Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der Rechtsauffassung fest, daß sog. Sonderbetriebsausgaben eines Gesellschafters (Mitunternehmers) grundsätzlich im Verfahren der einheitlichen Feststellung des Gewinns der Gesellschaft zu berücksichtigen sind.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2; EStG § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1965 (Streitjahr) an einer KG beteiligt, die eine Kurklinik betreibt. Er ist auch Geschäftsführer der KG. Im Streitjahr befand sich die Klinik im Bau. Der Gewinn (Verlust) der KG wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) einheitlich und gesondert festgestellt. Nachdem der Feststellungsbescheid unanfechtbar geworden war, führte das FA die Einkommensteuerveranlagung des Klägers durch. Dabei versagte es den Abzug von Kreditzinsen in Höhe von 8 200 DM, die der Kläger für ein Darlehen, das zur Aufbringung der Gesellschaftereinlage aufgenommen worden war, gezahlt hatte. Das FA vertrat die Auffassung, daß diese Zinsen keine Sonderausgaben, sondern Sonder-Betriebsausgaben des Klägers im Zusammenhang mit seinem Mitunternehmeranteil gewesen seien. Sie könnten deshalb nicht bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden. Der Kläger hätte sie im Gewinnfeststellungsverfahren der KG geltend machen müssen. Darauf sei die KG mit Schreiben des FA vom 20. Januar 1967, nach Abgabe der Einkommensteuererklärung (24. Dezember 1966) und vor Abgabe der Erklärung der KG zur einheitlichen Gewinnfeststellung (20. Juni 1967), sogar ausdrücklich hingewiesen worden. - Da die Zinsen in der Gewinnerklärung der KG nicht aufgeführt waren, blieben sie bei der einheitlichen Gewinnfeststellung unberücksichtigt.

Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es führte aus, daß der Erwerb eines Anteils an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft bereits der Beginn der gewerblichen Betätigung sei. Die Kreditaufnahme stelle eine betriebliche Vorbereitungshandlung dar. Einem Gesellschafter persönlich erwachsene Sonderbetriebsausgaben könnten grundsätzlich nur im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren nach § 215 AO, nicht jedoch im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Gesellschafters geltend gemacht werden (vgl. Urteil des BFH vom 30. Juni 1966 VI 273/65, BFHE 86, 576, BStBl III 1966, 582). Das FA habe im übrigen weder seine Aufklärungspflicht verletzt noch stelle die Nichtberücksichtigung der Zinsen bei der Einkommensteuerveranlagung einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Es könne dem FA nicht zugemutet werden, die eingereichten, ordnungsgemäß ausgefüllten Steuererklärungen auf alle nur denkbaren Fehlerquellen zu prüfen. Das FA habe auch keine Veranlassung gegeben, daß die Zinsen nicht im Feststellungsverfahren geltend gemacht worden seien. Es habe vielmehr ausdrücklich auf die verfahrensrechtliche Besonderheit der Behandlung der Kreditzinsen aufmerksam gemacht.

Der Kläger legte gegen das FG-Urteil Revision ein. Er führt aus, daß das FA die im Einkommensteuerverfahren geltend gemachten Zinsen von Amts wegen in dem Verfahren betreffend die einheitliche Gewinnfeststellung berücksichtigen müsse (Hinweis auf das Urteil des FG Berlin vom 16. April 1969 II 182/67, EFG 1969, 619). Die Auffassung des FA und des FG sei mit dem Grundsatz der Unverletzlichkeit des Steuergeheimnisses (§ 22 AO) nicht vereinbar. Denn sie zwinge die Gesellschafter, ihren Mitgesellschaftern gegenüber bestehende Schulden zu offenbaren. Richtigerweise hätte ein zusätzlicher Ergänzungsbescheid in entsprechender Anwendung des § 216 AO erteilt werden müssen. Im übrigen enthielten weder die Steuergesetze noch die Einkommensteuererklärungsvordrucke einen ausdrücklichen Hinweis darauf, daß persönliche Aufwendungen von Gesellschaftern nur im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren berücksichtigt werden könnten. Der Sachbearbeiter im Gewinnfeststellungsverfahren habe zudem von den Kreditzinsen Kenntnis gehabt. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete es deshalb, ausnahmsweise solche Betriebsausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Rechtsauffassung des FA und des FG entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 25. August 1961 VI 202/60 U, BFHE 73, 619, BStBl III 1961, 491; VI 273/65; vom 4. April 1968 IV R 5/67, BFHE 92, 465, BStBl II 1968, 669; Anrufungsbeschluß des erkennenden Senats vom 28. Juni 1972 I R 206/67, BFHE 106, 261, BStBl II 1972, 803, Abschn. III 1c vorletzter Absatz). Da es sich bei den Kreditzinsen um Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Mitunternehmerstellung des Klägers handelte, hätten die Zinsen nur im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung berücksichtigt werden können.

