmäßigkeit fest lege, die Löhne aber nicht selbst zahle. Demgegenüber sei die Ausgabe der Markenblocks an die Mitglieder und die Einlösung der vollgeklebten Sparbücher lediglich Mittel zur Erfüllung seiner Aufgabe. Während seine eigentliche Aufgabe nicht auf Dritte delegiert werden könne, sei die Ausgabe der Markenblocks und die Einlösung der vollgeklebten Sparbücher durchaus auf Dritte übertragbar und auch tatsächlich viele Jahre lang der örtlichen Sparkasse übertragen worden.

Durch seine Tätigkeit auf dem Gebiet des Wettbewerbs diene der Steuerpflichtige sowohl den allgemeinen berufsständischen Interessen des Einzelhandels als auch den allgemeinen Interessen des kaufenden Publikums. Die durch seine Tätigkeit bewirkte und vom FG festgestellte Absatzsteigerung und Festigung der Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitglieder sei ein echtes allgemeines berufsständisches Anliegen des gewerblichen Mittelstands. Ein Zusammenschluß von Kaufleuten, der sich diese Aufgabe stelle, sei ein Berufsverband, möge er nun Rabattsparverein oder Vereinigung zur Ordnung des mittelständischen Wettbewerbs heißen.

Den Ausführungen des FG über die Rechtfertigung der Steuerfreistellung eines Berufsverbandes aus der Identität der Wahrnehmung der allgemeinen, allen Angehörigen des Berufsstandes oder Wirtschaftsszweiges eigentümlichen mit der Wahrnehmung öffentlicher Interessen stimme der Steuerpflichtige zu. Daß der Berufsverband dadurch zugleich die speziellen Interessen jedes einzelnen seiner Mitglieder fördere, dürfe seine Steuerfreiheit nicht ausschließen. Der Steuerpflichtige werde nicht für die einzelnen Mitglieder speziell tätig, sondern lediglich über die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Gruppe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Steuerpflichtige gehört als ein eingetragener Verein zu den nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen des privaten Rechts. Er kann als Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG nur dann angesprochen werden, wenn sein satzungsmäßiger Zweck während des Streitjahres nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet war und auch seine tatsächliche Geschäftsführung während dieser Zeit mit der Satzung übereinstimmte (BFH-Urteil I 67/54 U, a. a. O.). Zu den Berufsverbänden in diesem Sinne können gemäß § 13 Abs. 1 KStDV u. a. auch Wirtschaftsverbände gehören.

Berufs- und Wirtschaftsverbände haben die Aufgabe, die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen eines Berufsstandes (Berufszweiges) oder eines Industriezweiges gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften, gegenüber den Verwaltungsbehörden usw. zu vertreten, seine Wünsche als eine gemeinsame einheitliche Vertretung geltend zu machen und - wenn möglich - durchzusetzen. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn sich dabei Mitglieder verschiedener, indes verwandter Berufe, auch selbst verschiedener, nicht verwandter Zweige der gewerblichen Wirtschaft (wie z. B. die Mitglieder einer Fachgruppe) in einem Verband zusammenschließen (vgl. BFH-Gutachten I D 1/52 S, a. a. O.; BFH-Urteile I 44/52 U, a. a. O.; I 104/53 U vom 12. Juli 1955, BFH 61, 190, BStBl III 1955, 271).

Die persönliche Freistellung dieser Verbände von der Steuerpflicht beruht auf der gesetzespolitischen Anerkennung ihres Wirkens als eines Wirkens im Interesse der Allgemeinheit. Sie geht deshalb notwendig verloren, wenn neben die Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Angehörigen des Zusammenschlusses eigentümlichen Interessen oder an deren Stelle die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder tritt, selbst wenn sämtliche Mitglieder an ihr interessiert sind und sie wünschen (siehe BFH-Urteil I 110/53 U, a. a. O.). Sie geht aber auch verloren, wenn neben die Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen oder an deren Stelle eine verbandsfremde Betätigung in nicht ganz untergeordnetem Ausmaße tritt (siehe in diesem Sinne bereits das BFH-Urteil I 44/52 U, a. a. O.).

2. Im Streitfalle hat das FG danach die Anerkennung des Steuerpflichtigen als eines Berufs- oder Wirtschaftsverbandes zu Recht verneint. Denn ohne daß es auf die Änderung, die das Steueränderungsgesetz 1961 (BStBl I 1961, 444 [447]) hinsichtlich der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG mit sich gebracht hat, ankommt, fehlen dem Steuerpflichtigen sowohl nach seiner Satzung als auch nach seiner tatsächlichen Geschäftsgebarung die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Berufs- oder Wirtschaftsverband. Die Satzung (in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung) nennt als Hauptmittel zur Erfüllung des Satzungszwecks die organisierte Rabattgabe. Damit ist klar zum Ausdruck gebracht, daß die Aufgabenstellung des Steuerpflichtigen, die er auch noch in seiner Revisionsbegründung als die allgemeine Regelung der Rabattgewährung charakterisiert, nicht der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Mitgliedern des Steuerpflichtigen eigentümlichen Interessen, sondern ausschließlich der Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen seiner einzelnen Mitglieder dient. Der vom Steuerpflichtigen angezogene Vergleich seiner Tätigkeit mit der eines Arbeitgeberverbandes geht insofern fehl, als er - im Gegensatz zu einem Arbeitgeberverband - weder ein Berufsverband ist noch in dieser seiner Eigenschaft als Sozialpartner einem anderen Sozialpartner zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG) zum Abschluß (tarif-)vertraglicher Vereinbarungen gegenübertritt. Gerade an einer solchen, dem Arbeitgeberverband vergleichbaren Aufgabenstellung fehlt es dem Steuerpflichtigen, wenn er durch die allgemeine Regelung der Rabattgewährung lediglich der Vereinfachung der Rabattgewährung durch seine Mitglieder ihren Kunden gegenüber dient, d. h. nicht die allgemeinen wirtschaftlichen, sondern die besonderen geschäftlichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt. Hieran ändert es auch nichts, wenn als der Hauptzweck der organisierten Rabattgewährung von den in dem Zusammenschluß vereinigten Gewerbetreibenden die Steigerung des Absatzes und die Festigung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitglieder angesehen wird.

Der Senat konnte es bei dieser Sachlage dahingestellt lassen, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425908

BStBl II 1968, 236

BFHE 1968, 45

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