Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die von einer Knappschaft an frühere sogenannte DO-Angestellte gezahlten Knappschaftsrenten sind in vollem Umfange Renten im Sinn des § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG, auch soweit nur teilweise dafür echte Beiträge an das Versicherungsvermögen abgeführt worden sind.

Rentenbescheide der Sozialversicherungsträger können im Besteuerungsverfahren nur geprüft werden, soweit sie offensichtlich rechtswidrig sind.

 

Normenkette

EStG § 19/1/2, § 22/1/a; LStDV § 2 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

Die Bgin., eine Knappschaft, beschäftigt neben Tarifangestellten, Arbeitern und Lehrlingen auch sogenannte Dienstordnungs (Do) - Angestellte, d. h. Angestellte, die nach § 6 Ziff. 13 DO für Knappschaften, die am 10. April 1941 durch den Präsidenten der Reichsknappschaft erlassen wurde (Textsammlung von Miesbach-Busl, Reichsknappschaftsgesetz, S. 429), wie Beamte Wartegeld, Ruhegehalt und Versorgungsbezüge erhalten. Die DO-Angestellten waren vor der übernahme in das DO-Verhältnis durchweg zunächst Tarifangestellte der Bgin. und waren als solche gemäß § 187 Abs. 1 Satz 1 des Reichsknappschaftsgesetzes in der Fassung vom 1. Juli 1926 - abgekürzt RKG - (RGBl 1926 I S. 369) pflichtversichert. Die Bgin. übernahm die von den Tarifangestellten zu leistenden Beitragsanteile und unterwarf sie ordnungsgemäß der Lohnsteuer.

Mit der übernahme in das DO-Verhältnis richtete sich das Dienstverhältnis nach den §§ 185 ff. RKG und der jeweiligen DO. Auf Grund von § 14 Abs. 2 Satz 1 DO vom 10. April 1941 beließ es der Vorstand der Reichsknappschaft bei der seit dem Jahre 1927 geltenden Regelung, daß alle DO-Angestellten vom Tag der DO-Anstellung an, auch soweit sie nach dem 1. April 1939 angestellt wurden, auf Kosten der Knappschaft in der Versicherung blieben und die DO-Angestellten selbst keine Beiträge mehr zur Rentenversicherung zu erbringen hatten.

Bei dem Eintritt eines Versorgungsfalles erteilt die Bgin. den DO-Angestellten zwei Bescheide, und zwar einen Bescheid als Arbeitgeber über die Festsetzung des nach § 6 Ziff. 13 DO vom 10. April 1941 (a. a. O.) zu leistenden Ruhegehalts und als Versicherungsträger einen Bescheid über die Knappschaftsrente bzw. das Knappschaftsgeld. Zur Vermeidung von Doppelleistungen (Ruhegehalt und Rente) aus den gleichen Zeiträumen kürzt sie den Ruhegehaltsanspruch der DO-Angestellten gemäß § 115 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 2 DO um den Teil der Knappschaftsrente, der auf ruhegehaltsfähige Dienstzeiten entfiel. Die Knappschaftsrenten werden ohne Lohnsteuerabzug ausbezahlt, während die Ruhegehälter der Lohnsteuer unterworfen werden.

Nach einer Lohnsteuerprüfung forderte das Finanzamt von der Bgin. als Arbeitgeberin 101.224,80 DM an Steuerabzugsbeträgen nach. Es hielt die Kürzung des Ruhegehalts um die Rententeile, die auf die DO-Zeit entfielen, für unzulässig, weil weder die Bgin. noch der Arbeitnehmer für diese Zeit echte Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hätten.

