Leitsatz (amtlich)

Zur Verdeckten Gewinnausschüttung bei Umsatzpachtverhältnissen.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, an der der inzwischen verstorbene Hermann B zu 75 v. H. und dessen Ehefrau Hildegard B zu 25 v. H. beteiligt waren. Die Eheleute, die auch Geschäftsführer waren, hatten abweichend von der Höhe ihrer Beteiligung Stimmrechte von je 50 v. H. Die Klägerin wurde 1957 gegründet. Sie führte die von Hermann B betriebene Leuchtenherstellung zunächst in gemieteten Fabrikund Geschäftsräumen fort.

Hermann B verpachtete der Klägerin mit Vertrag vom 30. Januar 1957 die gesamten materiellen und immateriellen Werte seines Einzelunternehmens (§ 1). Der Pachtzins betrug 3 v. H. des Umsatzes der Klägerin (§ 8). Die Klägerin hatte die gepachteten Gegenstände instandzuhalten, gegebenenfalls zu ersetzen; in bestimmten Fällen (Rationalisierung, Überalterung usw.) konnte die Klägerin bei dem Verpächter die Anschaffung neuer Gegenstände "beantragen" (§ 4). Der Pachtvertrag war mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Schluß eines Halbjahres kündbar (§ 9).

Hermann B erwarb im Jahre 1962 ein Grundstück und errichtete hierauf ein auf die Bedürfnisse der Klägerin abgestelltes Fabrikgebäude. Er vermietete ihr Grundstück und Gebäude gegen einen Mietzins von monatlich 4 668 DM. Er erwarb ferner im Jahre 1966 das unbebaute Nachbargrundstück und stellte es der Klägerin unentgeltlich zur Verfügung. Die Klägerin errichtete hierauf eine Halle, die an das erstgenannte Fabrikgebäude anschließt.

Die Klägerin sagte Hildegard B im Jahre 1967 zu, ihr mit Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei Berufsunfähigkeit ein lebenslängliches Ruhegeld in Höhe von 1 100 DM monatlich zu zahlen. Hierfür wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1967 eine Pensionsrückstellung in Höhe von 17 620 DM gebildet.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ging nach einer Betriebsprüfung in den endgültigen Körperschaftsteuerbescheiden 1964 bis 1967 davon aus, daß die Umsatzpacht in den Jahren 1964 bis 1967 unangemessen hoch gewesen sei und daß bei der Bemessung der Pensionsrückstellung für Hildegard B ein Pensionierungsalter von 75 Jahren zugrunde zu legen sei.

Der Einspruch führte zu einer Verböserung. Das FA bemaß die verdeckten Gewinnausschüttungen mit 30 000 DM (1964), 40 000 DM (1965), 50 000 DM (1966) und 60 000 DM (1967) und begründete dies damit, die Klägerin habe in den Streitjahren in erheblichem Umfang selbst in das Anlagevermögen investiert; die Umsatzpacht sei im Ausmaß der Eigeninvestitionen (1964 = 77 v. H., 1965 = 74 v. H., 1966 = 70 v. H., 1967 = 76 v. H.) -gekürzt um Sicherheitsabschläge - verdeckt ausgeschüttet worden.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG hat dargelegt: Dem Pachtvertrag könne nicht die Verpflichtung des Hermann B entnommen werden, notwendige Neuinvestitionen vorzunehmen. Ein gewissenhafter Geschäftsleiter hätte auch nicht auf eine Anpassung der Umsatzpacht gedrungen oder gar den Pachtvertrag gekündigt. Selbst wenn mit dem FA ein überhöhter Pachtzins angenommen würde, wäre mit Rücksicht auf die sonstigen Geschäftsbeziehungen mit Hermann B, die für die Klägerin insgesamt vorteilhaft gewesen seien, eine Kündigung nicht ratsam gewesen. Hermann B habe der Klägerin das Fabrikgrundstück zu einem ungewöhnlich niedrigen Mietzins zur Verfügung gestellt (jährlicher Vorteil für die Klägerin von 56 000 DM) und die Klägerin sogar ab 1966 das Nachbargrundstück unentgeltlich nutzen lassen. Im Falle einer Kündigung hätte ihr Hermnn B voraussichtlich die für die Produktion erforderlichen Grundstücke entzogen. Die einen Vorteilsausgleich einschränkenden Urteile des BFH vom 22. April 1964 I 62/61 U (BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370) und vom 4. Mai 1965 I 130/62 U (BFHE 83, 273, BStBl III 1965, 598) seien nicht einschlägig.

Die Pensionsrückstellung für Hildegard B sei nach einem Pensionierungsalter von 65 Jahren zu bemessen. Hildegard B habe die Klägerin nicht beherrscht. Die Beteiligung des Ehemannes dürfe ihr nicht zugerechnet werden. Es sei nicht zu vermuten, daß Eheleute, die zu Geschäftsführern ihrer Gesellschaft bestellt worden seien, auch beide über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus tätig sein würden. Überdies könne nicht angenommen werden, daß Eheleute stets gleich abstimmen würden. Eine solche Übereinstimmung sei nur bei gleichlaufenden wirtschaftlichen Interessen gegeben, für die im Streitfall kein Anhalt bestehe.

