Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückbehaltung unwesentlicher Betriebsgrundlagen bei der Übertragung einer Landwirtschaft im Wege der vorweggenommenen Erbfolge

 

Leitsatz (NV)

1. Übertragen Landwirte ihren Betrieb unentgeltlich auf ihre Tochter, behalten sie sich aber 5 v.H. ihrer eigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen zur weiteren Bewirtschaftung zurück, so führen sie ihre bisherige Tätigkeit auf dieser verkleinerten Grundlage fort.

2. Verkaufen die Hofübernehmer unmittelbar nach dem Tod der Hofübergeber die zurückbehaltenen Grundstücke, so kann der Veräußerungsgewinn tarifbegünstigt sein.

 

Normenkette

EStG § 4a Abs. 2 Nr. 1, §§ 13-14, 14a, 16, 34 Abs. 1, 2 Nr. 1; EStDV § 74

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben Gütergemeinschaft vereinbart. Die Kläger bewirtschaften einen zum Gesamtgut gehörenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den die Klägerin von ihren Eltern in vorweggenommener Erbfolge durch Hofübergabevertrag vom 23. Februar 1973 erhalten hat. Dieser Betrieb umfaßte in den Streitjahren Eigenland von ca. 16 ha sowie Pachtland von ca. 8 ha. Die Kläger sind seit dem 1. Juli 1981 buchführungspflichtig.

Bei der Hofübergabe am 23. Februar 1973 hatten die Eltern der Klägern, die Eheleute F, zwei Flurstücke von zusammen 78,9 Ar sowie einen Schlepper zurückbehalten. Außerdem hatten sich die Hofübergeber den Nießbrauch an drei weiteren, zu Eigentum übergebenen Grundstücken von zusammen 1,02 ha (Grünland mit Streuobst und Ackerland) vorbehalten. ... Die Hofübergeber hatten für das Wirtschaftsjahr 1972/73 eine Einkommensteuererklärung nicht abgegeben und einen Gewinn aus einer eventuellen Entnahme der zurückbehaltenen Grundstücke nicht erklärt.

Die Kläger haben erstmals für das Jahr 1977 eine Einkommensteuererklärung abgegeben. Sie gaben dabei an, daß sie eine Fläche von 20,1 ha gepachtet und landwirtschaftlich genutzt hätten. Dabei sind die Hofübergeber nicht unter den Verpächtern aufgeführt worden. Das FA hat bei der Ermittlung des Durchschnittssatzgewinnes aus der Landwirtschaft der Kläger die Grundstücke der Hofübergeber nicht einbezogen. In dem Fragebogen, den die Kläger am 3. Februar 1981 im Zusammenhang mit der Änderung der Buchführungsvorschriften ausgefüllt hatten, führten sie in der Rubrik gepachtet oder unentgeltlich von Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke neben anderen Flächen auch eine Fläche von 80 Ar an, die ihnen von einem Eigentümer namens F überlassen worden sei. Die Spalte zugepachtet oder überlassen seit blieb unausgefüllt.

Mit dem Tode der beiden Hofübergeber sind die bei der Hofübergabe zurückbehaltenen Grundstücke im Erbwege auf die Klägerin übergegangen. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Januar 1984 haben die Kläger diese Grundstücke an die Stadt B für ... DM veräußert. Die Eigentumsrechte gingen mit dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung am 6. September 1985 auf die Erwerberin über.

Das FA ging im Rahmen einer Außenprüfung davon aus, daß die bei der Hofübergabe zurückbehaltenen Grundstücke von den Hofübergebern weiterhin selbst bewirtschaftet und nicht entnommen worden seien. Mit dem Tod des Vaters der Klägerin am 20. Januar 1984 seien sie in das Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Kläger übergegangen. Dementsprechend setzte das FA einen laufenden Gewinn von ... DM an, den es dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1985/86 zuordnete. Die Kläger haben gegen die ändernden Einkommensteuerbescheide 1985 und 1986 Einspruch eingelegt und zugleich die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Das FA lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Beschwerde blieb erfolglos.

...

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

1. ...