Die Bgin. beruft sich demgegenüber auf § 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV, wonach Bezüge, die ganz oder teilweise auf früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten beruhen, nicht zum Arbeitslohn rechnen. Mindestens für den Zeitraum, in dem die Arbeitnehmer Tarifangestellte gewesen seien, seien echte Beiträge abgeführt worden. Die Knappschaftsrenten seien darum voll als sonstige Einkünfte (Leibrenten) gemäß § 22 Ziff. 1 a EStG mit dem Ertragsanteil zu versteuern. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht hat durch Zwischenurteil grundsätzlich im Sinne der Bgin. entschieden. Es führte aus, in welcher Höhe Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden seien, könne dahingestellt bleiben; dann jedenfalls seien den Versorgungsempfängern unanfechtbare Rentenbescheide erteilt worden. Rechtskräftige Verwaltungsakte auf dem Gebiete des Sozialversicherungswesens seien gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes - abgekürzt: SGG - vom 3. September 1953 (BGBl 1953 I S. 1239) in der Fassung vom 23. August 1958 (BGBl 1958 I S. 613) auch für die Steuerbehörden bindend. Die Finanzverwaltung dürfe rechtskräftige Rentenbescheide nicht auf ihre sachliche Richtigkeit nachprüfen. Die Versorgungsbezüge der DO-Angestellten seien darum, soweit sie auf Knappschaftsrenten entfielen, nicht nach § 19 EStG, sondern nach § 22 Ziff. 1 a EStG zu versteuern, obwohl während der aktiven Dienstzeit der DO-Angestellten Beiträge nur verrechnet und dafür keine Lohnsteuer einbehalten worden sei.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 19 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 LStDV. Er verbleibt dabei, daß der Teil der Knappschaftsrenten, der auf die Dienstzeit der Arbeitnehmer als DO-Beschäftigte entfällt, Teil ihres Ruhegehalts sei und darum dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterworfen werden müsse. Die Knappschaftsrenten seien nicht voll durch Beitragsleistungen der Angestellten oder durch solche der Knappschaften gedeckt; sie seien auf der Grundlage der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet und darum als Arbeitslohn zu behandeln.

Der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats gemäß § 287 Ziff. 2 AO dem Verfahren beigetreten ist, billigt die Entscheidung des Finanzgerichts nicht. Er tritt dem Finanzamt darin bei, daß die Renten ein Teil des Ruhegehalts seien. § 77 SGG gelte nur für die unmittelbar am Verfahren Beteiligten. Für das Lohnsteuerrecht würden die Begriffe Arbeitnehmer und Arbeitslohn selbständig bestimmt. Leibrenten im Sinne von § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG seien nicht gegeben. Darum müßten die auf die Zeit der DO-Anstellung entfallenden Leistungen der Knappschaften dem Steuerabzug unterworfen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß Bezüge, die ganz oder teilweise auf früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten oder seines Rechtsvorgängers beruhen, gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV nicht Arbeitslohn sind. Der Senat hat in dem Gutachten VI D 1/57 S vom 27. März 1958 (BStBl 1958 III S. 258, Slg. Bd. 66 S. 670) dargelegt, daß die Regelung der LStDV zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der §§ 19 und 22 EStG hergeleitet werden könne, daß aber die Regelung der Systematik des EStG entspreche. Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG ist grundsätzlich alles, was einem Arbeitnehmer auf Grund eines Dienstverhältnisses als Entgelt für seine Dienstleistungen vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von dritter Seite zufließt. Erhält ein Arbeitnehmer Zuwendungen nicht auf Grund des Dienstverhältnisses, sondern aus einem anderen Rechtsgrund, so sind die Zuwendungen kein Arbeitslohn. Das gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer auf Grund früher geleisteter Beiträge zu einer gesetzlichen oder vertraglichen Versicherung eine Rente erhält. Dann ist die Rente die Gegenleistung für die geleisteten Beiträge, nicht ein Entgelt für die dem Arbeitgeber geleisteten Dienste. Das ändert sich nicht, wenn die Beiträge nicht vom Arbeitnehmer selbst, sondern - etwa auf Grund eines Gesetzes, einer normativen Kollektivvereinbarung oder auf Grund eines Einzelarbeitsvertrages - vom Arbeitgeber allein oder vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen aufgebracht werden. Die Beiträge, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer leistet, können zusätzlicher Arbeitslohn für den Arbeitnehmer sein. Renten, die ein Arbeitnehmer auf Grund von Beitragsleistungen bezieht, sind jedenfalls nicht nach § 19 EStG, sondern nach § 22 EStG zu versteuern, auch wenn der Arbeitnehmer die Beiträge nur teilweise aufgebracht hat. Die einheitliche Rente, die wenigstens teilweise auf Beitragsleistungen beruht, kann nicht aufgespalten werden (Gutachten des Senats VI D 1/57 S, a. a. O.).

Die Beteiligten sind sich einig, daß die Knappschaftsrenten, soweit sie auf Beiträgen aus der Zeit vor der DO-Anstellung beruhen, Renten im Sinne von § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG sind; ebenso, daß die Ruhegehälter aus der Zeit nach der DO-Anstellung Arbeitslohn im Sinne von § 19 EStG sind. Streitig ist nur die aus dem Ruhegehalt aus der Zeit nach der DO-Anstellung rechnerisch ausgesonderte Knappschaftsrente, die von der Bgin. als Rente im Sinne von § 22 Ziff. 1 a EStG und vom Finanzamt als Arbeitslohn im Sinne von § 19 EStG angesehen wird.