Die in der angeführten Rechtsprechung vertretene Auffassung verletzt nicht das Steuergeheimnis (§ 22 AO). Zu dieser Frage hat der BFH bereits in dem Urteil VI 273/65 näher Stellung genommen. Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung. Er hat zwar in dem Beschluß I R 206/67 für Unterbeteiligungsverhältnisse (atypische und typische stille Unterbeteiligungen) eine Verpflichtung zur Einbeziehung in das Gewinnfeststellungsverfahren der Hauptgesellschaft abgelehnt und sich unter anderem auf den Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses gestützt. Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß bei mehreren sachgerechten Auslegungsmöglichkeiten derjenigen der Vorzug zu geben ist, bei der das Steuergeheimnis am ehesten gewahrt bleibt. Dem Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses muß bei den bezeichneten Unterbeteiligungsverhältnissen vor allem deshalb Bedeutung beigemessen werden, weil bei ihrer Einbeziehung in die Gewinnfeststellungsverfahren der Hauptgesellschaft die Unterbeteiligten Einblick in die steuerlichen Verhältnisse der Hauptgesellschafter erhalten müßten, obgleich die Hauptgesellschafter sich zivilrechtlich keinen Unterbeteiligten aufdrängen zu lassen brauchen. Bei Unterbeteiligungsverhältnissen fehlt es an gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Unterbeteiligten und der Hauptgesellschaft. Anders liegt die Sache bei den (Haupt-)Gesellschaftern einer Personengesellschaft. Hier gehört die Möglichkeit, daß die Mitgesellschafter Kenntnis von persönlichen Betriebsausgaben erlangen, zu dem Risiko, das ein Gesellschafter mit seiner Beteiligung an einer solchen Personengesellschaft eingeht. Das hat der BFH in dem Urteil VI 273/65 näher ausgeführt. Abgesehen von den Fällen typischer stiller Unterbeteiligungen hält deshalb der erkennende Senat für den gesamten übrigen Bereich von Sonderbetriebsausgaben eines Gesellschafters an der bisherigen Rechtsprechung fest; danach können solche Ausgaben nicht bei der Steuerveranlagung des Gesellschafters, sondern nur im Rahmen einheitlicher Gewinnfeststellungen geltend gemacht werden (Beschluß I R 206/67). Insoweit teilt der erkennende Senat die Auffassung des IV. Senats des BFH, die in dem Urteil IV R 567 zum Ausdruck gekommen ist.

Zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob das FA einen Ergänzungsbescheid nach § 216 Abs. 2 AO hätte erlassen müssen oder können, hat der Senat nicht Stellung zu nehmen, da diese Frage nur dann eine Rolle spielen könnte, wenn im vorliegenden Rechtsstreit über die einheitliche Gewinnfeststellung zu entscheiden wäre. Gegenstand des Rechtsstreits ist jedoch die Einkommensteuerveranlagung des Klägers. In dieser sind, wie ausgeführt, die Zinsen als zur einheitlichen Gewinnfeststellung gehörend nicht zu berücksichtigen.

Schließlich ist auch ein Verstoß des FA gegen Treu und Glauben nicht ersichtlich. Nur wenn die Geltendmachung der Sonderbetriebsausgaben im Einkommensteuerverfahren statt bei der einheitlichen Gewinnfeststellung auf das Verhalten des FA zurückzuführen wäre, könnte der Grundsatz von Treu und Glauben eine Berücksichtigung im Veranlagungsverfahren rechtfertigen (vgl. BFH-Urteile VI 202/60 U; vom 26. Juli 1972 I R 224/70, BFHE 107, 343, BStBl II 1973, 87). Im vorliegenden Fall liegt die Sache aber so, daß das FA die KG, deren Geschäftsführer der Kläger war, sogar noch rechtzeitig ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die Schuldzinsen nur im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung geltend gemacht werden könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70706

BStBl II 1974, 62

BFHE 1974, 315

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