2. Aufgrund der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise konnte das FG ohne Rechtsverstoß annehmen, daß die strittigen Flächen bei den Erblassern Betriebsvermögen geblieben waren. Eine Betriebsaufgabe kam danach nicht in Betracht, weil die Erblasser den Betrieb mit seinen wesentlichen Grundlagen der Klägerin übertragen hatten. Die zurückbehaltenen Flächen von nicht einmal 0,8 ha stellten angesichts der übergebenen Eigenflächen von ca. 16 ha und auch des übernommenen Pachtlandes keine wesentliche Betriebsgrundlage dar.

Gemessen an den übergebenen Eigenflächen machten sie nicht einmal 5% aus. Damit ist die Flächegrenze von 10%, die im allgemeinen als Anhaltspunkt für das Vorliegen wesentlicher Betriebsgrundlagen angesehen wird, deutlich unterschritten (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508, und vom 1. Februar 1990 IV R 8/89, BFHE 159, 471, BStBl II 1990, 428). In seinem Urteil in BFHE 159, 471, BStBl II 1990, 428 hat der erkennende Senat nur deshalb eine Übertragung im ganzen i.S. des § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) abgelehnt und eine Betriebsaufgabe angenommen, weil der Landwirt sich bei der Übergabe seines Betriebes 18 v.H. der landwirtschaftlichen Fläche - zumindest annähernd gleicher Bonität - und somit einen nicht unbedeutenden Teil der wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten hatte. So liegen die Verhältnisse im Streitfall nicht.

3. Nach summarischer Beurteilung haben die Erblasser die Flächen anläßlich der Betriebsübergabe auch nicht in ihr Privatvermögen übernommen; sie haben sie vielmehr weiter bewirtschaftet und damit einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb fortgeführt, der aus dem Betriebsvermögen des übertragenen Betriebs abgespalten wurde.

Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 19. Februar 1981 IV R 116/77 (BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566) gelten die bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung von der Übertragung ausgenommenen Wirtschaftsgüter zwar grundsätzlich als entnommen. In dem dort entschiedenen Fall ging es darum, daß Eltern den gemeinsam betriebenen Obstgroßhandel ihrem Sohn unentgeltlich übertragen hatten, jedoch mit Ausnahme zweier fremdvermieteter Grundstücke, die als Betriebsvermögen bilanziert waren. Damit ist der Streitfall indes nicht vergleichbar. Das FG befindet sich vielmehr mit seiner Auffassung, die zurückbehaltenen Eigenflächen seien Betriebsvermögen der Hofübergeber geblieben, in Übereinstimmung mit festen Rechtsgrundsätzen. Danach führt die Zurückbehaltung von landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden bei der Übertragung des Betriebes nicht zur Zwangsentnahme, wenn der Landwirt seine bisherige Tätigkeit nicht beendet, sondern sie mit einem Teil des bisherigen Betriebsvermögens, den zurückbehaltenen Flächen, in verkleinerter Form weiterführt (BFH-Urteil vom 24. Juli 1986 IV R 137/84, BFHE 147, 352, BStBl II 1986, 808; vgl. zur Verkleinerung eines landwirtschaftlichen Betriebes das Senatsurteil vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521). Denn eine Entnahme liegt nicht vor, wenn ein Wirtschaftsgut zwar den Betrieb verläßt, aber nach wie vor vom Betriebsinhaber betrieblich genutzt wird (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1986 VIII R 26/80, BFHE 148, 524, BStBl II 1987, 342, und vom 20. November 1987 IV R 139/85, BFH/NV 1989, 225). Für den Fall der Verkleinerung eines landwirtschaftlichen Betriebes kann nichts anderes gelten, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, der eigentliche Betrieb mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben wird (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 1721f.; Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., D 90b; vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 14, B 19; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl., Anm. 382).

Im Streitfall erscheinen die zurückgebliebenen Ackerflächen auch als groß genug, um Grundlage eines selbständigen Betriebes sein zu können. Dies gilt schon hinsichtlich der den Erblassern zustehenden Eigenflächen, also ohne Berücksichtigung der Nießbrauchsflächen. Mit 78,9 Ar überschritten sie deutlich die Flächengröße von 30 Ar, die selbst bei weniger intensiver Nutzung - wie der hier von den Klägern behaupteten Nutzung als Grünland - als Mindestgröße gilt, weil der erzielbare Gewinn den eines Gartenbesitzers übersteigt. Es spricht zudem nichts dafür, daß die Erträge aus den zurückbehaltenen Flächen bedingt durch deren Größe und Bonität keine nachhaltigen Erträge von Gewicht abwerfen könnten (BFH-Urteile vom 2. Februar 1989 IV R 96/87, BFHE 156, 163, BStBl II 1989, 504, und vom 19. Januar 1989 IV R 62/88, BFH/NV 1989, 775, StEL 1989, 30).