Der Senat tritt dem Finanzgericht darin bei, daß die einheitlich gezahlte Kanppschaftsrente nicht aufgespalten werden kann. Die Knappschaftsrenten gehen auf die früheren Beitragsleistungen der Empfänger als Tarifangestellte zurück. Denn es werden nur frühere Knappschaftsangestellte versorgt, für die Beiträge gemäß § 197 RKG abgeführt wurden. Die Renten sind also mindestens teilweise die Gegenleistung für frühere Beiträge. Darum sind den Versorgungsempfängern auch einheitliche Rentenbescheide erteilt worden. Es ist nicht entscheidend, aus welchen Quellen die Bgin. die Mittel zur Erfüllung ihrer Rentenverpflichtungen genommen hat, noch ob und wie nach der überführung der Arbeitnehmer in das DO-Verhältnis die Beitragsleistungen dem Versicherungsvermögen zugeführt worden sind; vor allem ist nicht wesentlich, daß hier offenbar auf eine echte Beitragsleistung verzichtet wurde, weil man die auf die fortgesetzten Versicherungen entfallenden Rentenanteile den Verwaltungsmitteln entnommen und dann der Rentenversicherung gutgebracht hat.

Die Höhe der Renten richtet sich nach den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts. Setzen die zuständigen Behörden die Renten fest, so kann es grundsätzlich nicht Sache der Finanzbehörden sein, die sachliche Richtigkeit der Rentenbescheide zu prüfen. Der Senat tritt zwar dem Bundesminister der Finanzen darin bei, daß Rentenfeststellungen nicht rechtsbegründend (konstruktiv) wirken. Das Gegenteil läßt sich auch nicht mit dem Finanzgericht aus § 77 SGG herleiten, wonach ein Verwaltungsakt, gegen den ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, für die Beteiligten in der Sache bindend ist, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift beschränkt die Bindung schon ihrem Wortlaut nach auf die unmittelbar am Verfahren Beteiligten (vgl. Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 77 SGG, Bem. 11 ff.). Der Steuerfiskus wird durch eine Rentenfestsetzung nicht unmittelbar berührt und braucht darum einen rechtskräftigen Rentenbescheid nicht unbesehen der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Finanzverwaltungsbehörden können Rentenbescheide der Sozialversicherungsträger jedenfalls im Grundsatz auf ihren rechtlichen Bestand prüfen. Aber nur schwere und offensichtliche Verstöße können dazu führen, einen Rentenbescheid für das Besteuerungsverfahren beiseite zu schieben. Es geht nicht an, daß die Finanzämter etwa die Rentenberechnung im einzelnen nachprüfen. Rechtsakte anderer Verwaltungen, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, müssen grundsätzlich respektiert werden (Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931 S. 17; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 92 ff.).

Im Streitfall lassen die Rentenbescheide einen offensichtlichen und schweren Mangel nicht erkennen. Es mag zweifelhaft sein, ob die Knappschaft gemäß § 187 RKG in Verbindung mit § 17 c des Bezirkstarifvertrags vom 5. März 1926, § 16 f des Reichstarifvertrags vom 24. März 1928, § 15 h des Reichstarifvertrags vom 2. April 1930 und des § 14 Abs. 2 DO vom 10. April 1941 (a. a. O.) berechtigt sind, die Zeit nach der DO-Anstellung als Beitragszeit zu berücksichtigen. Trotzdem sind deswegen die Rentenbescheide nicht offensichtlich rechtswidrig.

Der Streitfall weist die Besonderheit auf, daß die Bgin. gleichzeitig Arbeitgeberin der DO-Angestellten und Trägerin des Versicherungsvermögens ist und daß es infolge dieser Doppelstellung nicht ausgeschlossen ist, daß die Bgin. Lasten, die sie als Arbeitgeberin zu tragen hat, auf das Versicherungsvermögen abschiebt. Solchen Fragen haben aber nicht die Finanzverwaltungsbehörden nachzugehen, sondern die Aufsichtsbehörden. Sie haben darüber zu wachen, daß die Bgin. das ihr anvertraute Versicherungsvermögen dem Gesetz entsprechend verwaltet. Beanstandet etwa die Aufsichtsbehörde das Verfahren der Bgin. so sind die daraufhin von der Bgin. getroffenen Maßnahmen auf ihre steuerlichen Auswirkungen erneut zu prüfen.

Die von der Bgin. gezahlten Knappschaftsrenten sind also, wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat, gemäß § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG voll als Leibrenten zu behandeln. Die Aufteilung der Renten nach ihren Berechnungsteilen hat das Finanzgericht zutreffend abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411833

BStBl III 1966, 19

BFHE 1966, 53

BFHE 84, 53

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