Das FA macht mit der Revision geltend: Hermann B sei verpflichtet gewesen, die Neuinvestitionen zu finanzieren. Sollte indes § 4 des Pachtvertrages mit dem FG dahin zu verstehen sein, daß Hermann B eine solche Finanzierung "nach Gutdünken" habe ablehnen dürfen, verstoße die Bestimmung gegen das Klarheitsgebot und kneble die Klägerin. Die Klägerin hätte von einem Dritten mit Rücksicht auf ihre hohen Eigeninvestitionen in den Jahren 1964 bis 1967 eine Reduzierung des Pachtzinses gefordert und erhalten. Die Überlegungen des FG zu einer Abstandnahme von einer Kündigung wegen des möglichen Verlustes sonstiger Vorteile liefen auf einen unzulässigen Vorteilsausgleich hinaus. Die Klägerin habe das Fabrikgrundstück langfristig gemietet und wäre im Fall einer Kündigung mit dem ihr verbleibenden Anlagevermögen in der Lage gewesen, den Betrieb fortzuführen.

Hinsichtlich der Pensionsrückstellung Hildegard B sei das FG ohne überzeugende Begründung von der Rechtsprechung des BFH abgewichen (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1965 I 193/62 S, BFHE 84, 557, BStBl III 1966, 202; vom 8. Februar 1966 I 227/63, BFHE 85, 313, BStBl III 1966, 323).

Die Klägerin erwidert: Die Umsatzpacht von 3 v. H. sei von Anfang an besonders niedrig gewesen. Sie habe in den Streitjahren trotz der Pachtzahlungen überdurchschnittliche Gewinne erzielt.

Hildegard B sei zum 31. Dezember 1973 in den Ruhestand getreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist - soweit sie die Jahre 1964 bis 1966 betrifft - unbegründet. Hinsichtlich des Jahres 1967 führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1. Es sind keine verdeckte Gewinnausschüttungen in bezug auf den Pachtvertrag angefallen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie unter sonst gleichen Umständen bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 10. Januar 1973 I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322).

a) Das FG hat zunächst zu Recht keine verdeckte Gewinnausschüttungen darin gefunden, daß die Klägerin für ihre erheblichen Neuinvestitionen vom Verpächter Hermann B keinen Ersatz verlangte. Die Auslegung des Pachtvertrages durch das FG dahin, daß Hermann B nicht zu einem Ersatz verpflichtet gewesen sei, ist nicht zu beanstanden. In § 4 des Vertrages heißt es, die Klägerin könne den Ersatz von überalterten Pachtgegenständen "beantragen", Hermann B könne indes den Antrag ablehnen, wenn ihm die "damit verbundenen finanziellen Belastungen unzumutbar" erschienen. Nach § 5 des Vertrags bedurfte die Klägerin zu grundlegenden Änderungen im Betrieb der Zustimmung von Hermann B. Die Bestimmung des § 6 stellte es Hermann B frei, Neuinvestitionen nach Beendigung des Pachtvertrags gegen einen angemessenen Wertausgleich zu übernehmen. Danach konnte Hermann B in der Tat "nach Gutdünken" Neuinvestitionen finanzieren oder nicht, sie nach Beendigung des Pachtvertrages übernehmen oder nicht oder sie sogar - falls sie grundlegend waren - verhindern. Diesen Bestimmungen mangelt es nicht an Klarheit. Sie sind nicht ungewöhnlich noch knebeln sie die Klägerin. Es ist im Wirtschaftsleben üblich, daß der Pächter Investitionen selbst finanziert. Die Bestimmung, grundlegende Investitionen mit Hermann B abzustimmen, hinderte die Klägerin nicht an einer eigenständigen Geschäftstätigkeit.

b) Auch die Pachtzinszahlungen sind nicht teilweise verdeckte Gewinnausschüttungen. Bei einem Umsatzpachtverhältnis gehen die gemeinsamen Erwartungen des Verpächters und des Pächters dahin, daß der Pächter seinen Umsatz steigern werde. Daher würde auch ein fremder Pächter nichts gegen die Erhöhung des Pachtzinses durch Umsatzsteigerung einwenden können. Dies gilt auch dann, wenn die Umsatzsteigerung auf erhebliche Investitionen des Pächters zurückzuführen ist. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt in Fällen der vorliegenden Art erst in Betracht, wenn die Eigeninvestitionen des Pächters einen Umfang erreicht haben, der zu einer Änderung der Geschäftsgrundlage führt, die den Pächter berechtigt, eine Anpassung des Pachtvertrages an die veränderten Verhältnisse zu verlangen, und der Pächter es unterläßt, vom Verpächter eine Ermäßigung des umsatzabhängigen Pachtzinses zu verlangen.