Als Eigentümer der zurückbehaltenen Flächen wurden die Hofübergeber auch Eigentümer der erzeugten Früchte (§ 953 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); sie waren damit landwirtschaftliche Unternehmer, wenn sie diese Grundstücke selbst bewirtschafteten oder für sich bewirtschaften ließen (BFH-Urteil in BFHE 156, 153, BStBl II 1989, 504). Revisionsrechtlich ist es in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, daß das FG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen zu dem Schluß gelangt ist, die Hofübergeber selbst, und nicht etwa die Kläger, hätten die Früchte aus dem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb gezogen. Zwar sprachen nach Ansicht des FG eine Reihe von Anhaltspunkten (geringe Betriebsmittel, gesicherter Lebensunterhalt, Bezug des Altersruhegeldes und mögliche Wertsteigerung der zurückbehaltenen Flächen) gegen eine Bewirtschaftung durch die Hofübergeber. Aber andererseits hatten die Hofübergeber weder die Entnahme der zurückbehaltenen Flächen ausdrücklich erklärt noch sich gegen die weitere Behandlung als landwirtschaftlicher Betrieb durch die Bewertungsstelle und des Schleppers als landwirtschaftliches Fahrzeug durch die Kraftfahrzeugsteuerstelle gewandt. Da die Kläger sich auf den steuereinschränkenden Umstand berufen, die strittigen Grundstücke seien bei der Hofübergabe Privatvermögen und später zum Teilwert wieder Betriebsvermögen geworden, gehen nicht behebbare Zweifel auch im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zu ihren Lasten (BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 172/82, BFHE 149, 536, BStBl II 1987, 679, und BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44).

Aufgrund der Feststellungen des FG ergeben sich auch keine hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der kleine landwirtschaftliche Betrieb von den Hofübergebern aufgegeben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1989 IV R 46/87, BFH/NV 1990, 86). Die behauptete Einstellung der Bewirtschaftung kann auch zum Zwecke der Abwicklung erfolgt sein (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Mai 1986 I S 13/85, BFH/NV 1987, 294; BFH-Urteil vom 27. Oktober 1983 IV R217/81, BFHE 139, 530, BStBl II 1984, 364).

4. Zu Recht hat demnach das FA den Veräußerungsgewinn durch Gegenüberstellung des Kaufpreises und des Buchwerts der Grundstücke ermittelt. Da jedoch die Kläger die beiden fraglichen Grundstücke, die die wesentlichen Grundlagen des Betriebes der Hofübergeber abgaben, unmittelbar nach dem Tode des letzten der beiden Hofübergeber, des Vaters der Klägerin, verkauft haben, erscheint es dem erkennenden Senat derzeit zweifelhaft, ob das FA den den Betrag von 3000 DM übersteigenden Gewinn aus der Veräußerung als laufenden Gewinn nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ansetzen durfte. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Betrieb noch in der Hand der Kläger erhalten geblieben ist und sie im Hinblick auf die Veräußerung seiner wesentlichen Grundlage die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 14, 14a und 16 EStG beanspruchen können. Die Klärung dieser Frage muß dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG ist der Veräußerungsgewinn im Jahr der Entstehung des Veräußerungsgewinns zu erfassen, also im Streitfall wegen des Übergangs der Eigentumsrechte am 6. September 1985, im Kalenderjahr 1985. Demgegenüber hat das FA die Gewinne aus der Veräußerung der beiden Grundstücke hälftig in den Kalenderjahren 1985 und 1986 erfaßt, so daß die Revision trotz der Tarifbegünstigung letztlich für 1985 erfolglos bleiben muß, dafür aber für 1986 in vollem Umfang durchdringt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418809

BFH/NV 1994, 533

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