Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflichtige Umsätze durch Prostitution

 

Leitsatz (NV)

Eine selbständig nur wenige Monate ,,für den jeweiligen Geldbedarf" tätige Prostituierte ist Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG. Sie führt steuerbare und steuerpflichtige Umsätze aus.

 

Normenkette

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren 1971 bis 1976 als Prostituierte tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte sie mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer. Der Einspruch führte für die Jahre 1971 und 1972 zu einer Herabsetzung, für die übrigen Jahre zu einer Erhöhung der Umsatzsteuerschuld. Die Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hatte, sie habe keine steuerbaren Leistungen ausgeführt, hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 90 veröffentlicht worden ist, entschied, die Klägerin habe durch gewerbsmäßige Unzucht steuerbare sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht. Es änderte die Steuerfestsetzungen aus der Einspruchsentscheidung, weil die Beteiligten nach einem Erörterungstermin übereinstimmend davon ausgingen, daß die Klägerin in den Streitjahren geringere als die bisher geschätzten Jahresumsätze erzielt habe. Deshalb überstieg ihr jährlicher Gesamtumsatz 60 000 DM nicht, so daß das FG die Steuer nunmehr nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973) berechnete.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973. Zur Begründung führt sie u.a. aus, das FG habe verkannt, daß sie keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinne nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973 erbracht habe. Als Prostituierte sei sie auch nicht Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 UStG 1967/1973, weil sie keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und auch keine einem Berufsbild zuzuordnende berufliche Tätigkeit entfaltet habe. Sie sei durch ihre unregelmäßige Tätigkeit, mit der sie nur ihren jeweiligen Geldbedarf habe decken wollen, nicht nachhaltig tätig geworden. Sie habe lediglich in einer gesellschaftlichen, nichtunternehmerischen Sphäre verkehrt und nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 9. Juni 1983 V 213/83 und die angefochtenen Steuerfestsetzungen aufzuheben und festzustellen, daß sie wegen ihrer Leistungen aus gewerbsmäßiger Unzucht nicht umsatzsteuerpflichtig sei.

Das FA beantragt unter Berufung auf die Vorentscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat geht davon aus, daß die Klägerin ihr bisheriges Klagebegehren in der Revision nicht um eine Feststellungsklage erweitert hat, was unzulässig wäre (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1974 IV 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522, unter 2.; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 123 Anm. 2). Sie will erkennbar nur auf die Beurteilung einer Vorfrage hinweisen, die der Senat bei der Entscheidung über das Revisionsbegehren treffen muß.

2. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

a) Der Senat hat durch Urteil vom 4. Juni 1987 V R 9/79 (BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653) entschieden, daß eine selbständig tätige Prostituierte steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbringt. Die Ausführungen der Revision rechtfertigen keine andere Beurteilung.

b) Die Klägerin hat als Prostituierte durch körperliche Hingabe eine Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973 ausgeführt. Diese (sonstige) Leistung ist steuerbar, weil die Klägerin damit Einnahmen für ihre Lebensführung angestrebt hat. Sie ist dabei auch als Unternehmerin im Rahmen ihres Unternehmens tätig gewesen (§ 2 Abs. 1 UStG 1967/73). Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967/1973). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967/1973). Die Unternehmereigenschaft hängt danach weder von einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des Ertragsteuerrechts, insbesondere nicht von einer Beteiligung am ,,allgemeinen" wirtschaftlichen Verkehr ab (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1983, 1583; vorher § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung) noch von einer als Beruf geschützten Betätigung (zu den Anforderungen: Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 1984 1 BvL 13/81, BVerfGE 68, 272, 281, m.w.N.; zur Beurteilung der Prostitution als Beruf vgl. Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 12 Anm. 25). Vielmehr ist, wie sich aus der Klarstellung in § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967/1973 entnehmen läßt, jede nachhaltige auf Einnahmeerzielung und damit auf eine gewisse Dauer berechnete Tätigkeit ausreichend (BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 unter 2.). Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin, auch wenn sie 1971 und 1972 nur wenige Monate und auch wenn sie nur ,,für den jeweiligen Geldbedarf" tätig war.

c) Gegen die Höhe der vom FG ermittelten Entgelte sind Einwendungen weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Besteuerung der Klägerin als Unternehmerin mit niedrigem Gesamtumsatz nach § 19 UStG 1967/1973 ist zutreffend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415413

BFH/NV 1988, 128

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