Das FG unterstellt im Sinne des FA, daß die Pachtzinszahlungen "seit dem Jahre 1964 infolge der hohen Eigeninvestitionen der Klägerin... überhöht" waren, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist. Aber selbst wenn man dies annimmt, ist im Streitfall eine verdeckte Gewinnausschüttung zu verneinen. Ein Verlangen der Klägerin auf Vertragsanpassung oder gar eine Kündigung des Pachtvertrags durch die Klägerin wäre - wie das FG mit überzeugenden Gründen dargelegt hat - nicht ratsam gewesen. Der Senat hat eine verdeckte Gewinnausschüttung verneint, wenn eine GmbH ihren Gesellschaftern Gebäude auf Gesellschaftergrund zu den unter den Verkehrswerten liegenden Buchwerten überließ, und dabei auf die schwache Rechtsposition abgestellt, die ein höheres Entschädigungsverlangen als nicht durchsetzbar erscheinen ließ (BFH-Urteil vom 12. Juli 1972 I R 203/70, BFHE 106, 313, BStBl II 1972, 802). Ähnlich ist es hier. Ein Verlangen auf Vertragsanpassung oder eine Kündigung hätte die Klägerin gegenüber einem fremden Verpächter in gleicher Lage in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Der durch den Pachtvertrag begünstigte Verpächter hätte ihr anderweite Vorteile (mietpreisgünstige Überlassung einer Fabrikhalle, unentgeltliche Überlassung eines Grundstücks) entziehen können. Auch wenn sie mit dem ihr verbleibenden Anlagevermögen hätte weiterproduzieren können, wäre sie durch die Betriebsverlegung und das verringerte Anlagevermögen in beträchtliche Schwierigkeiten geraten.

In dieser Betrachtung liegt kein Vorteilsausgleich. Die Überlegung, ob das Verlangen auf Vertragsanpassung oder eine Kündigung gegenüber einem wichtigen Geschäftspartner ratsam ist, muß alle Aspekte dieser Geschäftsbeziehung erfassen. Es findet keine Verrechnung von Nachteilen mit Vorteilen statt, die nach den BFH-Urteilen I 62/61 U und I 130/62 U nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Es wird vielmehr geprüft, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter in der Situation der Klägerin verfahren wäre.

2. Die Vorentscheidung unterliegt indes im zweiten Streitpunkt der Aufhebung. Nach dem Urteil des Senats I 193/62 S darf eine GmbH eine Pensionsrückstellung im Falle einer Zusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nur unter Zugrundelegung eines Pensionierungsalters von 75 Jahren bilden; die Entscheidung beruht auf der Ansicht, daß der beherrschende Gesellschafter bis zu diesem Zeitpunkt seiner Geschäftsführertätigkeit nachgehen und dazu auch biologisch regelmäßig in der Lage sein wird. Beherrschend ist auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der zwar nicht selbst, aber zusammen mit seinem Ehegatten mehrheitlich beteiligt und stimmberechtigt ist. In der Regel ist davon auszugehen, daß die Interessen der Ehegatten in der Frage der Pensionierung gleichlaufen (vgl. BFH-Urteil I 227/63). Dieser Fall liegt hier vor. Die durch die Zusage begünstigte Hildegard B besaß zwar nur 25 v. H. der Anteile, ihr Ehemann hielt aber die übrigen Anteile. Ihr Stimmrecht entsprach dem ihres Mannes.

Das FG stellt demgegenüber zu Unrecht darauf ab, es sei nicht zu vermuten, daß Hildegard B auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres Geschäftsführerin bleiben werde, wenn schon der Ehemann Geschäftsführer sei. Waren angesichts des Umfangs der Geschäfte der Klägerin beide Eheleute schon im Streitjahr als Geschäftsführer erforderlich, so ist anzunehmen, daß sie auch im fortgeschrittenen Alter bei verminderter Arbeitskraft als Geschäftsführer erforderlich sein werden.

Das Revisionsvorbringen der Klägerin, wonach Hildegard B zum 31. Dezember 1973 in den Ruhestand getreten sein soll, bleibt ohne Einfluß auf die Bilanzierung zum 31. Dezember 1967. Trifft dieser Vortrag zu, könnte die Klägerin zum 31. Dezember 1973 eine Einmalzuführung zur Rückstellung tätigen, die dem rechtzeitigen Eintritt in den Ruhestand Rechnung trägt, nicht aber diesen Umstand bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1967 berücksichtigen (BFH-Urteil vom 20. Juni 1974 I R 112/72, BFHE 113, 25, BStBl II 1974, 694).

Die Sache wird insoweit - beschränkt auf das Jahr 1967 - an das FG zurückverwiesen, das noch den FA-Ansatz der Pensionsrückstellung rechnersich zu überprüfen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71313

BStBl II 1975, 366

BFHE 1975, 471

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